Studie zeigt Bedeutung der geothermischen Energie in der zukünftigen Energieversorgung

Thema im Fokus 06-2012 | Enerchange

Die  Bundesregierung hat mit dem Energiekonzept vom 28. September 2010 und dem Gesetzespaket zur Energiewende vom Sommer 2011 einen langfristigen politischen Fahrplan für den Umbau der Energieversorgung in Deutschland und für mehr Klimaschutz vorgelegt.  Demnach sollen die Emissionen an Treibhausgasen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um 80% bis 95% gegenüber dem Wert von 1990 gesenkt werden.

Was passieren muss, um den ehrgeizigen Fahrplan einhalten zu können und welches Gewicht  welche Erneuerbaren Energien in welchem Bereich einnehmen sollten, hat die kürzlich veröffentlichte  Studie Langfristszenarien und Strategien  für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global für das Bundesumweltministerium untersucht.*

Ein Ergebnis der Studie ist, dass mit einer stark steigenden Nutzung der Erdwärme gerechnet wird – sowohl im oberflächennahen als auch im tiefen Bereich.  Das Basisszenario (Szenario 2011 A) beispielsweise legt zugrunde, dass der Beitrag der gesamten Geothermie an der beim Verbraucher ankommenden Energie  bis 2050 auf 13% ansteigt, was einer Energiemenge von rund 400 Petajoule pro Jahr entspricht.

Umbau der Wärmeversorgung

Fraglos ist diese Quote und das Erreichen der Klimaziele überhaupt nur möglich, wenn erhebliche Anstrengungen bei der Energieeffizienz unternommen werden. Für die Entwicklung des Wärmebedarfs wird in der Studie beispielsweise angenommen, dass der spezifische Endenergieverbrauch für Raumwärme in Wohngebäuden von 147 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) im Jahr 2008 um über 57% auf 63 kWh/m2a im Jahr 2050 sinken wird. Der Wärmemarkt spielt in den Szenarien für eine klimaschonende Energieversorgung eine entscheidende Rolle, da knapp 60% der hierzulande verbrauchten Energie  für die Erzeugung von Wärme genutzt wird. Mehr als die Hälfte hiervon wiederum wird benötigt, um Häuser und Wohnungen zu heizen.

Wie also könnte 2050 die Wärme klimaverträglicher also heute erzeugt werden und welche Rolle können die Erneuerbaren Energien zu diesem Zeitpunkt spielen? Kurz gesagt: Auch in knapp 40 Jahren wird es nach Überzeugung der Autoren bei weitem nicht gelungen sein, die Wärmeversorgung auf 100% EE umzustellen. Im Szenario 2011 A steigt der der EE-Einsatz zwar von heute 490 PJ auf über 1300 PJ bis 2050. Aber auch dann werden nur 53% des Endenergieverbrauchs für Wärme aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt. Bei der Wärmebereitstellung aus Einzelanlagen wird für Wärmepumpen von einem Wachstum von durchschnittlich 8,3%/a bis 2030 und bei Solarkollektoreinzelanlagen von 9,7%/a ausgegangen. Aber: „Deutlich höher wachsen im Szenario die bisher noch kaum entwickelten Segmente der Nahwärmeversorgung mit Kollektoren und Geothermie“, so die Autoren. Bei der tiefen Geothermie rechnen sie mit einem Wachstum von 18%/a bis 2030. Für 2040 erwartet man, dass der Anteil geothermisch erzeugter Raumwärme etwa gleichauf ist mit der aus Biomasse erzeugten Wärme.

„Der heute dominierende Einsatz von Biomasse (91% der gesamten Erneuerbaren Energien im Wärmesektor) kann aufgrund des begrenzten Potenzials nicht mehr in größerem Umfang ausgeweitet werden“, so die Autoren zur Rolle der Bioenergie. Deshalb sei eine erfolgreiche Ausweitung des heute noch geringen Beitrags von Solarkollektoren und Erdwärme  von großer Bedeutung für den Beitrag des Wärmesektors zum Klimaschutz. „Die Analysen in den Szenarien zeigen, dass ihr Beitrag bis 2050 um das Zwanzigfache steigen muss, wenn zu diesem Zeitpunkt auch im Wärmemarkt die Marke von 50% EE-Anteil am Energiebedarf überschritten werden soll.“

Umbau der Stromversorgung

Auch beim Stromverbrauch wird ein erheblicher Beitrag aus Effizienzanstrengungen einkalkuliert, allerdings geht man davon aus, dass die zunehmende Erzeugung aus Erneuerbaren Energien letztlich einen größeren Teil zum Klimaschutz beiträgt als die Reduktion des Stromverbrauchs. Gemäß der Zielsetzung des Energiekonzepts soll dieser von 516 TWh  im Jahr 2010 bis 2050 „nur“ auf 393 TWh zurückgehen – was einer Reduktion um 24% entspricht gegenüber einer angenommenen Reduktion des Wärmebedarfs um 45% im gleichen Zeitraum.

Entsprechend umfassend wird die Stromversorgung bis 2050 auf EE umzustellen sein, wenn die Klimaziele erreicht werden soll. Die Studie rechnet damit, dass in knapp 40 Jahren rund 85% des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien bestritten wird. Allein Wind- und Sonnenenergie sollen 2050 rund 55% des Verbrauchs abdecken. Die Ausweitung der Stromerzeugung aus Geothermie sehen die Autoren der Studie dagegen nur langsam anlaufen und im Szenario bis 2050 eine insgesamt eher geringe Rolle spielen. „Ausschlaggebend dafür sind die Unsicherheiten über die breitere Realisierbarkeit als stromerzeugende Technologie.“ Es wird aber immerhin mit einer installierten geothermischer Leistung  von knapp drei Gigawatt im Jahr 2050 gerechnet. In einem ambitionierteren Szenario, das eine Reduktion der Treibhausgase um 95% bis 2060 vorsieht, geht man von einer installierten geothermischen Leistung von maximal rund fünf Gigawatt elektrisch in 2050 und knapp neun GW im Jahr 2060 aus – und damit fast so viel wie die angenommene elektrische Leistung aus Biomasse.

Die durchschnittlichen Stromgestehungskosten von EE-Anlagen werden gemäß der Studie ab jetzt eher sinken. Während 2010 die Kosten insbesondere wegen des starken Zubaus der Photovoltaik im Schnitt noch bei 14 ct/kWhel lagen, werden sie bereits bis 2020 auf einen Mittelwert von 9,2 ct2009/kWhel gesunken sein und weiter auf 6,4 ct2009/kWhel bis 2050. Längerfristig werden für alle EE-Techniken Stromgestehungskosten zwischen 5 und 9 ct2009/kWhel erwartet.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Studie schließt mit einer Reihe von Empfehlungen, was hinsichtlich den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr getan werden muss, damit die Szenarien auch Wirklichkeit werden. Eine wichtige Empfehlung ist,  insbesondere die Entwicklung des Wärmemarkt stärker zu forcieren: „ Derzeit besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Förderung der EE-Stromerzeugung und der EE-Wärmebereitstellung, obwohl die Klimaschutzpotenziale vergleichbar sind,“so die Studie. 

Das Energiekonzept der Bundesregierung rege zwar eine Weiterentwicklung und Aufstockung des Marktanreizprogramms (MAP) an, dies allein werde aber nicht ausreichen, dem notwendigen Zubau von Solarkollektoren und von Erdwärmeversorgungen – insbesondere größerer Anlagen mit Nahwärmenetzen – die notwendige Dynamik zu verleihen, beklagen die Autoren der Studie. Die Wissenschaftler empfehlen, hier sehr viel weitergehende Maßnahmen einzuleiten. So  wird vorgeschlagen, die derzeitige Finanzierung des MAP aus Steuermitteln durch eine Umlage auf die Inverkehrbringer von fossilen Brennstoffen zu ersetzen. Neue Untersuchungen im Rahmen des von Prognos koordinierten Projekts „Fachliche und juristische Konzeption eines haushaltsunabhängigen Instruments für erneuerbare Wärme“ hätten gezeigt, dass dies aus juristischer Sicht möglich ist. „Ähnlich wie im EEG lässt sich durch diese Umstellung ein wesentlich größeres Volumen an Fördermitteln mobilisieren als dies bei der bisherigen jährlichen Zuweisung öffentlicher Haushaltsmittel möglich ist.“

Bezüglich der Stromversorgung lautet eine wesentliche Aussage der Studie: „Erneuerbare Energien sind in einer intelligenten Kombination aller Einzeltechnologien und Energiequellen in der Lage, innerhalb eines absehbaren Zeitraums die energetische Vollversorgung moderner Industriegesellschaften mit den heute üblichen Standards hinsichtlich Versorgungssicherheit und mit angemessener Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.“

Um diese Entwicklung abzusichern, ist es nach Meinung der Autoren aber unabdingbar, „dass das EEG als wirksamstes Instrument der Förderung des EE-Ausbaus im Stromsektor in den nächsten Jahren im Wesentlichen unverändert erhalten bleibt“.

*Langfristszenarien und Strategien  für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland  bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa  und global vom 29.3.2012. Autoren der Studie: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) und das Ingenieurbüro für neue Energien.