Rückschlag für Geothermieprojekt in Wilhelmsburg?

02.09.2022 | Projekte | Rachel McRae
Bohrplatz Wilhelmsburg

Im Rahmen des Reallabors IW3 (Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg) untersucht die Hamburg Energie Geothermie GmbH in Begleitung des Forschungsprojekts mesoTherm aktuell das geothermische Nutzungspotenzial im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Bisher wurden zwei Bohrungen abgeteuft. Mithilfe künftiger Fördertests soll nun die Förderrate und Temperatur eines mitteltiefen Sandstein-Reservoirs überprüft werden.

Das Hamburger Geothermieprojekt am Standort Wilhelmsburg ist Teil des Reallabors IW³ (Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg) und hat die klimafreundliche geothermische Wärmeversorgung der Wilhelmsburger Wohnquartiere zum Ziel (wir berichteten). Die Hamburger Energiewerke (HEnW) unterstützen das Vorhaben mit rund 70 Millionen Euro. Etwa 22,5 Millionen Euro dieser Investitionssumme werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

Erkenntnisse aus der Erkundungsbohrung

Bereits im Juli dieses Jahres konnte eine erste Erkundungsbohrung mit einer Endtiefe von 3.067 Metern fertiggestellt werden. Die daraufhin gewonnenen Erkenntnisse gaben Hinweis auf eine etwa 130 Meter mächtige wasserführende Sandsteinschicht in einer Tiefe von 1.300 Metern. Auch durch erste Fördertests konnte die Durchlässigkeit des mitteltiefen Reservoirs bestätigt werden. Hingegen deutete eine in über 3.000 Meter Tiefe liegende Sandsteinschicht nur auf unzureichende Thermalwasservorkommen hin und wurde so für eine geothermische Nutzung ausgeschlossen.

Die zweite Bohrung

Mit dem Ziel weitere Informationen über das mitteltiefe Sandstein-Reservoir zu erhalten, wurde noch im Juli mit den Bohrarbeiten für eine zweite Bohrung begonnen. Während die erste Bohrung das mitteltiefe Reservoir in einer Tiefe von 1.300 Metern erreichte, traf die zweite Bohrung bei rund 1.400 Metern auf die Sandsteinschicht. Wie bei der ersten Bohrung, wurden hier ebenfalls mehrere Bohrkerne aus unterschiedlichen Tiefen gewonnen, um diese anschließend im Labor auf deren Porosität und Durchlässigkeit hin zu untersuchen.

Am 9. August verkündete die Projektgesellschaft die erfolgreiche Fertigstellung der zweiten Bohrung mit einer vertikalen Endtiefe von rund 1.460 Metern. Die Bohrarbeiten in Wilhelmsburg sind somit vorerst abgeschlossen. Aktuell stehen Fördertests aus, um die zu erwartende Förderrate und Temperatur im Zielreservoir verlässlich zu quantifizieren.

Im Falle des Erfolgs könne über die zweite Bohrung künftig heißes Tiefenwasser gefördert und in einem geschlossenen Kreislauf über die bereits abgeteufte erste Bohrung (Injektionsbohrung) wieder in den Untergrund geführt werden.

Skeptiker des Vorhabens

Wie die Hamburger Morgenpost berichtet, gebe es allerdings auch kritische Stimmen in Bezug auf das Geothermieprojekt in Wilhelmsburg. Anstelle der ursprünglichen Annahme von 130 Grad Celsius heißem Tiefenwasser aus der 3.000 Meter tiefgelegenen Sandsteinschicht, stehe nun lediglich das 45 bis 50 Grad Celsius warme Thermalwasser des mitteltiefen Sandstein-Reservoirs zur Verfügung.

„Der jetzige Stand des Projekts entspricht nicht mehr der ursprünglichen Planung. Daher frage ich mich, ob der zu erwartende Nutzen und die Kosten, die bereits angefallen sind, noch im Verhältnis stehen“, so Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linken.

Michael Prinz, Geschäftsführer der HEnW, zeigt sich hingegen weiter optimistisch: „Alles in allem sind wir zuversichtlich, dass wir künftig Ökowärme fördern können“. Dabei gelte es zunächst die geplanten Fördertests sowie deren Ergebnisse abzuwarten.

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt arbeite das Projektteam an diversen technischen Möglichkeiten das kühlere Wasser dennoch für eine geothermische Wärmeversorgung nutzen zu können. Durch den Einsatz von Wärmepumpen könne das Tiefenwasser je nach benötigter Temperatur beispielsweise auf 70 bis 90 Grad Celsius angehoben werden. Nach Angaben der HEnW stelle das mitteltiefe Sandstein-Reservoir dafür eine gute Grundlage dar. Darüber hinaus könne im Falle moderner Heizsysteme das Thermalwasser direkt genutzt werden, da hierfür lediglich 40 Grad Celsius erforderlich sind.

Allerdings birgt auch der Einsatz von Wärmepumpen potenzielle Nachteile. Da der Betrieb einer Wärmepumpe Strom erfordert, könne dies je nach Herkunft des Stroms den CO2-Abdruck negativ belasten. Die HEnW versicherten diesbezüglich, dass für den Betrieb von Wärmepumpen allein Strom aus erneuerbaren Energiequellen genutzt werden solle.

„Das klingt gut, aber wo soll der herkommen?“, entgegnet Paul Schmid, Sprecher des BUND Hamburg. Dabei kritisiert er, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland nur langsam fortschreite und somit zu wenig grüner Strom vorhanden sei. Dennoch bewerte er die Geothermie insgesamt als positiv: „Aber für eine gute Geothermie brauchen wir auch grünen Strom. Dafür müssen wir jetzt überall einsparen, wo es möglich ist“.

Letztlich biete die geothermische Nutzung des mitteltiefen Reservoirs jedoch auch Vorteile. Somit sei diese im Vergleich zur Tiefengeothermie mit geringeren Investitionskosten verbunden und erhöhe damit die Chance einer Umsetzung.