Neue Versicherungslösungen für die Geothermie

Thema im Fokus 05-2017

Das Fündigkeitsrisiko, also das Risiko bei der Erschließung eines geothermischen Reservoirs eine unzureichende Förderrate zu erzielen oder eine zu geringe Temperatur anzutreffen, gehört zu den Hauptrisiken in der tiefen Geothermie. Denn neben weiteren Kennfaktoren, hängen von den Größen Förderrate und Temperatur die Wirtschaftlichkeit und die Leistung eines Geothermiekraftwerks ab. Damit besteht für Investor und Betreiber bis zum Ende der ersten Bohrung das höchste Risiko einer Fehlinvestition. Bis zu diesem Zeitpunkt fließen bereits beträchtliche finanzielle Mittel in die Entwicklung eines tiefen Geothermieprojekts, das – wenn unversichert – schnell zum Millionengrab werden kann.

Nach einigen Rückschlägen bei nichtfündigen Projekten der vergangenen Jahre nahmen die Versicherer die Möglichkeit der Fündigkeitsversicherung vom Markt. Für die Branche war es ein herber Rückschlag. Denn besonders für Kommunen und Gemeinden, die in der Regel wenig Überschuss erwirtschaften, ist eine Fündigkeitsversicherung ein wichtiges Instrument, sich die tiefe Geothermie als nachhaltige und umweltfreundliche Energiequelle erschließen zu können.

In wie weit das Fündigkeitsrisiko eingegrenzt werden kann, ist Gegenstand zahlreicher Analysen. Die alte Bergmannsweisheit „Vor der Hacke ist es duster“ gilt am Ende doch nur für das letzte Restrisiko des Unvorhersehbaren. Denn mit den heutigen Planungsmöglichkeiten, Untersuchungs- und Erschließungsmethoden sind die Risiken für ein tiefes Geothermieprojekt größtenteils kalkulierbar. Durch den hohen Grad der Informationsverfügbarkeit entwickeln Planer ein umfassendes Konzept, das nahezu vollständige Informationen zur Geologie, Geophysik, belastbare 3D-Modelle, mögliche Nutzungskonzepte mit Wirtschaftlichkeitsanalysen und Marktstudien beinhaltet. Diese Daten können heute im Zuge des hohen technischen Standards der geothermischen Industrie Investoren, Finanzgebern und Versicherern für ihre Kalkulation bereitgestellt werden. Planungen, die eine möglichst vollständige Datenlage und den neuesten Stand der Technik wiederspiegeln und damit auch ein überzeugendes Risiko-Management mit entsprechenden Handlungsempfehlungen bieten, öffnen den Weg für eine Fündigkeitsversicherung in einem Geothermieprojekt.

Mehr als 95 Prozent aller Bohrungen erreichten im bayerischen Molassebecken in den letzten 15 Jahren Erschließungszeitraum ihr fündiges Ziel. Aufgrund seiner geologischen und geophysikalischen Eigenschaften ist das Fündigkeitsrisiko in diesem geothermischen Reservoir sehr gering. Doch auch in solchen „treffsicheren“ Regionen wird eine Projekterschließung nie zur Routine und bedarf einer vollumfänglichen Risikobetrachtung für jedes neu zu erschließende Projekt. Was bleibt, ist ein gewisses Restrisiko, das sich meist aufgrund natürlicher Faktoren nicht vorhersehen lässt, aber eine finanzielle Bürde für kleinere Firmen oder auch die kommunale Hand darstellt.

Seit Mitte dieses Jahres bietet die Nordwest Assekuranz (Pressemitteilung v. 14.06.2017) wieder die Möglichkeit einer Fündigkeitsversicherung an. Versichert wurde das Geothermieprojekt Garching an der Alz, ein Joint Venture der STRABAG SE-Tochtergesellschaft Ilbau Liegenschaftsverwaltung AG und der RAG Energy Drilling GmbH, das unter dem Namen „Silenos Energy“ das bereits begonnene Geothermieprojekt umsetzen wird. Oliver Friedlaender, Geschäftsführer der RAG Energy Drilling GmbH, erläutert das weiter entwickelte Konzept: „Kennzeichnend für die Thematik einer Fündigkeitsversicherung von Geothermieprojekten ist aus unserer Sicht, der untrennbare Zusammenhang der Schüttungsmenge mit der resultierenden Absenkung. Während sich die Temperatur unabhängig von den beiden Parametern zeigt, sind Schüttungsmenge und resultierende Absenkung fest miteinander über den Produktivitätsindex verbunden. Daher stellt der Produktivitätsindex eine sinnvolle, transparent nachvollziehbare und reproduzierbare Bemessungsgröße für ein wirtschaftliches Förderregime dar, welches sich zusammen mit einer versicherten Entschädigung zweidimensional abbilden lässt.“ Mit der ersten Bohrung soll 2018 begonnen werden.

Auch für das 2013 nichtfündig erschlossene Geothermieprojekt in Geretsried, ca. 30 Kilometer südlich von München, wurde eine Lösung gefunden. Hier hat der der Bohrunternehmer Daldrup & Söhne AG ein erfolgreich erprobtes und integriertes Versicherungsmodell mit Rückversicherungsstruktur zur Absicherung von Fündigkeitsrisiken in das Projekt eingebracht. Nach vier Jahren Stillstand wird in Geretsried derzeit ein Sidetrack aus dem bereits bestehenden Hauptstrang gebohrt. Das Bohrunternehmen bietet einen Festpreis für den Sidetrack aus der ersten Bohrung. Für die zweite Bohrung greift die unternehmensgebundene Fündigkeitsversicherung, mit der bereits andere Projekte erfolgreich abgesichert wurden. Die bisherigen Ergebnisse des Sidetracks in Geretsried sind vielversprechend.

Eine Fündigkeitsversicherung ist nicht zwingend notwendig für die Umsetzung eines Geothermieprojektes. Für manches finanzstarke Unternehmen lohnt sie sich unter Umständen auch nicht. Dennoch ist die Rückkehr der Option einer Fündigkeitsversicherungslösung, besonders für Kommunen und Gemeinden, das richtige Signal für den Ausbau einer dezentralen Energieversorgung mit tiefer Geothermie aus eigener kommunaler oder städtischer Hand.

Kommunen, Gemeinden, Investoren und Betreiber können sich auf dem 5. Praxisforum Geothermie.Bayern 2017 am 12. September in München im Round Table „Invest Geothermal“ über die Fündigskeitsversicherung für das Projekt Garching an der Alz detailliert informieren. Zur Veranstaltung werden rund 200 Teilnehmer erwartet. Morgen endet die reguläre Anmeldung.

Anmeldemöglichkeit und weitere Informationen zum Programm sind auf der Webseite unter www.praxisforum-geothermie.bayern zu finden. (cj/sv)

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