Auch wenn sich die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet hat, bis zum Jahr 2045 weitgehend treibhausgasneutral zu werden, steigt der Anteil der erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärmebedarfs nur sehr langsam an. Während der Stromverbrauch inzwischen schon zur Hälfte aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann, liegt dieser Anteil im Wärmesektor erst bei einem Sechstel. „Ohne einen viel stärkeren Schwerpunkt auf den Wärmesektor kann die Energiewende in Deutschland nicht gelingen“, mahnt deshalb der Organisator des Praxisforums Geothermie Bayern, Dr. Jochen Schneider.
Politik reagiert noch unzureichend auf die schon 2022 vorstellte „Roadmap Tiefe Geothermie“
Gerade der tiefen Geothermie als grundlastfähige, nahezu emissionsfreie und erneuerbare Energie kommt wegen der ausgezeichneten geologischen Bedingungen hierzulande eine Schlüsselrolle zu. Etwa ein Viertel der benötigten Wärme in Deutschland könnte alleine von tiefengeothermischen Systemen erzeugt werden, wie die „Roadmap Tiefe Geothermie“ – ein Strategiepapier von sechs Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft – schon 2022 aufgezeigt hat. „Die umweltfreundliche Nutzung von Erdwärme ist ganzjährig rund um die Uhr konstant verfügbar, heimisch und mit bestehender Technologie relativ kostengünstig“, heißt es darin. „Die Geothermie bietet somit das Potenzial, zum Game-Changer für die Wärmewende in Deutschland zu werden.“
Doch auf die fundierten Handlungsempfehlungen aus der „Roadmap Tiefe Geothermie“ für eine erfolgreiche Wärmewende reagiert die Politik nach wie vor nur unzureichend, sagt der Organisator des Praxisforums Geothermie Bayern, Dr. Jochen Schneider. Nur drei der sieben Parteien, die zuletzt im Deutschen Bundestag vertreten waren, nennen die Geothermie in ihrem Wahlprogramm beziehungsweise in den bislang noch nicht beschlossenen Entwürfen der Wahlprogramme. Konkret genannt wird die Geothermie nur von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und vom Bündnis Sahra Wagenknecht.
Die einzelnen energiepolitischen Positionen zeigt das Praxisforum Geothermie Bayern in der folgenden Übersicht auf (aufgelistet nach der bisherigen Stärke im Deutschen Bundestag):
SPD:
„Energiepreise senken, zentrale Erfolgsbranchen strategisch fördern und beim Ausbau der erneuerbaren Energien das Tempo hoch halten“, verspricht die SPD in ihrem Wahlprogramm, das zwar nicht ausdrücklich die Geothermie nennt, aber zumindest einen Fokus auf Wärmenetze richtet. „Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik, der öfter auf gemeinschaftliche Lösungen setzt. Klimaneutrale Wärmenetze zu bauen, mit denen ein ganzer Stadtteil warm wird, ist nicht nur solidarischer, sondern auch effizienter und kostengünstiger als einzelne Wärmepumpen in jedem Haus.“ Vor allem in städtischen Räumen wird die Fernwärme sehr wichtig werden und Millionen von Menschen ihr Zuhause wärmen, heißt es im SPD-Programm. Und damit die Fernwärme bezahlbar bleibt, wolle man eine bundesweite Preisaufsicht für Fernwärme einsetzen.
CDU/CSU:
„Höhere Preise bei steigendem Energiebedarf verunsichern Millionen von Menschen sowie Unternehmen gleichermaßen“, heißt es im Wahlprogramm von CDU/CSU. Energie müsse deshalb bezahlbar, sicher und sauber sein. CDU/CSU sprechen sich deshalb unter anderem für einen zielgerichteten weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien aus. „Wir nutzen die Erneuerbaren konsequent, und zwar alle: Windenergie an Land und auf See, Solarenergie, Geothermie, Wasserkraft, Bioenergie und den nachwachsenden Rohstoff Holz.“ Aber auch die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung aus Erdgas sollen laut Wahlprogramm konsequent genutzt werden. Für die Dekarbonisierung im Gebäudebereich setzen CDU/CSU auf CO2-Bepreisung mit sozialem Ausgleich, verlässliche Förderung und technologieoffene Lösungen. Das Heizungsgesetz der Ampel-Koaliation will man abschaffen.
Bündnis 90/Die Grünen:
„Der Einstieg in eine verlässliche und klimafreundliche Wärme ist jahrelang verschlafen worden“, schreiben Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Wahlprogramm. „Jetzt sind die Weichen richtig gestellt. In den nächsten Jahren wollen wir gemeinsam mit den Kommunen den Weg dafür ebnen, allen Menschen den schrittweisen Umstieg auf klimafreundliches und bezahlbares Heizen zu ermöglichen.“ Den Grünen zufolge gelten Wärmenetze als wichtiger Baustein auf dem Weg zu klimafreundlicher und bezahlbarer Wärme für alle. „Vor allem in dicht besiedelten Gebieten können sie dazu beitragen, viele Häuser gleichzeitig mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen.“ Der Aus- und Umbau von Wärmenetzen soll mit der Verlängerung und einer Stärkung der Förderung für effiziente Wärmenetze (BEW) abgesichert werden. Und man will Genehmigungsprozesse optimieren sowie die Erzeugung von klimafreundlicher Wärme bei den Energieerzeugern vor Ort stärken. Als Voraussetzung dafür wird ein starker Verbraucherschutz angesehen. „Mögliche Preisanstiege bei der Fernwärme wollen wir analog zu den Regelungen im Gebäudeenergiegesetz begrenzen. Außerdem werden wir privates Kapital für den Ausbau der Wärmenetze aktivieren und die Finanzierungskosten durch öffentliche Bürgschaften senken.“
FDP:
„Freiheit im Heizungskeller: CO2-frei, aber bezahlbar“, titelt die FDP in ihrem Energieprogramm zum Thema Heizen. „Wir Freie Demokraten sind überzeugt: Eine warme Wohnung mit moderner, klimafreundlicher Heizung ist möglich – wirtschaftlich und technologieoffen.“ Das Heizungsgesetz soll nach den Vorstellungen der FDP vollständig auslaufen. Um die sozialen Kosten des Klimaschutzes abzufedern, soll eine Klimadividende eingeführt und die Energiebesteuerung drastisch abgesenkt werden. „Einen Zwang zum Anschluss an Fernwärmenetze lehnen wir ab“, heißt es im Wahlprogramm. „Das Heizen mit Holz bleibt mit uns weiter möglich, Auflagen für Kamine und Öfen wollen wir reduzieren.“
AfD:
Alle Förderprogramme für den Klimaschutz und im Zuge des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes will die AfD im Falle einer Regierungsbeteiligung abschaffen. Alle Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien müssten dem Wahlprogramm zufolge ihre uneingeschränkte Umweltverträglichkeit sowie ihren ökonomischen Nutzen durch den Verzicht auf Vorrangeinspeisung und Subvention nachweisen. „Der Dreiklang der Energieversorgung aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz soll wieder hergestellt werden. Für den Wärmesektor sollen konventionelle Energien wieder in den Fokus rücken: Preiswertes Gas, bevorzugt aus Pipelines, sowie Heizöl.
Die Linke:
„Wir halten weiter an den grundsätzlichen Zielen des Pariser Klimaabkommens fest und setzen uns weiter konsequent für Klimaschutz ein“, schreibt die Linke in ihrem Wahlprogramm. Deshalb soll schnellstmöglich der Umstieg auf erneuerbare Energien gelingen – und Energiekonzerne sollen der Partei zufolge entmachtet werden. „Wir kämpfen für eine Versorgung mit Strom und Wärme nicht in der Hand von Konzernen, sondern von Bürger*innen, von Kommunen und Genossenschaften.“ Gerade in Ballungsräumen seien kollektive Lösungen in der Wärmeversorgung oft sinnvoll, deshalb wollen man Städte und Gemeinden dabei unterstützen, Nah- und Fernwärmenetze auszubauen. Um die Wärmepreise unabhängig von Marktschwankungen und Spekulationen zu machen, fordert die Linke ein Gewinnverbot im Wärmebereich. „Damit darf der Wärmepreis nicht höher als die tatsächlichen Wärmeerzeugungskosten sein“, so die Forderung im Wahlprogramm.
Bündnis Sahra Wagenknecht:
„Wir fordern die Rücknahme des Heizungsgesetzes“, so lautet eine der Forderungen im Wahlprogramm des Bündnis Sahra Wagenknecht zum Thema Heizen. Weil aber die Fernwärme in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen werde, spricht sich die Partei für einen Ausbau der Geothermie aus. „Das Potenzial liegt in Deutschland bei 300 Terawattstunden und damit bei rund einem Viertel unserer Wärmeversorgung. In einem ersten Schritt wollen wir die Erschließungsziele bis 2030 von 10 auf 100 Terawattstunden anheben.“ Die Stilllegung großer Teile des Gasnetzes in naher Zukunft bezeichnet das Bündnis Sahra Wagenknecht hingegen als Weg in die Sackgasse führen, „weil es effiziente und bezahlbare alternative Lösungen zum Beheizen vieler Wohnungen und Häuser aktuell nicht gibt“. Dem BSW zufolge warnen 41 Prozent der Stadtwerke, dass unter diesen Rahmenbedingungen eine bezahlbare Wärmeversorgung in Zukunft nicht gesichert ist. Deshalb müsse auch die Förderung von erdgasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen über das Jahr 2025 hinaus fortgeschrieben werden.
Praxisforum Geothermie Bayern