Konferenz GeothermieNord zeigt Interesse an der Entwicklung von Projekten im Norddeutschen Becken

Thema im Fokus 10-2010 | Enerchange

Obwohl es der Entwicklung von Geothermie-Projekten im Norddeutschen Becken noch an Dynamik fehlt, zeigen Kommunen und Projektentwickler doch ein substanzielles Interesse daran, die Potenziale der tiefen Geothermie in Norddeutschland zu nutzen. Dies hat die rege Beteiligung an der Konferenz GeothermieNord bewiesen, die erstmals Anfang Oktober in Schwerin stattfand und über 100 Teilnehmer aus Kommunen, Stadtwerken, Energieversorgern und Geothermieunternehmen anzog.

Auf großes Interesse stießen dabei unter anderem die Praxisberichte der in Betrieb befindlichen Geothermieanlagen in Neustadt-Glewe und Neubrandenburg. Ebenso der Vortrag von Torsten Tischner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zum Projekt GeneSys in Hannover. Er berichtete, dass die nach Abschluss der Bohrarbeiten gemessene Temperatur höher war als erwartet und mit ca. 170 °C in 3900 m Tiefe vergleichbar mit den Temperaturen ist, wie sie sonst nur im Oberrheingraben zu finden sind. Entscheidend für die weitere Nutzung des Demonstrationsvorhabens seien nun die Ergebnisse der Stimulation, die im kommenden Jahr durchführt werden soll, so Tischner. Den Abschluss im Konferenzteil mit den Praxisberichten machte Gerd Wolter von Gassner, Groth, Siederer & Coll., der das geplante Geothermiekraftwerk in Munster-Bispingen vorstellte. Die Stadtwerke des südwestlich von Lüneburg gelegenen Ortes haben inzwischen die Machbarkeitsstudie abgeschlossen und rechnen mit Temperaturen zwischen 165 und 180 Grad Celsius bei einer Schüttung von mehr als 20 Litern pro Sekunde. Wolter verdeutlichte, dass die wirtschaftliche Basis für das Projekt eine Bundesliegenschaft ist, die eine Wärmeabnahme garantiert. Im März 2011 soll mit der seismischen Vorerkundung begonnen werden.

„Perspektivisch könnte die geothermische Wärmeerzeugung für einige kleine und mittlere Stadtwerke eine wirtschaftlich sehr interessante Anschlusslösung für die derzeitig genutzten Erzeugungsformen bieten“, so Torsten Hinrichs von der WEMAG AG. „Dabei können die Erfahrungen aus dem Betrieb der drei geothermischen Bestandsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern bei der Konfigurierung zukünftiger stadtwerkseigener Anlagen unschätzbare Dienste leisten.“ Technische Hindernisse hierfür sieht er keine: „Die Thermalwasserchemie im norddeutschen Becken ist mit den heute verfügbaren Technologien und Werkstoffen weitestgehend beherrschbar.“

Dass im Rahmen dieser Projekte weithin spürbare seismische Ereignisse ausgelöst werden, erscheint nach den Worten von Dr. Christian Bönnemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eher unwahrscheinlich. In seinem Vortrag zur Seismizität im Zusammenhang mit der Nutzung der Geothermie in Norddeutschland wies er darauf hin, dass weder in Waren/Müritz, Neustadt-Glewe, Groß-Schönebeck oder Horstberg bislang spürbare Ereignisse zu verzeichnen waren. Dies ist unter anderem auf die wesentlich geringere tektonische Zerklüftung im Vergleich zum Oberrheingraben zurückzuführen. Insofern bietet sich das Norddeutsche Becken auch als Standort für zukünftige deutsche EGS-Projekte an.

Weitere Themen des Kongresses waren die genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen und bisherigen Erfahrungen der Landesämter mit Projektanträgen, Öffentlichkeitsarbeit für Geothermieprojekte, Förderinstrumente des Bundes sowie die Nutzungskonkurrenz zwischen der Geothermie und CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage). In der Diskussion mit Hartmut Gassner vom GtV-Bundesverband Geothermie machte Dr. Peer Hoth vom Bundeswirtschaftministerium darauf aufmerksam, dass der Referentenentwurf für ein CCS-Gesetz  Bodenschätze (u.a. auch Geothermie) und vorhandene Nutzungsmöglichkeiten des Untergrundes, deren Schutz jeweils im öffentlichen Interesse liegt, besonders berücksichtigt und schützt. Gleichzeitig verwies er darauf, dass man generell nicht alle Flächen frei halten könne, wo theoretisch petrothermale Geothermie-Projekte möglich wären. Denn damit wäre jede andere Nutzung des tiefen Untergrundes blockiert. Das bedeutet: Je konkreter die Kommunen selbst Geothermie-Projekte vorantreiben, desto eher haben sie gegenüber CCS die Nase vorn. 

„Die GeothermieNord.2010 hat gezeigt, dass die Chancen und Möglichkeiten zur Nutzung der tiefen Geothermie im Norddeutschen Becken sehr groß sind und sich hier vielfältige Projekte, wie beispielsweise der untertägige Wärmespeicher in Neubrandenburg, entwickeln können“, so Professor Rüdiger Schulz vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG). „Vor allem für Kommunen bringt die geothermische Nutzung einen Mehrwert, wenn schon größere Wärmeabnehmer beziehungsweise ein Wärmenetz vorhanden ist."

Zufrieden mit der Veranstaltung zeigten sich auch die vielen teilnehmenden Firmen. „Die GeothermieNord war für unser Unternehmen  sowohl inhaltlich als auch bezüglich neuer Kontakte eine absolut lohnende Veranstaltung und wird uns mit unserem geplanten Geothermiepark Rostock einen Schritt weiter bringen“, so Kathrin Traxel von der Firma e.contract GmbH & Co. KG.

Veranstalter der Konferenz war die Agentur Enerchange. Die Vorträge der Konferenz sind auf CD erhältlich und können für 75 Euro zzgl. MwSt. unter agentur [at] enerchange.de bestellt werden. Das Programm der Veranstaltung findet sich unter www.geothermienord.de.