Bundesverbands-Präsidentin fordert: Geothermie soll ins 100-Tage-Programm der neuen Regierung

05.02.2025 | Politik
Dr. Karin Thelen, Präsidentin des Bundesverbands Geothermie

In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt fordert Dr. Karin Thelen, Präsidentin des Bundesverbands Geothermie, dass die Wärmewende deutlich schneller werden muss, damit die Energiewende als Ganzes gelingt. Die neue Bundesregierung sollte die weitere Beschleunigung der Geothermie laut Thelen direkt in ihr 100-Tage-Programm aufnehmen.

20 Jahre bleiben, um Deutschland klimaneutral zu transformieren. Viel Zeit? Mitnichten! Denn im Wärmesektor decken Erneuerbare Energien derzeit nur 20 Prozent des Verbrauchs. Die Wärmewende muss also deutlich schneller werden, damit die Energiewende als Ganzes gelingt, schreibt die Präsidentin des Bundesverbands Geothermie in ihrem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Dabei kann die Tiefengeothermie als Game-Changer dienen – vorausgesetzt, alle relevanten Akteure arbeiten Hand in Hand.

Das Potenzial der Tiefengeothermie in Deutschland ist riesig. Sie kann theoretisch bis zu einem Viertel des gesamtdeutschen Wärmebedarfs decken. Insbesondere in München spielen die Thermalwasservorkommen eine zentrale Rolle in der kommunalen Wärmeplanung. Dazu soll die Zahl der Geothermie-Bohrungen bis zum Jahr 2040 von derzeit 15 auf über 65 steigen. Diese sollen dann die voraussichtlich benötigten 5,8 TWh/a an klimaneutraler Fernwärme zum Großteil in Geothermieanlagen erzeugen.

Geothermie gegen Energiekrisen
In der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung kann die Tiefengeothermie einen großen Unterschied machen und Versorgungssicherheit bieten. Denn Erdwärme ist konstant und zeitlich unbegrenzt verfügbar. Weder Witterung und Tageszeit noch internationale Handelsbeziehungen beeinflussen Kapazitäten oder Preise – eine höhere Energieautonomie ist die Folge. Gerade in unseren aktuellen geopolitisch schwierigen Fahrwassern ein hohes Gut.

Bewährte Praxis
In München stellen Geothermieanlagen ihre Effizienz seit über 20 Jahren unter Beweis- und das äußerst zuverlässig mit einer äußerst hohen jährlichen Verfügbarkeit. Das Geothermie-Heizwerk am Energiestandort Süd in München lief 2023 quasi rund um die Uhr.

Hürden beim Ausbau
Trotz aller Vorteile fristet die Tiefengeothermie immer noch ein Nischendasein. Lediglich ein Prozent des Verbrauchs erneuerbarer Wärme geht derzeit auf diese Quelle zurück. Einen umfangreichen Ausbau hemmen vor allem regulatorische Hürden. Sie ziehen lange Realisierungszeiten und hohe Aufwände nach sich, insbesondere wenn die Anlagen im urbanen Raum errichtet werden: Zehn Jahre bis zur Inbetriebnahme einer großen Geothermie-Anlage sind keine Seltenheit.

Geothermie gleichstellen
Doch es gibt viele Möglichkeiten, Projekte schneller umzusetzen, wenn die entscheidenden Akteure geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Dies beginnt damit, dass der Gesetzgeber die Tiefengeothermie anderen erneuerbaren Energien wie Wind und PV gleichstellt, sodass sie in allen Genehmigungsbereichen privilegiert behandelt wird. Dies sollte Großwärmepumpen und alle zugehörigen Anlagen wie beispielsweise Wärmestationen oder Netzanschlüsse bis hin zum kompletten für die Geothermie notwendigen Fernwärmenetzaus- und -umbau umfassen. Die Einführung sogenannter „Go-to-Gebiete“ für Geothermie im Sinne der Erneuerbaren Energie-Richtlinie (RED III) sollte bereits jetzt umgesetzt werden und nicht erst am Ende der vorgesehenen Umsetzungsfrist im Februar 2026. Diese Beschleunigungsgebiete begünstigen die Projektentwicklung zu Beginn erheblich. 

Verfahren vereinfachen
Im weiteren Verlauf benötigen die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren viel Zeit und Ressourcen. Die Thermalwasserkreisläufe unterliegen dem Bergrecht, obertägige Anlagen fallen unter das Baurecht und für Großwärmepumpen ist eine wasserrechtliche Genehmigung nötig. Grundsätzlich ist ein Zulassungsverfahren mit umfassender Konzentrationswirkung und einer verbindlichen Verfahrensfrist wünschenswert. Daneben kann eine Novellierung des Bundesberggesetzes die Doppelregulierung von Thermalwasserkreislauf und Wärmestation vereinfachen.

Bekanntheit steigern
Vor allem sollte die Geothermie in der öffentlichen Wahrnehmung aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen. Denn während Energie aus Wind und Sonne sowie die oberflächennahe Geothermie in Form von Wärmepumpen weithin bekannt sind, begegnen Bürgerinnen und Bürger der Tiefengeothermie aufgrund geringer Kenntnisse oft mit Skepsis. Eine umfassende Informationskampagne auf allen Ebenen wäre ein wichtiger Schritt, die Bekanntheit in diese Zukunftstechnologie zu steigern und das Vertrauen in sie zu stärken und mögliche Bedenken abzubauen.

Den Schwung mitnehmen
Die Tiefengeothermie kann mit ihrem riesigen Potenzial der Wärmewende den nötigen Schub verleihen. Das Geothermiebeschleunigungsgesetz (GeoWG) ist ein Schritt in die richtige Richtung. Unabhängig vom Aus der Ampelkoalition wäre es für die Beschleunigung der Wärmewende dringend geboten, dass dieses wichtige Gesetz noch verabschiedet wird und nicht in die nächste Legislatur geschoben wird. Wollen wir die Wärmeversorgung unabhängig, resilient und klimaneutral aufstellen, sollte die neue Bundesregierung die weitere Beschleunigung der Geothermie direkt in ihr 100-Tageprogramm der neuen Legislaturperiode aufnehmen.

Quelle:

Handelsblatt

Schlagworte