Seismik Rheinland: Auf der Suche nach klimafreundlicher Wärme aus der Tiefe

20.09.2022 | Erkundung & Analyse | Karin Jehle
Foto Rheinschleife bei Duisburg

Geothermische Wärme bietet große Chancen für eine regionale und klimafreundliche Wärmeversorgung: witterungsunabhängig, zu jeder Tages- und Nachtzeit, kostenstabil und mit wenig Flächenbedarf. Um das Potenzial dafür im zentralen Rheinland zwischen Viersen, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg zu erkunden, führt der Geologische Dienst NRW (GD NRW) seismische Messungen durch, die Anfang Oktober beginnen werden.

Nordrhein-Westfalen bereitet den Einstieg in die Nutzung der Tiefengeothermie vor – um die Klimaschutzziele zu erreichen und um sich unabhängiger von Energieimporten zu machen. Daher hat der Landtag bereits am 20. März 2019 fraktionsübergreifend beschlossen, den Einsatz der Geothermie zu fördern, um die Wärmepotenziale des Landes optimal nutzen zu können.

Auf dieser Grundlage hat das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) des Landes Nordrhein-Westfalen den GD NRW beauftragt, eine geothermale Charakterisierung des tiefen Untergrundes durchzuführen.

Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur: „Der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien war nie dringender, nie notwendiger als heute. Er ist dabei nicht nur mit Blick auf den Klimaschutz zwingend notwendig, sondern auch, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden. Insbesondere die aktuell hohen Gaspreise machen deutlich: Die Wärmewende muss mit allen Mitteln vorangetrieben werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt mit den seismischen Untersuchungen im Rheinland Stadtwerke und Projektentwickelnde, um mögliche Potenziale für erneuerbare Wärme zu erschließen. Wir möchten, dass die tiefe Geothermie sich zu einem sicheren, zentralen Baustein einer klimafreundlichen Wärmeversorgung von morgen entwickelt.“

Bei der hydrothermalen Geothermie wird natürlich vorkommendes Tiefenwasser genutzt, indem es durch eine mehrere tausend Meter tiefe Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das heiße Wasser seine Energie über Wärmetauscher an den Energieverbraucher – beispielsweise ein Fernwärmenetz, einen Industriebetrieb oder ein Gewächshaus – ab und wird anschließend wieder in die Tiefe geleitet.

Geologische Landesaufnahme zur Erkundung des tiefengeothermischen Potenzials

Pilotregion für die Erkundungen war im Herbst 2021 das zentrale Münsterland. 2022 folgt nun das Rheinland mit der Region zwischen Viersen, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg.
Ziel der seismischen Messungen ist es, in der Tiefe geeignete Gesteinsvorkommen zu identifizieren, welche heißes Tiefenwasser enthalten. Wenn dies der Fall ist, könnte die Region Rheinland ihre Wärmeversorgung mithilfe der Geothermie dekarbonisieren.

„Der Geologische Dienst NRW führt die Untersuchungen im Rahmen der geologischen Landesaufnahme durch“, sagt Dr. Ulrich Pahlke, Direktor des GD NRW. „Die Ergebnisse kommen den Regionen zugute, sie werden digital zur Verfügung gestellt und bilden daher wichtige Vorarbeiten für spätere Projekte.“

Vibrationsseismik – ein Ultraschallbild von Mutter Erde

Um den Untergrund zu erkunden, erzeugen Spezialfahrzeuge, sogenannte Vibro-Trucks, mithilfe von Vibrationen Schallwellen, die an den Grenzen der verschiedenen Gesteinsarten reflektiert werden – ähnlich einer Ultraschalluntersuchung. Bohrungen oder andere Eingriffe in den Boden sind bei dieser schonenden Untersuchungsmethode nicht notwendig.
Drei Vibro-Trucks fahren in einem Konvoi entlang vorab festgelegter Messstrecken. Alle 40 Meter halten sie an und schicken über eine hydraulisch absenkbare Rüttelplatte am Boden der Fahrzeuge für eine bis drei Minuten Vibrationen in den Untergrund. Diese werden reflektiert und von sogenannten Geophonen (ähnlich Mikrophonen) empfangen. Aus den so gewonnenen Daten erstellt der GD NRW anschließend ein detailliertes Bild des Untergrundes.

„Aus bestehenden Daten wissen wir, dass in der Projektregion gleich zwei potenziell geeignete geothermische Zielhorizonte vorliegen: der karbonzeitliche Kohlenkalk sowie der devonzeitliche Massenkalk“, erklärt Projektleiter Ingo Schäfer vom GD NRW. „Doch zur Struktur, Tiefenlage und Mächtigkeit sind noch viele Fragen offen. Auf diese Fragen möchten wir durch die Untersuchungen Antworten bekommen.“

Drei Messlinien im Projektgebiet

Mit den Messungen ist die Firma DMT GmbH & Co. KG aus Essen beauftragt. Im Vorfeld wurden entlang der geplanten Messkorridore Straßen und Wege untersucht, dem Denkmalschutz Sorge getragen, der Verlauf von Leitungen abgeklärt und eine Artenschutzprüfung vorgenommen. In enger Absprache mit den zuständigen Ämtern haben sich die Messstrecken konkretisiert. Geplant sind drei Messlinien von insgesamt 70 Kilometer Länge.

Die Messlinie „Rheinland 1“ reicht von Schwalmtal über Viersen, Tönisvorst und Krefeld bis zum Elfrather See. „Rheinland 2“ kreuzt die Linie „Rheinland 1“ in Traar, verläuft durch Elfrath, Uerdingen, dann rechtsrheinisch vorbei an Mündelheim, Wittlaer und Angermund, bis sie nordöstlich des Düsseldorfer Flughafens endet. „Rheinland 3“ führt von der Messe Düsseldorf nach Norden bis ins Duisburger Stadtzentrum.

Durch den langsam fahrenden Messkonvoi, der etwa einen halben Kilometer pro Stunde zurücklegt, kann es zu Verkehrsbehinderungen und Straßensperrungen kommen. Die Vibrationen sind in der Nähe der Fahrzeuge deutlich spür- und hörbar. Der GD NRW bittet um Verständnis für die kurzzeitigen Lärmbelästigungen. Für Gebäude ist die eigens für die Erkundung bebauter Gebiete entwickelte Vibrationsseismik jedoch unschädlich. Mitarbeiter:innen des Messtrupps kontrollieren zudem kontinuierlich die Bodenschwingungen.

Webseite, Social Media und Webinare informieren

Um die Öffentlichkeit transparent über das Projekt zu informieren, hat der GD NRW eine Webseite erstellt, die seit heute online ist. Auf www.seismik.nrw.de sind umfangreiche Informationen über das Projekt, die Ziele, die Technologie und auch über das Pilotprojekt Münsterland zu finden. Mit Beginn der Messungen wird dort tagesaktuell die jeweilige Messstrecke veröffentlicht und es besteht die Möglichkeit, sich für einen Newsletter anzumelden, um immer up to date zu sein.

Seit dem 19. September veröffentlichen Mitarbeiter:innen des GD NRW und der DMT auf Instagram, Facebook und Twitter unter @SeismikNRW regelmäßig Videos und tagesaktuelle Informationen. Den Auftakt machte Ministerin Neubaur mit einer Videobotschaft.

Ein weiteres Informationsangebot bieten drei Webinare, in denen nach einem etwa 20-minütigen Vortrag die Möglichkeit besteht, selbst Fragen zu stellen. Die Webinare finden montags um 17:30 Uhr statt. Am 26. September stellt Dr. Martin Salamon vom GD NRW das Projekt Seismik Rheinland sowie die konkrete Messstrecke vor. Am 3. Oktober erklärt Olaf Brenner von DMT den technischen Ablauf einer Vibrationsseismik. Auf die Möglichkeiten der geothermischen Nutzung geht Ingo Schäfer vom GD NRW am 10. Oktober ein. Im Anschluss werden Videoaufzeichnungen der Webinare auf dem projekteigenen YouTube-Kanal veröffentlicht. Eine Anmeldemöglichkeit gibt es auf der Webseite www.seismik.nrw.de.

Quelle:

Enerchange

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