Akteure der Wärmewirtschaft warten seit 2015 auf die Umsetzung

10.05.2021 | Politik | Karin Jehle
Benjamin Richter, Rödl & Partner

Benjamin Richter, Dipl. Betriebswirt bei Rödl & Partner, fordert im Interview für unser aktuelles „Thema im Fokus“ eine zügige Umsetzung der Bundesförderung effiziente Wärmenetze.

Wie wichtig ist die „Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW)“ für die Entwicklung Ihrer eigenen Projekte bzw. der von Ihnen beratenen Unternehmen? Inwieweit greifen Sie auf bisher bestehende Förderprogramme wie „Wärmenetze 4.0“ oder das KFW-Programm 272 „Erneuerbare Energien Premium“ zurück?

Der deutliche Ausbau der Förderung für Wärmeprojekte ist überfällig. Die Umsetzung eines entsprechenden Förderprogramms wurde bereits 2015 beschlossen, die Akteure der Wärmewirtschaft warten seitdem auf die Umsetzung. Um die CO2-Einsparziele zu erreichen, ist der Wärmebereich unabdingbar, da hier mehr als die Hälfte des CO2 anfällt. Leider ist im Wärmebereich aber bislang am wenigsten staatliche Unterstützung für erneuerbare Energieträger geflossen. Die von uns beratenen Energieversorger setzen überwiegend auf die beiden von Ihnen genannten Programme. Seit klar ist, wie die BEW ausgestaltet werden soll, wurden einige Umsetzungsbeschlüsse verschoben, obwohl das BMWi ein „Verbesserungsgebot“ angekündigt hat, damit auch jetzt laufende Projekte von der BEW profitieren können.

Der BEE als Interessensvertretung der gesamten Erneuerbare-Energien-Branche beklagt in einem Positionspapier, dass eine fehlende Regelung für die Übergangszeit, bis die BEW in Kraft tritt, Investoren und Betreiber verunsichere und sie bei der Entwicklung neuer Projekte daher erst mal abwarten würden. Ist dies nach Ihren Erfahrungen in der Geothermiebranche mit ihren vergleichsweise langen Entwicklungszeiten auch der Fall?

Trotz des bundesweit sehr hohen Bedarfs an thermischer Energie aus Tiefengeothermie zur Direktnutzung bleiben die Wärmeprojekte bislang hinter den Möglichkeiten zurück. Grundsätzlich sollte in allen dicht besiedelten Gebieten sobald wie möglich ein entsprechender Kenntnistand über den tiefen Untergrund erarbeitet werden. Für ein solches Bohrprogramm sind bislang keine Mittel im Entwurf der BEW oder an anderen Stellen vorgesehen. Allerdings wurde in den Empfehlungen der Verbände eine Risikoabsicherung als flankierende Maßnahme vorgeschlagen, das wäre aus unserer Sicht das vielversprechendste Instrument zur Beschleunigung der Entwicklung.

Der BDEW fordert ein Fördervolumen im BEW von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr bis zum Jahr 2030 für alle regenerativen Energien im Wärmebereich. Welcher Teil davon wäre für die Entwicklung geothermischer Projekte notwendig, wenn bis dahin tatsächlich 10 TWh jährlich aus geothermaler Fernwärme stammen sollen, wie es die Studie „Klimaneutrales Deutschland 2050“ anvisiert?

Um die beschlossenen Ziele bis 2030 erreichen zu können, müssen laut AGFW allein 22.000 km Fernwärmeleitungen gebaut werden. Allein für die bundesweite Netzinfrastruktur stehen Investitionen von mehr als 7 Mrd. Euro bis 2030 an. Hinzu kommen die Investitionen im Bereich Erzeugung und die vielen notwendigen Maßnahmen für die mittel und dünn besiedelten Gebiete. Für die 10 TWh geothermische Fernwärme in Direktnutzung werden nach unseren Berechnungen mehr als 15 Mrd. Euro (inkl. Netze) für die Tiefengeothermie anzusetzen sein. Die Erschließung muss immerhin auch in weniger geeigneten Gebieten voranschreiten. Bei einer Förderquote von 40 % müssten bis 2030 also rechnerisch 6 Mrd. Euro allein für die Tiefengeothermie vorgesehen werden, ergänzend zur Risikoabsicherung. Zumindest im Sommer können diese Projekte übrigens zusätzlich steuerbaren und grundlastfähigen Strom bereitstellen.

Für die „Bundesförderung energieeffiziente Gebäude (BEG)“ schlägt der BDEW vor, den Anschluss von Einzelgebäuden an ein Fernwärmenetz nicht vom aktuellen Anteil erneuerbarer Energien abhängig zu machen, sondern von einem ausgearbeiteten Transformationsplan für das gesamte Netz. In Fernwärmegebieten sollten dezentrale Heizungssanierungen sogar von der Förderung ausgenommen werden. Halten Sie das für einen guten Ansatz, um mehr Haushalte zum Anschluss an die Fernwärme zu bewegen?

Der Förderrahmen von der BEG in Verbindung mit den Vorteilen der Fernwärme aus dem GEG und die für die BEW angekündigten Verbesserungen lassen die Fernwärme in Neubaugebieten auch heute schon attraktiv erscheinen. Der Ausbau der Fernwärme im Bestand ist hingegen durch die grundsätzlich nachvollziehbare sogenannte Mietpreisneutralität ins Stocken geraten. Die Politik ist hier aufgerufen gegenzusteuern, um auch im Bestand die effiziente und CO2-freie Fernwärme zu befördern. Eine Abkehr von der Förderung fossiler Heizungstechnologien halte ich für sinnvoll, vor allem in Fernwärmegebieten. So lange die CO2-Bepreisung allerdings noch auf dem heutigen Niveau ist, sollte ein ergänzendes Förderprogramm die Wirtschaftlichkeitslücke gegenüber den fossilen Energieträgern schließen, um die Verbraucher nicht zusätzlich zu belasten.

Quelle:

Enerchange

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