Erdwärme in ihrer ganzen Vielfalt nutzen

23.10.2012 | Veranstaltungen | Marcus Brian

Vergangene Woche ging die 5. Norddeutsche Geothermietagung zu Ende. Die Veranstaltung zog knapp 200 Teilnehmer an und gab einen umfassenden Einblick in die vielfachen Anwendungsmöglichkeiten im Norddeutschen Becken. Hochrangiger Besuch verdeutlichte die Bedeutung der Geothermie für die zukünfige Energieversorgung in Norddeutschland.

Das zweitägige Vortragsprogramm spiegelte mit Vorträgen zur oberflächennahen, mitteltiefen und tiefen Geothermie die gesamte Bandbreite der Erdwärmenutzung wider. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode begrüßte die Teilnehmer mit der Botschaft, dass die Landesregierung das Potential der Geothermie ernst nehme und verwies als ein Beleg dafür auf einen neu eingerichteten Fördertopf, aus dem zukünftig Machbarkeitsstudien in Höhe von insgesamt einer Million Euro gefördert werden.  

Das Vortragsprogramm startete mit einer Reihe von Präsentationen, die neben der Qualitätssiche-rung insbesondere Projektbeispiele und innovative Anwendungen der oberflächennahen Geothermie zum Inhalt hatten. Es wurde dabei deutlich, dass erdgekoppelte Wärmepumpen in Deutschland bereits in erheblichem Ausmaß Heizenergie bereitstellen – 2011 lieferten die ca. 250.000 Erdwärme-Heizanlagen mehr als sechs Terrawattstunden Heizenergie. Die Genehmigungsvoraussetzungen für Erdwärmesonden in den einzelnen Bundesländern werden in der Regel in Leitfäden zusammenfassend dargestellt. Den neuen „Leitfaden Erdwärmenutzung in Niedersachsen“ stellte Sandra Pester vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie vor und wies dabei auf die erweiterte Online-Funktion hin, die die Anzeige von Bohrungen im Rahmen der oberflächennahen Geothermie erleichtert. Als interessantes Projektbeispiel für die Nutzung von oberflächennaher Geothermie stellte Dr. Erich Mands vom Ingenieurbüro UBeG ein Neubauprojekt mit 26 Mehrfamilienhäusern in Berlin vor, bei dem Erdwärme und Solarthermie gekoppelt wird, um die Effizienz der Heizanlage zu verbessern. David Kuntz von der Firma Tewag thematisierte in seinem Vortrag, in welchen Bereichen es Potentiale für innovative Weiterentwicklungen der Erdwärmenutzung geben könnte. Dabei wies er zum Beispiel darauf hin, dass es durchaus sinnvoll sein kann, Speichersondern statt klassischer Doppel-U-Sonden einzusetzen oder über die Nutzung des Abwassernetzes zur Nahwärmeversorgung nachzudenken.

Als wichtige und zukunftsträchtige Facette der geothermischen Nutzung insbesondere in Nord-deutschland wurde die mitteltiefe Geothermie im Tiefenbereich zwischen ca. 400 und 1000 Meter herausgestellt. Zum einen, weil die Investitionskosten überschaubar und beispielsweise auch von Stadtwerken in Eigenleistung tragbar sind. Zum anderen, weil  mitteltiefe Geothemieanlagen sich für eine ganzjährig durchgängige Wärmeversorgung eignen und der Platzbedarf im Vergleich zu oberflächennahen Erdwärmesondenfeldern gering ist. Eine interessante Perspektive ergab sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel aus den bisherigen Ergebnissen des GeneSys-Projekts: Dr. Torsten Tischner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wies in seinem Vortrag darauf hin, dass es am Projektstandort in Hannover in den sogenannten Wealden-Sandsteinen in gut 1000 Metern über 70 °C warm ist und eine Direktwärmenutzung dieser Formation auch wegen guter Durchlässigkeiten energetisch sinnvoll wäre.

Die tiefe Geothermie wurde am Abend des ersten Vortragstages mit einer Podiumsdiskussion eingeleitet, an der unter anderem Ministerialdirektor Werner Ressing, Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, und der Präsident des GtV-Bundesverbands Geothermie Wal-demar Müller-Ruhe teilgenommen hatten. Ressing betonte, dass er in der Geothermie ein großes Potenzial sieht: „Wenn man sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht so stiefmütterlich behandelt hätte, wäre man jetzt schon deutlich weiter“, so Ressing. Nach seiner Ansicht kann die Geothermie perspektivisch insbesondere für die Netzstabilität eine wichtige Rolle spielen. Um die Entwicklung zu beschleunigen und neue Projekte zu initiieren wurde aus dem Publikum angeregt, Vor- und Machbarkeitsstudien mit Bundesmitteln zu fördern. Ressing versprach, diese Option zu prüfen. Wie andere auch plädierte Waldemar Müller-Ruhe für eine differenzierte Förderung der Geothermie je nach Region: „Um Dinge gleich zu fördern, muss man sie ungleich behandeln“, so Müller-Ruhe.    

Die Vortragsreihe zur tiefen Geothermie am zweiten Veranstaltungstag wurde von Dr. Evelyn Suchi vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik eröffnet. Sie beleuchtete in ihrem Vortrag die Ergebnisse aus dem aktuellen Projekt „Geothermie-Atlas“, das eine mögliche Nutzungskonkurrenz zwischen tiefer Geothermie und der Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund darstellen soll. Durch dieses Kartenwerk wird eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen, die zukünftig dabei helfen kann, Vorzugsgebiete für die Nutzung des tiefen Untergrundes auszuweisen.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde die Möglichkeit diskutiert, das in tiefen Thermalwäs-sern gelöste Erdgas als „Beifang“ zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu nutzen. Dieses Potential ist auch den Verantwortlichen für das Geothermieprojekt im niedersächsischen Munster bewusst. Reinhard Jung von Jung Geotherm, der mögliche Erschließungskonzepte für das geplante Kraftwerk in der Lüneburger Heide präsentierte, prognostizierte, pro Stunde mehrere hundert Kubikmeter Erdgas als Nebenprodukt fördern zu können. In den Niederlanden hat man damit bereits Erfahrungen gesammelt, wie Hans Tünter von der Firma IF Technology berichtete. Er gab im Rahmen der Tagung einen Überblick über Geothermieprojekte in den Niederlanden, die dort unter anderem zur Beheizung von Gewächshäusern genutzt werden. Das erste Projekt mit einer 1700 Meter tiefen Bohrung wurde 2007 im südholländischen Bleiswijk fertig gestellt und beheizt seitdem Gewächshäuser mit einer Gesamtfläche von rund sieben Hektar. Die Investition hat sich gelohnt: „Wir rechnen damit, dass sich die Ausgaben bereits nach sieben Jahren amortisiert haben werden“, so Tünter.

Mit großem Interesse wurde auch die Präsentation von Dr. Johannes Peter Gerling von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe verfolgt, der detailliert darlegte, mit welchen Herausforderungen man im hauseigenen Projekt GeneSys zu kämpfen hatte und wie es zur Bildung der Salzbrücke kam, die die geplante Nutzung des rund 3900 Meter tiefen Bohrlochs derzeit verhindert. In seinem Fazit wies Gerling darauf hin, dass das Bohrloch nicht aufgegeben werde und man trotz der Schwierigkeiten mit dem Projekt viele wertvolle Erfahrungen sammeln konnte. „Wir konnten zeigen, dass eine Tiefenbohrung und Stimulation des Untergrunds im urbanen Umfeld machbar sind“, so Gerling. Besonders interessant und von vielen unerwartet war auch, dass die mit der Stimulation erzeugten Wegsamkeiten im sonst kaum durchlässigen Buntsandstein auch ohne Stützmittel über den gesamten Untersuchungszeitraum nachweisbar blieben.
 
Das Thema Stimulation geothermischer Reservoire wurde ausführlich von Professor Horst Rüter von der Firma Harbourdom behandelt. Er forderte in seinem Vortrag einen objektiveren Umgang mit dem Thema und kritisierte, dass sowohl das Umweltbundesamt (UBA) als auch die Regierung in Nordrhein-Westfalen für ihre Studien zum Fracking dasselbe Ingenieurbüro beauftragt hatten, dem nach Kenntnis von Rüter zudem die Erfahrung auf diesem Gebiet fehle. Inzwischen hat das Bundeswirtschaftsministerium bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe eine Stellungnahme zum UBA-Gutachten in Auftrag gegeben.

Alle Informationen zur Norddeutschen Geothermietagung, ein Kurzfilm zur diesjährigen Konferenz, sowie die Möglichkeit, eine CD mit allen Vorträge zu bestellen, finden sich unter www.norddeutsche-geothermietagung.de

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