Wärmewende mittlerweile in den Köpfen angekommen

17.05.2021 | Politik | Karin Jehle
Klaus Preiser badenovaWÄRMEPLUS

Klaus Preiser, Geschäftsführer badenovaWÄRMEPLUS GmbH & Co. KG, sieht eine langfristige Rechtssicherheit hinsichtlich der Förderung als Voraussetzung für die notwendigerweise mehrjährige Projektentwicklung in der Tiefengeothermie. Hier das vollständige Interview zu unserem aktuellen Thema im Fokus „Grüne Fernwärme effektiv fördern“.

Wie wichtig ist die „Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW)“ für die Entwicklung Ihrer eigenen Projekte bzw. der von Ihnen beratenen Unternehmen? Inwieweit greifen Sie auf bisher bestehende Förderprogramme wie „Wärmenetze 4.0“ oder das KFW-Programm 272 „Erneuerbare Energien Premium“ zurück?

Wir warten voller Hoffnung auf die neue BEW. Nachdem über viele Jahre Energiewende hauptsächlich als Stromwende gesehen wurde, ist die Wärmewende mittlerweile als äußerst wichtiger Teil der gesamten Energiewende in den Köpfen angekommen, in den Köpfen der Gebäudeeigentümer, der Kommunen, der Investoren, der Forschungsinstitutionen, der Verbände und damit auch der Politiker…

Wir sind sehr erfolgreich unterwegs im Programm Wärmenetze 4.0, haben schon drei beauftragte Machbarkeitsstudien (Modul I) und sind in einem Projekt schon in Phase II mit einem Gesamtprojektvolumen von 36 Mio. Euro in die Umsetzung gegangen. Weitere Wärmenetz 4.0-Anträge sind in Vorbereitung. Das KfW Programm 272 und das Marktanreizprogramm liefern weitere wichtige flankierende Maßnahmen, die notwendig sind, um gemeinsam mit unseren Kunden und Kommunen die Umsetzung der Wärmwende so zu beschleunigen, dass wir 2050 wirklich klimaneutral werden können.

Der BEE als Interessensvertretung der gesamten Erneuerbare-Energien-Branche beklagt in einem Positionspapier, dass eine fehlende Regelung für die Übergangszeit, bis die BEW in Kraft tritt, Investoren und Betreiber verunsichere und sie bei der Entwicklung neuer Projekte daher erst mal abwarten würden. Ist dies nach Ihren Erfahrungen in der Geothermiebranche mit ihren vergleichsweise langen Entwicklungszeiten auch der Fall?

Ja, auch für uns ist die Unsicherheit groß. Wir planen im Bereich der Tiefengeothermie Projekte mit Investitionsvolumina von um die 50 Mio. Euro und bei der notwendigerweise mehrjährigen Projektentwicklung ist eine langfristige Rechtssicherheit, was die Förderung angeht, eine zwingende Voraussetzung für uns als Investoren. In der jetzigen Phase stemmen wir das mit eigenen Bordmitteln und einer teilweisen Unterstützung aus dem Wärmenetz 4.0-Programm, aber das ist alles andere als optimal und kann nicht dauerhaft so durchgehalten werden.

Der BDEW fordert ein Fördervolumen im BEW von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr bis zum Jahr 2030 für alle regenerativen Energien im Wärmebereich. Welcher Teil davon wäre für die Entwicklung geothermischer Projekte notwendig, wenn bis dahin tatsächlich 10 TWh jährlich aus geothermaler Fernwärme stammen sollen, wie es die Studie „Klimaneutrales Deutschland 2050“ anvisiert?

Ich mache mal eine ganz grobe überschlägige Rechnung: Ein Tiefengeothermieprojekt mit 20 MW und 5.000 h/a Laufzeit (Wärmelastgang im Sommer muss berücksichtigt werden) erzeugt 100 GWh und kostet im Mittel etwa 50 Mio. € (incl. der meist notwendigen längeren Transportleitungen). Wenn wir deutschlandweit 10 TWh (was ich übrigens für deutlich zu wenig halte angesichts der gewaltigen Dimension der Wärmwende) machen wollen, dann brauchen wir 100 dieser Projekte, d.h. 5 Mrd. € Investitionsvolumen. Bei notwendigen 40-50% Förderung wären das 2 Mrd. bis 2,5 Mrd. und da wird es mit den zur Verfügung gestellten 1 Mrd. €/a schon sehr eng, denn natürlich gibt es noch andere sinnvolle Investitionen in dezentrale Heizungstechnologien, insbesondere dort, wo kein Fernwärmenetz (mit grüner Energie!) zur Verfügung steht oder es aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen auch nicht gebaut werden kann und wird.

Für die „Bundesförderung energieeffiziente Gebäude (BEG)“ schlägt der BDEW vor, den Anschluss von Einzelgebäuden an ein Fernwärmenetz nicht vom aktuellen Anteil erneuerbarer Energien abhängig zu machen, sondern von einem ausgearbeiteten Transformationsplan für das gesamte Netz. In Fernwärmegebieten sollten dezentrale Heizungssanierungen sogar von der Förderung ausgenommen werden. Halten Sie das für einen guten Ansatz, um mehr Haushalte zum Anschluss an die Fernwärme zu bewegen?

Fernwärme ist schon immer ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt gewesen. Kaum eine(r), der/die mal angeschlossen wurde, will, wenn er mal dran ist, wieder weg, aber bis Neukunden überzeugt sind, braucht es viele Argumente. Gleichzeitig gibt es natürlich eine Lobby aus Handwerksbetrieben, Schornsteinfegern und Erdgaslieferanten, die hier alle was zu verlieren haben und daher aktiv dagegen vorgehen.

Wenn wir wirklich weiterkommen wollen in der Wärmewende, dann werden wir Verbrennungsverbote in Innenstädten erlassen müssen, weil wir nur so erstens die Effizienz der Anlagen erhöhen, zweitens schnell die CO2-Belastung runterkriegen und drittens weitere Schadstoffe wie Staub, NOx etc. drastisch reduzieren können. Und da wäre es nur konsequent, wenn es dort, wo grüne (!) Fernwärme verfügbar ist, keine Förderung für dezentrale Heizungstechnologien mehr gäbe, sondern diese sich auf die Gebiete konzentrieren würde, wo Wärmwende gemacht werden muss, ohne dass Fernwärme zur Verfügung steht.

Quelle:

Enerchange