Bürgerdialog Groß-Gerau: Beirat präsentiert im Schlussforum seine Forderungen an den Projektbetreiber

14.05.2013 | Public Relations | Sabine Volland

Nach sechs Monaten geht der Bürgerdialog zum Tiefen Geothermiekraftwerk Groß-Gerau zu Ende. Im Schlussforum präsentierte der Beirat letzte Woche 31 Forderungen, die er als Auflage für den Bau der Geothermieanlage an die Überlandwerk Groß-Gerau GmbH stellt. Bereits jetzt kann der Projektbetreiber mehr als 80 Prozent der Forderungen erfüllen.

Vergangene Woche endete der offene Bürgerdialog zum Geothermiekraftwerk Groß-Gerau. Ein halbes Jahr lang konnten sich die Einwohner des Kreises in sechs öffentlichen Bürgerforen (wir berichteten) intensiv zum Tiefen Geothermieprojekt Groß-Gerau informieren und kritische Fragen an den Betreiber und die Experten stellen. Mehr als 130 Teilnehmer kamen letzten Dienstag, um sich die Ergebnisse der Beiratssitzungen im Schlussforum anzuhören, die von Vertretern aus Naturschutz, Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, Kirchen, Landwirtschaft und Politik in vielen hundert Stunden ehrenamtlicher Arbeit intensiv erarbeitet wurden.

Bild entfernt.Der Moderator Matthias Holenstein (Stiftung Risiko-Dialog) eröffnete den Abend mit einem positiven Rückblick auf das vergangene halbe Jahr. Das gesamte Projekt stehe momentan noch vor dem Genehmigungsverfahren. In den Bürgerforen wurde frühzeitig der Dialog zur Bevölkerung gesucht und die Standortwahl für ein Geothermiekraftwerk zur Diskussion gestellt. Dies ist bislang in Deutschland ein einzigartiger Prozess. Man habe sich in den letzten Monaten fachbezogenen Themen gewidmet aber auch Betroffenen und Kritikern ein Podium geboten, um sich der Frage zu stellen, was man aus anderen Projekten lernen kann.

Im weiteren Verlauf des Abends formulierten die vier Arbeitsgruppen „Natur-, Umwelt- und Flächenschutz“, „Nutzenoptimierung, Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit“, „Risikobewertung, Versicherung und Haftung“ sowie „Information und Kommunikation“ insgesamt 31 Forderungen zur Umsetzung des Tiefen Geothermieprojekts an den Projektbetreiber Überlandwerk Groß-Gerau (ÜWG).

Bernd Petri, Ornithologe und Sprecher der Arbeitsgruppe „Natur-, Umwelt- und Flächenschutz“, betonte die enorme Bedeutung der großflächig zusammenhängenden Naturschutzgebiete im Kreis Groß-Gerau. Hier finde man seltene Vogelbrutgebiete, die es sonst nirgendwo mehr in Hessen gibt. Neben eindeutigen Ausschlussgebieten hat die Arbeitsgruppe mit Auflagen besetzte Standortempfehlungen der ÜWG unterbreitet.

Mit der Wirtschaftlichkeit des Geothermieprojekts in der Region hat sich die Arbeitsgruppe „Nutzenoptimierung, Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit“ in den letzten Monaten intensiv auseinander gesetzt. Ihr Sprecher, Reinhard Jost, erklärte: „Wenn der Kreis Groß-Gerau als erste Region in Hessen ein Tiefengeothermie Kraftwerk hat, könnte das eine Chance für die Region sein, weil Technikanbieter dieser Technologie sich dort ansiedeln könnten“. Dies könnte einen Gegensatz zum Automotive-Cluster bilden und auch für die Universität Darmstadt als Wissenszentrum interessant sein, so Jost. Allerdings seien für eine fundierte Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Tiefengeothermie Kraftwerken im Beirat keine ausreichenden Kompetenzen vorhanden. Aus Sicht der Arbeitsgruppe sei aber nur eine Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung sinnvoll, so die Forderung an die ÜWG.

Bild entfernt.Mit einer detaillierten Risikoanalyse hat die Arbeitsgruppe „Risikobewertung, Versicherung und Haftung“ eine Aufstellung von 18 Forderungen an die ÜWG erarbeitet, erklärte ihr Sprecher Armin Hanus. Diese umfassen unter anderem ein Gefährdungsgutachten, das den Anforderungen der Anlage in Landau entsprechen soll und frei zugänglich sein müsse. Andere Forderungen bezogen sich auf die Messung der Bodenschwinggeschwindigkeit, für die von der Arbeitsgruppe ein Grenzwert von größer als 1,7 Richter-Magnitude als Abbruchkriterium formuliert wurde. Weiterhin solle die ÜWG auf den Einsatz von Fracking verzichten sowie die Region lokal und regional dauerhaft vor und während der Betriebsphase seismisch überwachen, was zum Teil heute schon über das Monitoringnetzwerk SiMoN (wir berichteten) abgedeckt sei. In Sachen Versicherungsschutz forderte die Arbeitsgruppe zudem die Beweislastumkehr sowie eine neutrale Ombudsstelle für den Bürger.

Alexandra Auer, Sprecherin der Arbeitsgruppe „Information und Kommunikation“, betonte, dass der Beirat aufgrund seiner geringen Mitgliederzahl nicht als repräsentatives Stimmungsorgan für die Bevölkerung des Kreises Groß-Gerau anzusehen sei. Die Arbeitsgruppe fordere daher eine bindende, umfassende Bürgerbefragung vor Baubeginn mit Schwerpunkt auf die projektbezogene Akzeptanz in der Bevölkerung. Sollte gebaut werden, so wären am favorisierten Standort Anliegerworkshops durchzuführen, um die Bevölkerung weiterhin am Dialogprozess zu beteiligen.

Die Repräsentanten der Arbeitsgruppen bekamen für ihre Beiträge großen Applaus von den Zuschauern. Auch der Projektbetreiber ÜWG und die Stiftung Risiko-Dialog zeigten sich von den Ergebnissen der intensiven und freiwilligen Arbeit der Arbeitsgruppen aus den letzten Monaten sehr beeindruckt. Auf die Publikumsfrage, ob er denn nach den Forderungen des Beirats immer noch Lust habe, das Kraftwerk zu bauen, antwortete Hanns-Detlev Höhne, kaufmännischer Geschäftsführer der ÜWG, mit einem klaren „Ja“. Er griff die Forderungen des Beirats auf und beantwortete sie mit einem Ampelsystem. Mehr als 80 Prozent der gestellten Forderungen seien bereits an diesem Abend für die ÜWG vollumfänglich erfüllbar, so Höhne. Für die Belange des Naturschutzes, der Forderung zur gekoppelten Strom- und Wärmeproduktion sowie der weitreichenden Bürgerbeteiligung gäbe es schon jetzt grünes Licht. Auf Gelb stünde die Ampel bei den vom Beirat aufgestellten Grenzwerten zum Lärmschutz. Dies sei abhängig vom Kraftwerk. Die Planungen berücksichtigen die maximalen Lärmschutzgrenzwerte, aber derzeit könne es noch keine Versprechungen zu den hier geforderten Minimalwerten geben. Auch für die Forderung nach der Beweislastumkehr gab es vorerst nur gelbes Licht. Dies sei ein juristisches Problem in den Versicherungsfragen. Man habe aber inzwischen eine mündliche Zusage von einer Versicherung bekommen, die bereit wäre, eine Klausel zur Beweislastumkehr in ihren Vertrag aufzunehmen. Wenn in den nächsten Wochen ein schriftlicher Entwurf vorliege, so wäre für die ÜWG auch diese Forderung erfüllbar. Rotes Licht gab es vom Projektbetreiber zu dem vom Beirat definierten seismischen Grenzwert als Abbruchkriterium. Diese Fragestellung sei so nicht pauschal festlegbar, da sie standortspezifisch ist. Das müsse man in einem weiteren Prozess noch einmal gesondert unter Beachtung der maßgeblichen Richtlinien und Expertenempfehlungen diskutieren.

Am Ende des Abends bedankte sich Höhne bei den Mitgliedern des Beirats für ihr Engagement und die intensive und zeitkonsumierende ehrenamtliche Arbeit, bei den Fachexperten und der Bevölkerung für ihr Engagement und die kritischen Diskussionsbeiträge. Man habe viel aus dem Dialogprozess mit der Bevölkerung gelernt, und man wisse auch, dass die Geothermiebranche dem großangelegten Bürgerprozess nicht sehr positiv gegenüber stehe. Hier wurden Maßstäbe gesetzt, an denen man sich in Zukunft messen lassen werde, so Höhne.

Ende Juni tagt der Aufsichtsrat der Stadtwerke Mainz zur Freigabe weiterer Finanzmittel für die Umsetzung des Tiefen Geothermieprojekts. Das Projekt wird nun in die nächste Planungsphase eintreten. Der Beirat wird weiterhin in einem engen Dialog mit der ÜWG stehen.

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