Elsass wird der Motor für die Entwicklung der tiefen Geothermie in Frankreich

28.11.2018 | Marktentwicklung | Jochen Schneider

Enerchange sprach mit Jean Jacques Graff, Präsident der AFPG (Association Française des Professionnels de la Géothermie) und Geschäftsführer von ÉS Géothermie, über die aktuelle Situation und die weitere Entwicklung der tiefen Geothermie in Frankreich.

Bild entfernt.Herr Graff, wie entwickelt sich der Geothermiemarkt aktuell in Frankreich?

Bisher leider nur langsam. Es gibt pro Jahr ein bis zwei neue Fernwärmeprojekte. Anträge auf Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdwärme werden kaum gestellt. Es ist aber ein gestiegenes kommunales Interesse zum Ersatz der fossilen Fernwärme zu erkennen.

In Frankreich ist die tiefe Geothermie in Nieder- und Hochtemperatur-Aufsuchungslizenzen aufgeteilt. Bei den Niedertemperatur-Lizenzen ist das Pariser Becken führend. Im Pariser Becken werden jetzt nach den bisherigen Erschließungen im Dogger neue Aquifere in der Trias evaluiert.

Interessant ist die Entwicklung in Hauts de France im Nordosten von Paris. Hier gibt es eine Verbindung zu den belgischen Geothermieaquiferen. Es entwickeln sich in dieser Region zahlreiche Projekte, beispielsweise in Valenciennes. Hier wurden in zwei Kilometern Tiefe Temperaturen von gut 80 Grad Celsius festgestellt.

Ein weiteres Projekt entwickelt Storengy in Bordeaux im Südwesten von Frankreich. Sie wollen aus einem jurassischen Reservoir in 1.700 Meter Tiefe Wärme gewinnen, wie sie auf dem European Heat Summit im Oktober in München vorgestellt haben.

Die Hochtemperatur-Lizenzen liegen meistens im Elsass und im Rhônegraben, der Fortsetzung des Oberrheingrabens. Weitere Aufsuchungsgebiete gibt es im Massif Central und im Vorlandbecken der Pyrenäen. Insgesamt wurden bislang 20 Hochtemperatur-Erlaubnisse beantragt bzw. sind in Bearbeitung. Mit Ausnahme des Massif Central, das von TLS und Storengy bearbeitet wird, hat Fonroche in allen genannten Regionen Aufsuchungslizenzen beantragt und erhalten, die sie auch entwickeln.

Am weitesten fortgeschritten sind in der tiefen Geothermie sicherlich die Projekte im Elsass. Hier gibt es auf Grund der Erdöl- und Erdgasexploration eine sehr gute Datengrundlage. Alle Aufsuchungslizenzen, die sich über große Gebiete im französischen Teil des Oberrheingrabens erstrecken, sind an Fonroche und ÉS (Électricité de Strasbourg) vergeben.

Was macht die Nutzung der tiefen Geothermie in Frankreich so interessant?

Wir haben als relativ junger Industrieverband mit der Vorgängerregierung ein sehr gutes Einspeisegesetz entwickelt. Der Feed-in-Tarif liegt bei 24,6 Cent pro Kilowattstunde. Eine Degression ist nicht vorgesehen, bis eine genehmigte Leistung von 100 MWel erreicht ist. Dann werden wir neu verhandeln, wie es mit der Einspeisevergütung weitergeht. Mit der Erteilung der Aufsuchungslizenz wird einem Projekt der Einspeisetarif zugesichert. Das Projekt muss dann innerhalb von zwei Jahren beginnen. Die Tarifzusicherung ist um weitere vier bis sechs Jahre verlängerbar mit einer Bohrungsbewilligung. Fonroche und ÉS haben bisher eine Leistung von 37 MW zugesichert bekommen.

Darüber hinaus gibt es noch eine Risikoabsicherung. Eine geologische Garantie wurde diskutiert zwischen APFG und der französischen Umweltentwicklungsagentur ADEME (Agence du développement et de la maîtrise de l’énergie). Wir warten auf grünes Licht aus Brüssel. Dieser geologische Garantie-Fund versichert Temperatur und Durchfluss auf bis zu 60 Prozent der Kosten. Eine solche Risikoabsicherung wurde 1980 für das Pariser Becken aufgebaut. Sie war erfolgreich, denn daraus haben sich mehr als 40 Projekte entwickelt.

Wie hat sich die politische Situation mit dem Wechsel im Präsidentenamt von François Hollande zu Emmanuel Macron verändert? Mit Ségolène Royale als Umweltministerin haben sie die Einspeisevergütung und Risikoabsicherung entwickelt und eine Partnerschaft mit Island auf die Beine gestellt.

Die Kooperation mit Island hat sich nicht weiterentwickelt und wir haben sie in dieser Form beendet. Die vulkanische Geothermie unterscheidet sich stark von der in Kontinentaleuropa. Die Fähigkeiten, die wir brauchen, sind nicht die selben.

Die Zusammenarbeit mit der Politik ist aber nach wie vor sehr gut. Ein wichtiges Thema ist momentan die Abschaffung der Unterscheidung zwischen Hochtemperatur- und Niedertemperatur-Lizenzen. Die bisherige Genehmigungslage ist vor allem für die Kommunen und die Menschen nicht verständlich. Zukünftig soll bei Fündigkeit eine Hochtemperatur- bzw. eine Niedertemperatur-Konzession vergeben werden, die Aufsuchung soll nicht von vornherein eingeschränkt werden.

Wir bekommen momentan eine sehr gute Unterstützung durch die ADEME. Diese Agentur will erneuerbare Energien fördern und wurde dafür von den Ministerien für Forschung, Industrie und Umwelt gegründet. Sie haben einen Wärmenutzungsfonds (Fonds Chaleur) aufgesetzt, der geothermische Wärmeprojekte mit einer Übernahme von 35 bis 70 Prozent der Kosten ab der Pre-Feasibility-Studie unterstützt. Weiterhin haben sie auch bis zu zwölf regionale Mitarbeiter in Aussicht gestellt, die sich nur um die Kommunikation der Geothermie kümmern.

Die Politik hat eigentlich bisher ihre Hausaufgaben gemacht, jetzt liegt es an der geothermischen Industrie, das Vertrauen, das die Politik mit der Riskoabsicherung und der Einspeisevergütung geschaffen hat, mit Erfolgen und einer raschen Entwicklung der Geothermie zurückzuzahlen. Bei einer erreichten Leistung von 100 MWel ziehen wir ein Zwischenfazit und verhandeln über die Fortsetzung der Förderung. Hier ist aber auch klar, es muss eine Lernkurve und eine Kostenreduktion erkennbar sein.

Wo sehen Sie die Geothermie im Jahr 2040?

Ich bin sehr zuversichtlich für die weitere Entwicklung der tiefen Geothermie. Meiner Meinung nach hängt dies aber vorwiegend vom Elsass ab, das der Motor der Entwicklung sein wird. In einer Abschätzung sind wir im Norden des Elsass' auf 20 bis 50 mögliche 5-Megawatt-Projekte gekommen. Das wären in Summe 250 Megawatt geothermisch erzeugter Strom, der allein im Norden des Elsass' generiert werden könnte. Damit es zu dieser Entwicklung kommt, sind bereits zwei Projekte in Umsetzung. In Vendenheim teuft Fonroche mit einem eigenen Bohrgerät gerade die zweite fünf Kilometer tiefe Bohrung ab. Das Projekt der ÉS in Illkirch-Grafenstaden ist mit der ersten Bohrung bereits auf 3.600 Meter Tiefe angelangt (Anm. d. Redaktion: Stand 9. November 2018). Sind diese Projekte erfolgreich, wird sich der Markt neu aufstellen, und ich gehe davon aus, dass die tiefe Geothermie im französischen Teil des Oberrheingrabens auch für Investoren interessant wird. Die Frage ist, ob die relativ großen Aufsuchungsfelder bei einer Verlängerung der Aufsuchungslizenz bestehen bleiben oder ob die Behörden sie in mehrere kleine Felder aufteilen, um die Entwicklung zu beschleunigen. Es sind sicher auch mit den bestehenden Lizenzfeldern Joint-Ventures der Lizenzinhaber mit Investoren denkbar.

Ein weiterer Prunkt ist die Kostenreduktion, um die Entwicklung der tiefen Geothermie weiter zu fördern. Die geothermische Industrie ist momentan noch zu abhängig von der Erdöl- und Erdgasindustrie. Der gerade zu beobachtende Anstieg der Preise bei den Kohlenwasserstoffen treibt den Bedarf und die Verfügbarkeit für Bohrgeräte und Zubehör und damit auch die Preise in die Höhe.

Eine Möglichkeit, um diesem Problem zu begegnen, ist es, eine eigene geothermische Bohrindustrie aufzubauen. Fonroche führt dies mit dem Betrieb eines eigenen Bohrgerätes eindrucksvoll vor. Sie haben zahlreiche Projekte in der Entwicklung und können damit das Bohrgerät auslasten. Ein anderer Weg ist der Zusammenschluss von Projekten zu einem Bohrungsprogramm. Dies würde ebenso die Preise senken.

Herr Graff, wie danken für dieses aufschlussreiche Interview.