Ein Tiefengeothermieprojekt in seinem Heimatort: Dieses Ziel verfolgt Josef Birner, Geschäftsführer des Unternehmens Erdwärme Herrsching, schon seit mehr als einem Jahrzehnt. Doch immer wieder kam etwas dazwischen: Pläne für ein Gymnasium oder für ein Krankenhaus. Aber nun sieht es ganz danach aus, als würde im Jahr 2025 nach heißem Thermalwasser gebohrt. Das berichtet der Münchner Merkur nach einer Informationsveranstaltung kurz vor den Weihnachtsferien.
Das Vorhaben der Erdwärme Herrsching ist immens: Nicht nur weitere Gemeinden sollen sich ans Herrschinger Kraftwerk anschließen können. Ab 2027 sollen zudem drei weitere Förderstandorte im Landkreis Starnberg geplant werden, genannt wurden die Bereiche Starnberg, Andechs und Hechendorf. Konkret ist davon aber noch nichts. Das Fernziel: Eines Tages Wärme für 150 000 Haushalte bereitstellen, also für etwa zweimal so viele, wie es im Landkreis Starnberg überhaupt gibt.
Die überschüssige Energie soll an Stromerzeuger verkauft werden. Das Unternehmen hofft aber vor allem, möglichst viele Abnehmer für die Erdwärme zu gewinnen. Der Wirkungsgrad liege hier bei 90 Prozent, für die Stromerzeugung seien es nur etwa zehn Prozent, erklärte der technische Leiter Jan Rolwes. Den Herrschingern würde eines Tages ein attraktives Angebot gemacht, hieß es mehrfach, nachdem sich Bürger nach den künftigen Heizkosten erkundigt hatten. Sie müssten dann lediglich einen Wärmetauscher, also eine Wärmeübergangsstation in ihren vier Wänden installieren lassen, sagte Andreas Gahr von der Geothermie-Planungsfirma Enex Power. Davor muss allerdings ein Nahwärmenetz entstehen, an das sich einzelne Haushalte oder Straßenzüge anschließen. Baustart soll 2027 sein.
Tobias Schlepphorst, Geschäftsführer der Investment-Gesellschaft aus dem Münsterland, zählte die Vorteile der Tiefengeothermie auf: Der Bodenschatz sei fast unerschöpflich, weil das heiße Thermalwasser aus bis zu 3,6 Kilometer unter der Erdoberfläche später, auf etwa 50 Grad abgekühlt, wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werde. Deshalb sind zwei Bohrungen nötig. Eine grabe sich vom Bohrplatz Richtung Nordosten in die Tiefe, die andere Richtung Südosten. Die Erdwärmeenergie sei außerdem grundlastfähig, klimafreundlich und, gemessen am Aufwand, enorm ertragreich. Geologe Wolfgang Alt erklärte später, dass 139 Liter Wasser pro Sekunde gefördert werden könnten. Und dass mit einem Megawatt elektrischer Pumpenleistung 20 bis 40 Megawatt Wärme gewonnen würde.
Alt gab nebenbei etwas Erdkundeunterricht, angefangen bei der tektonischen Plattenverschiebung und dem „Jura-Meer“, das die heutige Ammersee-Region vor 140 Millionen Jahren bedeckte. Er sprach von „Fließautobahnen“ des Thermalwassers, die sich in den Zwischenräumen brüchigen Kalkgesteins befänden. „Wir wissen über den Untergrund in Herrsching sehr gut Bescheid“, sagte er mit Verweis auf frühere seismische Messungen sowie verschiedene Öl- und Kohlenwasserstoffsuchen, deren Ergebnisse nun neu aufbereitet worden seien.
Ein paar Herrschinger im Saal sorgten sich um ihre Häuser wegen der Erschütterung beim Bohren. Geologe Alt beruhigte: Bei den rund 25 Anlagen im Großraum München – ein wahrer Geothermie-Hotspot – sei es nie zu Schäden gekommen. Und eines der Bohrlöcher liege im Bereich der Wohnbebauung im Südosten mehr als einen Kilometer darunter. Hintergrund: Zunächst frisst sich der stufenweise etwa 20 bis 65 Zentimeter breite Bohrer rund 800 Meter vertikal ins Erdreich, danach driftet er schräg ab, um die Zielräume zu erreichen
Im Raum stand auch der Lärm, den Bohrung und Kraftwerk verursachen. Erdwärme-Herrsching-Chef Birner betonte, das Unternehmen sei verpflichtet, Grenzwerte einzuhalten und müsse zum Beispiel Lärmschutzwände bauen. „Wir müssen alles so einhausen, dass Sie nachts bei offenem Fenster schlafen können.“
Auf 200 Millionen Euro taxiert das Unternehmen die Investition in vier Standorte, 50 Millionen Euro soll allein das Herrschinger Projekt kosten. Und wer finanziert das alles? Tobias Schlepphorst verwies auf Kapitalgeber Andreas Rose und Daniel Bleser aus dem Münsterland, die auch in andere erneuerbare Energie-Projekte investierten und an Start-ups beteiligt seien. Schlepphorst betonte, es gehe bei den „Geothermal Power Spots“ in der Region um viel mehr als reine Wärmeversorgung. Die Energie aus der Tiefe und die damit verbundene Technologie tauge auch zur Produktion grünen Wasserstoffs, von Strom und Kälte oder auch zur Energiespeicherung.
Münchner Merkur