Es geht voran: Geothermiekraftwerk Bruchsal ist in Betrieb

Thema im Fokus 12-2009 | Enerchange

Am 18. Dezember hat das Geothermiekraftwerk Bruchsal mit einer Einweihungsfeier offiziell den Betrieb aufgenommen. Das erste geothermische Kraftwerk in Baden-Württemberg verfügt über eine Anlagenleistung von 550 kW und wird zukünftig rund 1.200 Haushalte mit Strom versorgen. Die Gesamtinvestitionen für das Pilotprojekt der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) und der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (ewb) belaufen sich auf rund 17 Mio. Euro.

Das Bruchsaler Projekt geht auf eine Erkundungsbohrung von Coca-Cola im Jahr 1979 zurück, bei dem überraschend Thermalwasser gefunden wurde. Diesen Fund nahm man 1983 zum Anlass, ein Projekt zur Erschließung geothermischer Energie ins Leben zu rufen. Die Projektträger seinerzeit waren die Europäischen Union, der Bund, das Land Baden-Württemberg sowie die Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (ewb). Noch im selben Jahr erfolgte mit der Injektionsbohrung bis in 1.900 Meter Tiefe (uGOK) die erste Bohrung. Durch die Förderbohrung bis 2.500 Meter Tiefe (uGOK) im Zeitraum 1984/85 wurde die Dublette komplettiert. Beide Bohrungen wurden vertikal in den Buntsandstein abgeteuft und liegen etwa 1,4 Kilometer Luftlinie von einander entfernt. Zirkulationstests im Jahr 1987 förderten 15 L/s bei einem Temperaturniveau von 115 °C zu Tage. Allerdings verursachte die hohe und kritische Mineralisation von 150 g/L des Wassers (u.a. Eisen, Mangan, Sulfat, Kohlensäure und Silikate) massive Ausfällungen. Versuche, mit Einsatz von Inhibitoren die Ausfällungen zu vermeiden bzw. zu verringern schlugen damals fehl.

Veränderte Rahmenbedingungen, wie die gesunkenen Energiepreise und das Ausbleiben weiterer finanzieller Zuschüsse, verschlechterten die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des Projekts und führten dazu, dass sich der Gemeinderat 1990 dazu entschloss, das Projekt vorübergehend einzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren rund 8,1 Mio. Euro in das Projekt investiert worden. Zwei Drittel davon waren Zuschüsse, unter anderem der Europäischen Gemeinschaft (2,5 Mio. Euro), des Bundes und des Landes Baden-Württemberg (2,7 Mio. Euro). Das letzte Drittel von rund 2,9 Mio. Euro mussten Stadt und Stadtwerke Bruchsal beisteuern. Allerdings konnten damit nur die Bohrungen finanziert werden, nicht jedoch das geplante Nahwärmenetz. Trotz Zusagen von Großabnehmern war das Wärmenetz nicht ohne weitere Zuschüsse finanzierbar. Mehrere Anläufe, weitere Fördermittel zu akquirieren, führten nicht zum gewünschten Erfolg.

Die Arbeiten ruhten darauf hin zwölf Jahre und wurden erst 2001 wieder aufgenommen. Das neue Ziel lautete nun: Stromerzeugung. Gründe hierfür waren die verbesserten Rahmenbedingungen wie die im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Einspeisevergütungen für Strom aus Geothermieanlagen sowie Förderzusagen des Bundesministeriums für Wirtschaft. Nach Wiederinbetriebnahme der Bohrungen mit dem Einbau einer leistungsstärkeren Pumpe konnten im Rahmen von Zirkulationstests 24 L/s bei einem Temperaturniveau von 120 °C gefördert werden, was je nach Anlagentechnik eine Stromerzeugung im Leistungsbereich von etwa 550 kW in Aussicht stellte. Allerdings waren die Beschaffungskosten für die ewb und die Stadt Bruchsal trotz der Zuschüsse zu hoch. 2005 stieg die EnBW mit Investitionen in Höhe von 6,5 Mio. Euro in das Geothermieprojekt ein. "Ohne die EnBW wäre das Projekt für die Stadt wirtschaftlich nicht darstellbar gewesen", betonte die Oberbürgermeisterin  Petzold-Schick im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten am 18. Dezember. Im Jahr 2007 schließlich erhielt Siemens den Zuschlag für den Bau eines Kalina-Kraftwerks. Als Wärmeträgermedium fungiert hier ein Ammoniak-Wasser-Gemisch, das über druckbeständige Wärmetauscher die Wärme des Thermalwassers aufnimmt, dabei verdampft und die Turbine des Kraftwerks antreibt.

Neben dem Kalina-Kraftwerk, nun außer der Anlage in Unterhaching das zweite seiner Art in Deutschland, ist vor allem die Druckhaltung mit 20 bar nebst Gas-Bypass eine der technischen Innovationen des Bruchsaler Kraftwerks. Dabei wird das Gas (vorwiegend Kohlendioxid, ca. 1,5 L pro Liter Wasser)  in einem Bypass am Kraftwerk vorbeigeführt. Eine eigens für Bruchsal entwickelte Wärmetauscherentlüftung verhindert, dass sich das im Wasser verbliebene Gas auf den Plattenwärmeübertragern sammelt und die Wärmeübertragung verringert. "Gemeinsam mit den beteiligten Firmen wurde in Bruchsal gezeigt, dass Geothermie mit entsprechender Technik und der nötigen Innovation auch an Standorten möglich ist, wo Thermalwässer mit hohen Gasgehalten und komplexer Wasserchemie gefördert werden", sagt Norbert Hartlieb von enpros consulting, dem Beratungsunternehmen, das für die Projektsteuerung in Bruchsal zuständig war. Eine weitere Besonderheit ist der niedrige Druck, der benötigt wird, um das Thermalwasser zu reinjezieren. "Das Geothermiesystem in Bruchsal ist ein stabiles und sicheres System. Es werden keine störenden Einflüsse im Untergrund produziert", verdeutlicht der Geschäftsführer der ewb, Peter Solberg. "Wir freuen uns, den Schatz Erdwärme aus dem Boden unter Bruchsal heben zu können und leisten damit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung."

Momentan ist Anlage ist noch in der Betriebssetzungsphase und hat ihre volle Leistung noch nicht erreicht. Die erste geothermisch erzeugte Kilowattstunde wurde in Bruchsals am 23. Oktober 2009 ins Netz eingespeist. Im Rahmen des weiteren Ausbaus der Geothermieanlage ist auch eine Nahwärmeversorgung geplant. So soll unter anderem die benachbarte Bereitschaftspolizei angeschlossen werden.

"Von den ersten Tiefbohrungen bis zur Einweihung des Geothermie-Kraftwerks sind über zwanzig Jahre vergangen. Das zeigt: Technische Innovationen brauchen Zeit und eine starke Partnerschaft wie die zwischen ewb und EnBW", so der EnBW-Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis im Rahmen der Einweihung. Villis weiter: "Von Bruchsal geht ein wichtiges Signal aus: Geothermie kann ein wichtiger Teil einer zukünftigen nachhaltigen Energieversorgung sein. Unser Planet steckt voller Energie. Energie, die ständig und zuverlässig vorhanden und damit witterungsunabhängig und grundlastfähig ist. An uns liegt es nun, diese Technologie gemeinsam weiter zu entwickeln und auch andere zu ermuntern, dem Beispiel Bruchsal zu folgen."

Praxisorientierte Informationen zu Erfahrungen mit dem Betrieb von Geothermieanlagen sowie zu neuesten Entwicklungen in der Kraftwerkstechnik bietet die 6. Internationalen Geothermiekonferenz, die vom 19. bis 20. Mai 2010 in Freiburg stattfindet. Weitere Informationen zur Konferenz und die Möglichkeit, sich online anzumelden finden Sie unter www.geothermiekonferenz.de
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