Reformen für Nachnutzung alter Gas- und Ölbohrungen für Geothermieprojekte erforderlich

26.10.2022 | Enerchange
Bohrungen mit Endtiefen von mindestens 400 Metern in Niedersachsen, Stand: März 2021

Eine geothermische Anschlussnutzung von für die Förderung von Gas- und Öl nicht weiter verwendeten Bohrlöchern findet in Deutschland praktisch nicht statt. Dazu hat das Bundeskabinett kürzlich einen Bericht verabschiedet, der die Probleme und mögliche Lösungssätze aufzeigt. Das vierseitige Papier mit dem Titel "Bericht der Bundesregierung zur geothermischen Anschlussnutzung von Bohrlöchern" hatte der Bundestag in Auftrag gegeben.

Die geothermische Nachnutzung von Bohrungen bietet grundsätzlich eine attraktive Möglichkeit die hohen Investitionskosten und das Fündigkeitsrisiko bei Geothermieprojekten zu reduzieren. Der rechtliche Rahmen für die geothermische Nachnutzung von Bohrungen ist grundsätzlich gegeben. Für das Bergrecht zuständig ist federführend das Bundeswirtschaftsministerium, das die Rahmenbedingungen für die Gewinnung heimischer Rohstoffe setzt. Laut dem Bericht prüft dieses aktuell eine Reform des Bergrechts, weil es in manchen Teilen des Gesetzes "Unschärfen" gäbe und es daher grundsätzlicher Reformen bedarf.

Wenig Resonanz auf Nachnutzung von Bohrlöchern in Niedersachsen

Das für das Bundesland Niedersachsen zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) pflegt eine Plattform zu den möglicherweise nachnutzbaren Bohrlöchern und veröffentlicht regelmäßig eine Liste der möglicherweise nutzbaren Bohrungen. Diese fanden jedoch bisher "wenig Resonanz", heißt es in dem Bericht, den das Bundeswirtschaftsministerium verfasste.  Die letzte Meldung, die auf freiwilliger Basis erfolgt, wurde 2019 eingereicht. Dabei ist Niedsachsen das Bundesland mit dem größten Potenzial. Gleichzeitig werden Tatsachen geschaffen. Etwa 28 Bohrlöcher wurden zwischen 2019 und 2021 pro Jahr verfüllt statt sie für Erdwärme weiterzunutzen.

Viele Hürden bei der Übernahme von Bohrlöchern

Eine Hürde für die Nachnutzung von Bohrungen ist die Übernahme aller Rechte und Pflichten aus der vorausgehenden Nutzung, erläutert der Bericht des Bundeskabinetts. Diese Erfahrung hat auch das Nachbarland Österreich gemacht. Dort wären sogar mehrere hundert Kohlenwasserstoffbohrungen zur Wärmegewinnung möglich. Probleme bei der Haftung stoppen neue Projekte aber, bevor sie überhaupt angefangen haben. Der Gaskonzern OMV könnte zwar eine Projektierer erlauben, seine alten Bohrlöcher zu nutzen, bliebe aber in der Haftung.

Auch müssen für die Übernahme des Betriebes einer Bohrung entsprechende Voraussetzungen erfüllt sein. Dies betrifft insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit des Nachnutzers. Die Praxis zeigt, dass dabei unter Umständen auch beträchtliche Kosten für Anlagenüberwachung, Instandhaltung der Bohrung und Versicherungen anfallen können.

Des Weiteren eignet sich nicht jede aufgegebene Bohrung für eine geothermische Anschlussnutzung, schließlich müssen ausreichend Wärmeabnehmer in der Nähe angesiedelt sein. Der Neubau längerer Wärmeleitungstrassen ist teuer. Durch die lange Zeit niedrigen Gaspreise war die Wirtschaftlichkeit der Fernwärmeprojekte schwierig. Dies könnte sich unter den neuen Vorzeichen mit Erdgaspreisen von über 100 Euro/MWh jetzt ändern. Somit bekäme Erdgas im Fernwärmenetz mehr Konkurrenz durch Erdwärme.

Trotz Herausforderungen weitere Bestrebungen zur Nachnutzung

Auf der diesjährigen Herbstsitzung des Geothermieforums Niedersachsen wurden einige Projekt vorgestellt, die den rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen trotzen.

So stellte Johannes Schoenherr, EMPG, ein Projekt vor, in dem gemeinsam mit dem Fraunhofer IEG untersucht wird, inwieweit sich die Wertschöpfungskette ihrer Bohrungen durch eine geothermische Nachnutzung erweitern lassen könnte. Nach dem aktuellen Stand richtet sich der Fokus dabei auf geschlossene geothermische Systeme. Eine Nachnutzung als offenes geothermisches System erscheint aufgrund der erforderlichen Kosten und des Fündigkeitsrisikos einer zweiten Bohrung mit ausreichend entferntem Landepunkt weniger attraktiv.

Am Horstberg bei Dreilingen im Landkreis Uelzen werden in der ehemaligen Erdgasexplorationsbohrung Horstberg Z1des Weiteren Forschungstätigkeiten zur In-Situ-Erprobung von Methoden zur Erschließung von Erdwärme aus gering permeablen Sedimentgesteinen mit Hilfe der Wasser-frac-Technologie betrieben. Eine Erdwärmenutzung im eigentlichen Sinne findet hier zwar nicht statt, der Fokus dieser Arbeiten liegt aber auf der Entwicklung neuartiger Einbohrlochsysteme zur Gewinnung geothermischer Wärme.  Die Bohrung soll auch weiterhin als Referenzstandort für geothermische Forschungsvorhaben im Norddeutschen Becken dienen.

Quelle:

www.energate-messenger.de