Anschuldigungen eines Shortsellers gegen Vulcan Energy Resources

17.11.2021 | Finanzierung | Karin Jehle
Börsenkurse

Nach Veröffentlichungen eines sogenannten Leerverkäufers wurde die Aktie des in Australien börsennotierten Unternehmens Vulcan Energy Resources (VER) in der letzten Oktoberwoche für zwei Tage aus dem Handel genommen. Zuvor hatte die US-Investmentgesellschaft J Capital Research (JCap) Vulcan vorgeworfen, die Projekte zur Lithiumgewinnung hätten keine Zukunftsperspektiven. VER geht gegen die Anschuldigungen an.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, dass Vulcan Energy Resources (VER) infolge der Attacke eines sogenannten Leerverkäufers (Shortseller) seine Aktien für zwei Tage aus dem Börsenhandel genommen hat. Und auch das Handelsblatt thematisiert die Anschuldigungen der US-Investmentgesellschaft J Capital Research (JCap). Diese hat VER in einem Bericht vorgeworfen, bei ihrem Projekt „Zero Carbon Lithium“ mit leeren Versprechen zu agieren. JCap spekuliert laut FAZ und Handelsblatt an der Börse auf fallende Kurse, d. h. sie kaufen Aktien von Unternehmen, die sie für überbewertet halten. Nach dem Handelsstopp sei der Kurs der VER-Aktie um 16,5 Prozent gefallen. Ein erfolgreicher Coup des Shortsellers?

„God of empty promises“ – die Kritik an Vulcan Energy Resources

Die FAZ zitiert aus dem Bericht von JCap, dass VER völlig überzogene Aussagen über die voraussichtliche Machbarkeit des Projekts, seine Rentabilität und die Umweltauswirkungen gemacht habe. Zudem seien vorgeblich unabhängige Prognosen von Gesellschaften erstellt worden, die mit  Interessenskonflikten gegenüber VER belastet seien.

Im Januar habe eine Machbarkeitsstudie im Auftrag von VER ein Milliardengeschäft in Aussicht gestellt, was das Interesse von Investoren geweckt habe. Laut FAZ ist der Wert der VER-Aktien im vergangenen Jahr um 3.000 Prozent gestiegen, das Handelsblatt schreibt von einem Kursanstieg um 500 Prozent seit Anfang des Jahres. Auch nach der Leerverkaufs-Attacke werde das Projekt immer noch mit 1,3 Milliarden australischer Dollar (rund 830 Millionen Euro) bewertet.

Doch der JCap-Bericht sieht eine weniger rosige Zukunft für Zero Carbon Lithium. Möglicherweise könne es nie verwirklicht werden und selbst wenn, sei die Rentabilität fraglich. „Dieses Projekt hat keine Perspektive“, zitiert die FAZ Tim Murray, den geschäftsführenden Gesellschafter von JCap.

Experten halten eine Realisierung für schwierig

Gleich mehrere Gründe führt der Bericht von JCap laut FAZ an: Zwölf Experten – Geologen aus der Region, Politiker und Lithium-Manager – hätten in ihren Beiträgen die Kosten als unterschätzt, die potenzielle Menge und Qualität des Lithiums jedoch als überschätzt dargestellt. Hinzu komme der zu befürchtende politische und öffentliche Widerstand in der Region. Gleich mehrere im Erlaubnisfeld "Ortenau" liegende Gemeinden haben VER die Genehmigung für seismische Messungen auf ihren Gemarkungen verweigert (wir berichteten).

Das Handelsblatt nennt hier noch mehr Fakten. So habe die Vor-Machbarkeitsstudie von VER mit Förderraten von 100 bis 120 Litern pro Sekunde gerechnet. Ein Wert, den Fachleute aus der Geothermie-Branche bereits vor der Veröffentlichung des Reports von J-Capital als deutlich zu hoch gegriffen bezeichnet hätten. VER-Gründer Horst Kreuter gestand gegenüber dem Handelsblatt ein, dass die Zahlen vielleicht etwas optimistisch seien, rechtfertigt seine Schätzungen jedoch damit, dass sie auf dem neuesten Stand der Technologie basierten.

Experten:innen im Forschungsrojekt UnLimited, das die Möglichkeiten zur Lithiumextraktion an der Geothermieanlage Bruchsal erforscht (wir berichteten), gehen ebenfalls von niedrigeren Fließraten aus. Man rechnet mit rund 70 Litern pro Sekunde. In diesem Zusammenhang erscheinen die für 2025 angekündigten ca. 40.000 Tonnen batteriefähiger Lithium-Carbonat-Äquivalente (LCE), die mit nur 28 Bohrungen gefördert werden sollen, wie der Analyst Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG beschreibt, als unrealistisch. Das Handelsblatt erwähnt die Option, die Produktionsrate durch Fracking zu erhöhen. Doch die Technologie ist in Deutschland höchst umstritten und die Genehmigungsfähigkeit in Baden-Württemberg ist fraglich.

Auch die Effizienz bei der Förderung des Lithiums aus dem heißen Tiefenwasser kalkuliert VER laut Handelsblatt mit 90 Prozent deutlich zu hoch. Tim Murray halte im Report eher 70 Prozent für realistisch. Beide Faktoren zusammengenommen - zu hoch kalkulierte Fließrate und ebenfalls überschätzte Effizienz bei der Extraktion des Lithiums - seien ein „Projekt-Killer".

In dem am 17. November erschienenen Bericht des Wallstreet Journals, der auch auf den JCap-Bericht eingeht, wird Tobias Tretter von Commodity Capital wie folgt zitiert: „Die Vulcan Energy Aktie bewerten wir als absolut überbewertet. 1,3 Milliarden Euro Marktkapitalisierung für ein Unternehmen, das noch nicht mal eine Genehmigung besitzt, ist schon sehr sportlich", erklärte Tretter gegenüber wallstreet:online heute. Tretter führt weiter aus "Der letztens im Handelsblatt erschienene Artikel und die darin beschriebenen Probleme sind definitiv zutreffend. Wir glauben nicht daran, dass Vulcan Energy die Genehmigungen für die Geothermie-Kraftwerke erhält und dann zudem die Finanzierung für diesen Abbau innerhalb der nächsten 10 Jahre erhält."

Vulcan Energy Resources geht gegen die Anschuldigungen an

Mit dem Bericht konfrontiert wies VER gegenüber der FAZ die Anschuldigungen zurück. Das Unternehmen erwäge juristische Schritte, die mittlerweile eingeleitet wurden und zu einer einstweiligen Verfügung führten. Zudem versuchte der VER-Verwaltungsratsvorsitzende Gavin Rezos, Tim Murray als Autor des Berichts zu diskreditieren. Dieser sei ein Experte für chinesische politische Geschichte und habe keine Erfahrung mit Finanzen, Rohstoffen oder Energie. Murray konterte gegenüber der FAZ, dass er vor 30 Jahren chinesische politische Ökonomie studiert habe, aber seither viele Rohstoff- und Energieunternehmen analysiert habe.

Auch für JCap besteht jedoch ein gewisser Interessenskonflikt: Als Leerverkäufer von VER-Aktien profitiert das Unternehmen von sinkenden Aktienkursen. Dies wirft der Vorstandsvorsitzende von VER, Francis Wedin, dem Shortseller vor. Murray gab gegenüber der FAZ an, dies sei zwar zutreffend, sein Bericht sei aber korrekt. Immerhin sei JCap einer der ersten Analysten gewesen, der Kritik an Wirecard geäußert habe.

Als weiteres Argument von Wedin nennt die FAZ eine positive Analyse des deutschen Aktienspezialisten Alster, die erst im vergangenen Monat veröffentlich worden sei. Auf Nachfrage der FAZ bestätigte Oliver Drebing, Analyst bei Alster, dass er den Prognosen von VER immer noch vertraue. Allerdings könne der Widerstand gegen Geothermieprojekte vor Ort das Projekt zum Scheitern bringen. In diesem Zusammenhang  sprach er von der „wichtigsten Hürde“.

Schließlich verwies der Verwaltungsratsvorsitzende Rezos noch auf die vertiefte Unternehmensprüfung von Goldman Sachs und Canaccord Genuity, die anschließend 320 Millionen australische Dollar in VER investiert hätten. Murray meinte zu der Verlässlichkeit solcher Bewertungen gegenüber der FAZ nur: „Ernst & Young hat Wirecard geprüft."

Hier sind auch die Ausführungen des Australian Financial Reviews von Anfang November zu beachten: Canacord Genuity und AlsterResearch AG haben postive Analystennotizen für VER abgegeben. Gleichzeitig stehen sie aber mit VER in einer Geschäftsbeziehung, wie im Kleingedruckten zu lesen ist. Dasselbe gilt für Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG, die die Direkt-Lithium-Extraktion-Technologie als unreif ansehen. Sie sprechen aber ebenso wie die AlsterResearch AG eine Kaufempfehlung aus.

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