Können wir induzierte Erdbeben kontrollieren?

25.05.2020 | Karin Jehle

Mit induzierter Seismizität beschäftigte sich Prof. Dr. Georg Dresen von der Fastloc GmbH im „Blickpunkt Geothermie“ am 22. Mai.

Prof. Dr. Georg Dresen von der Fastloc GmbH beschäftigt sich schon lange mit seismischen Ereignissen im Zusammenhang mit petrothermaler Geothermie in Enhanced Geothermal Systems (EGS).

Um unterirdische Rissnetzwerke zu erzeugen, werden bei der petrothermalen Geothermie mit Druck Fluide in den Untergrund injiziert. Dies führt zu einer Aufweitung von Rissen im Untergrund. Bestehen im Untergrund bereits Spannungen zwischen verschiedenen geologischen Schichten, verändert sich durch die Injektion das Spannungsfeld.

Dies kann sich seismisch auswirken, zumeist mit vom Menschen nicht wahrnehmbaren Mikrobeben, manchmal aber auch mit spürbaren Erschütterungen bis hin zu seismischen Ereignissen, die Schäden an Gebäuden verursachen, wie im südkoreanischen Pohang geschehen.

Ein seismisches Monitoring hilft, frühzeitig zu erkennen, wenn die Stimulation in eine kritische Phase übergeht. Eine gezielte Steuerung der Stimulation kann dies ausbalancieren.

Beispiel Helsinki

Im finnischen Helsinki wurde 2018 die bisher tiefste EGS-Bohrung abgeteuft – in über sechs Kilometern hat sie Temperaturen von 120 Grad Celsius gefunden. Die Wärme soll den Campus der nahegelegenen Universität versorgen.

Der Untergrund ist von komplexer tektonischer Struktur, wies aber vor der Stimulation keine aktuellen seismischen Störungen auf. Die Fastloc GmbH begleitete das gesamte Projekt mit seismischem Monitoring unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Dresen.

In 0,3 bis 1,3 Kilometern Tiefe wurden zwölf Bohrloch-Geophone installiert, hinzu kamen zwölf Sensoren in 2,0 bis 2,6 Kilometern Tiefe. Weitere 17 Geophone wurden an kritischen Standorten in Helsinki stationiert. Alle Daten liefen in einem lokalen Datenzentrum zusammen und wurden laufend kontrolliert.

Ampelsystem zur Überwachung seismischer Ereignisse

Bis zu einer Magnitude von M < 1,2 zeigte die Ampel „Grün“, bei einer Magnitude zwischen 1,2 und 2,1 signalisierte „Gelb“, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich war. Die Stimulation konnte aber fortgeführt werden. Bei einer Magnitude von M > 2,1, die auf Grund der lokalen geologischen Gegebenheiten festgelegt wurde, sprang die Ampel auf „Rot“ und die Stimulation wurde gestoppt, bis die Spannung wieder abgeklungen war.

49 Tage lang überwachten Dresen und sein Team die Bohrarbeiten und die Stimulation der ersten Bohrung. Insgesamt 6.150 seismische Ereignisse wurden aufgezeichnet. Die Überwachung zeigte auch, dass die Seismizität mit zunehmendem Druck bei der Injektion ansteigt, so wurde eine maximale Magnitude von 1,9 erreicht.

Das Augenmerk der Wissenschaftler*innen lag nun darauf, wie die Stimulation zu gestalten ist, dass die Seismizität nicht die kritische Grenze erreicht. Man änderte den Injektionsplan dergestalt, dass nach einem Injektionsintervall von 18 Stunden zwölf Stunden lang pausiert wurde unter Beibehaltung des Drucks. Dies erwies sich als äußerst effektiv, um die seismische Aktivität zu stabilisieren.

Glück oder Physik?

Im Nachgang verglichen die Expert*innen die Daten verschiedener EGS-Projekte. Bei allen folgte die Seismizität im Verlauf der Stimulation einem linearen Trend. Fast immer ließ sich die Seismizität daher durch eine Kontrolle des Injektionsvorgangs ebenfalls kontrollieren.

Dennoch gab es Ausnahmen, wie Dresen betonte. In Pohang war offensichtlich die tektonische Grundspannung so groß, dass sie das Geschehen diktierte und ein größeres Beben mit einer Magnitude von 5,4, verbunden mit Schäden an mehr als 2.000 Gebäuden, nicht zu verhindern war. In Basel kam es trotz eines guten seismischen Monitorings zu deutlich spürbaren seismischen Ereignissen mit einer Magnitude von 3,4. Schäden gab es kaum, aber die Bevölkerung war so verunsichert, dass das Projekt abgebrochen werden musste.

Fazit von Prof. Dresen war, dass gefährliche Situationen sich normalerweise ankündigen und sich daher durch ein gutes Monitoring und entsprechend schnelle Reaktionen im Stimulationsprozess kontrollieren lassen.

Webinar auf YouTube – am 29. Mai geht es weiter

Für diejenigen, die nicht am Webinar teilnehmen konnten oder Details nochmals nachhören möchten, gibt es eine Aufzeichnung auf unserem YouTube-Kanal.

Ab nächstem Freitag, dem 29. Mai werden sich englisch- und deutschsprachige Webinare wöchentlich abwechseln. Im ersten englischsprachigen Webinar wird Daniel Mölk, Country Manager Indonesien bei der Steag GmbH, über die geothermische Projektentwicklung in Indonesien vortragen. Das nächste deutschsprachige Webinar findet am 5. Juni statt.

Auf http://www.tiefegeothermie.de/webinar können Sie sich anmelden.

Quelle:

Enerchange