GEOREAL: KTB-Tiefenlabor in Windischeschenbach beginnt 2023

22.09.2022 | Forschung

Anfang 2023 beginnt ein hydraulisches Forschungsexperiment zur Erkundung der Erdkruste im Kontinentalen Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland (KTB) Windischeschenbach. Im Zuge des Experiments GEOREAL wollen Wissenschaftler:innen des GeoForschungsZentrums Potsdam Fragestellungen zur Durchlässigkeit des Gesteins im Kontext Tiefe Geothermie testen. Es werden neueste Forschungsansätze zur Gewinnung von Erdwärme bei optimaler Überwachung der seismischen Aktivität von hydraulischen Stimulationen im Untergrund zum Einsatz kommen.

Die beiden KTB-Bohrungen (mit 4000 und 9101 m Bohrtiefe) stellen einen weltweit einmaligen Zugang zu einem petrothermalen Fluidreservoir und Temperaturen deutlich über 100° C in metamorphen Gesteinen dar. Solche Vorkommen sind typisch für weite Teile der Erdkruste Deutschlands, aber nur in der nördlichen Oberpfalz durch die zwei KTB-Bohrungen bis 9 km Tiefe für Forschungszwecke nutzbar. Dort, wo sich heute eine sanfte Hügellandschaft erstreckt, erhob sich vor über 300 Millionen Jahren ein gewaltiges Gebirge, dessen Gipfel mittlerweile aufgrund von Erosion abgetragen sind. Die Gebirgswurzel wurde in den beiden KTB-Bohrungen nachgewiesen. Die erbohrten Reste dieses Gebirges gleichen einer gigantischen Knautschzone im Untergrund, die heute noch über die damalige Kollision der Kontinentalplatten Auskunft geben. Das aufgetürmte variszische Gebirge ist auf der Erdoberfläche fast vollständig verschwunden. Seine Spuren im Untergrund sollen näher untersucht und wenn möglich nutzbar gemacht werden.

Zwischen 1994 und 2005 wurden insgesamt drei vergleichbare Experimente an der KTB durchgeführt, von denen zwei Injektionen im offenen Bohrlochabschnitt der KTB-Hauptbohrung über Tage bis Monate durchgeführt wurden. Vier Jahre später wurde eine Wasserförderung mit anschließender Wasserinjektion über jeweils knapp ein Jahr in der KTB-Vorbohrung vorgenommen. Bei diesen Experimenten kam es zu nicht spürbarer, sogenannter induzierter Seismizität. Es wurden mehrere hundert Mikroerdbeben erfasst, die in unmittelbarer Nähe des stimulierten Bohrlochintervalls in 3 und mehr Kilometern Tiefe auftraten. Das stärkste dieser Mikroerdbeben hatte eine Magnitude von 1.2, was unterhalb der menschlichen Wahrnehmbarkeitsschwelle von etwa 2 liegt. Mit dem neuen Experiment sollen einerseits die Prozesse im geothermischen Reservoir besser verstanden werden und andererseits existierende Fließwege, bestehend aus vielen kleinsten Rissen im Gestein, in mehreren Kilometern Tiefe aktiviert werden, ohne dabei spürbare seismische Aktivität an der Oberfläche auszulösen.

GEOREAL-Experiment

Das GEOREAL-Experiment baut auf den in der Vergangenheit an der KTB bereits durchgeführten Injektionsexperimenten auf und nutzt deren Ergebnisse mit neuer Technologie. Mithilfe von hochempfindlichen Bohrloch-Seismometern (Schwingungsmesser ähnlich zu Mikrophonen), die in der KTB-Hauptbohrung installiert werden, wird das GEOREAL-Experiment in mehr als 3.8 km Tiefe in der KTB-Vorbohrung hochgenau dokumentiert. Zusätzlich werden bis zu 50 weitere Seismometer an der Oberfläche rund um die KTB und in mehreren 150 m tiefen neuen Bohrlöchern installiert. Die Daten werden in Echtzeit zum Bohrplatz übertragen und dort direkt ausgewertet.

Das angewandte Verfahren der sogenannten adaptiven Stimulation basiert auf einer automatischen seismischen Echtzeit-Messung: Gezielt werden die Effekte von Druckaufbau und Ruhephasen während der Wasserinjektion auf die räumliche und zeitliche Ausbreitung der Wasserfront im Reservoir untersucht. Diese Fließwege werden angezeigt durch an der Oberfläche nicht spürbare und meist auch nicht messbare Mikroerdbeben (siehe Abbildung). Die Erfassung dieses ‚Knisterns‘ im tiefen Untergrund eröffnet die Möglichkeit, durch unmittelbare Anpassung der Pumpraten während des Experiments die Vorgänge in 4 km Tiefe aktiv zu steuern – und sozusagen ‚auf Sicht zu fahren‘.

Nach Abschluss des GEOREAL Experiments Ende 2024 erwarten die Geowissenschaftler eine Verbesserung existierender Verfahren für die technische Umsetzung geothermischer Projekte. So sollen potentielle, mit der Geothermie verknüpfte Risiken verringert werden. Letztlich soll das GEOREAL-Projekt auch die Akzeptanz der Tiefen Geothermie in Deutschland verbessern, da die Geothermie das Potenzial zur dauerhaften Versorgung mit Wärme bietet. Darüber hinaus erhoffen sich viele Wissenschaftler in Deutschland aber besonders am GFZ eine langfristige Reaktivierung der Forschung an dem historisch wichtigen Wissenschafts-Standort KTB in Windischeschenbach.

Begleitend zum Projekt finden in der Umweltstation 4 Vorträge der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler statt. Der Auftaktvortrag vom Leiter des Forschungsprojekts Prof. Dr. Marco Bohnhoff findet am 28.09.2022 um 19:30 Uhr im GEO-Zentrum an der KTB statt. Er erläutert unter dem Titel “Wissenschaftliches Bohren an der KTB und weltweit: Einblicke in die Prozesse tief unter unseren Füßen” die geowissenschaftlichen Hintergründe. Der Eintritt ist frei. In den nachfolgenden Vorträgen wird dann detailliert auf das GEOREAL Projekt eingegangen.

Rückfragen können an georeal [at] gfz-potsdam.de gesendet werden.

Quelle:

GEO-Zentrum KTB

Schlagworte