Herr Braun,
Sie haben mit der Exterra Capital in den vergangenen zwei Jahren fünf Geothermieprojekte in Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierungen beraten und Transaktionen arrangiert. Das Interesse von institutionellen und strategischen Investoren an der Geothermie ist momentan so groß wie niemals zuvor.
Worauf führen Sie dieses Interesse zurück?
Ich denke, dafür gibt es verschiedene Gründe. Als ich 2012 begonnen habe, Investoren auf Beteiligungen an Geothermieprojekten anzusprechen, musste ich mir oft sagen lassen, dass Windprojekte oder Solarparks bei vergleichbarer Rendite wegen des geringeren Risikos und der kürzeren Bauphasen gegenüber der Geothermie präferiert werden. Aufgrund der gesetzlich erfolgten Abstufung der Einspeisetarife für Wind und PV in Deutschland scheinen geothermale Stromprojekte für Finanzinvestoren mittlerweile zu den wenig verbleibenden Alternativen in den erneuerbaren Energien innerhalb Deutschlands zu gehören, um ihre Renditevorgaben zu erfüllen. Deshalb erreichen uns seit etwa zwei Jahren sehr viele Anfragen, meist ausländischer Investoren, die hier in Deutschland Geothermieprojekte suchen. Die Betonung liegt dabei auf Strom oder Kraft-Wärme-Kopplung. Für Wärmeprojekte fehlt der Business Case.
Für wie viel weitere Projekte sehen Sie Potenzial?
Uns haben ein gutes Dutzend Anfragen erreicht mit einem angenommenen Capex von durchschnittlich € 100 Millionen pro Projekt. Wir suchen derzeit weitere Projekte, welche zeitnah umgesetzt werden können, um die uns erreichenden Anfragen zu befriedigen.
Welche Investoren interessieren sich für die tiefe Geothermie?
Primär handelt es sich um institutionelle Investoren, die „Renewable Energy“ Spezialfonds aufgelegt haben. Diese Investoren verkaufen meist nach einer Haltedauer von 7-10 Jahren ihre Beteiligung an den Projekten. Neben den institutionellen Investoren gibt es auch strategische Investoren, welche selbst aus der Energiesparte kommen und sich an Geothermieprojekten mit Kraft- Wärme-Kopplung beteiligen möchten. Die Nutzung von Fernwärme spielt für diese Investoren eine wichtige Rolle, da sie, im Gegensatz zu den meisten institutionellen Investoren, ihre Projektbeteiligungen auf Dauer halten können und wollen.
Wo ist der größte Flaschenhals bei der Finanzierung?
Wir arbeiten oft jahrelang „Hand in Hand“ mit den Entwicklern, deren Geologen und technischen Beratern, um Projekte auf ein Level zu bringen, dass sie Investoren überhaupt vorgestellt werden können.
Jeder Investor erwartet eine realistische Darstellung des Projektes, inklusive eines möglichst detaillierten und präzisen Financial Models. Die Bestätigung der dem Financial Model zugrunde liegenden wirtschaftlichen Annahmen ist die erste Hürde, die ein Projekt nehmen muss. Dies geschieht im Rahmen einer sehr zeitaufwändigen Due Dilligence, die durch Expertengutachten belegt werden muss. Damit stellt sich ein Projekt aus wirtschaftlicher Hinsicht dem Investor, aber auch einem etwaigen Fremdkapitalgeber, vor. Eine sorgfältige Vorbereitung des Projektes durch den jeweiligen Entwickler ist zur Vermeidung von Zeitverzögerungen daher unerlässlich.
Ansonsten liegen die Flaschenhälse häufig in der Kapazität der Berater, besonders bei den mit der Due Dillgence beauftragten Anwälte. Daher ist es wichtig, sehr früh die Anwälte und sonstige im Rahmen einer Due Dilligence erforderlichen Berater einzubinden und Kapazitäten zu sichern.
Wie weit muss ein Projekt entwickelt sein, um das Interesse von Investoren zu wecken?
Finanzinvestoren wollen ihr Geld rasch zum Arbeiten bringen. Daher berücksichtigen sie meist nur genehmigte Projekte, d. h. die Genehmigungsverfahren müssen abgeschlossen sein oder zumindest kurz vor dem Abschluss stehen. Es gibt allerdings auch wenige Investoren welche in der frühen Entwicklungsphase in Projekte investieren, d. h. deutlich vor Erteilung der Genehmigungen. Strategische Investoren können sich in der Regel mehr Zeit lassen. Dies bedeutet, dass auch Projekte berücksichtigt werden, deren Genehmigung noch einige Monate entfernt sind, wobei das finanzielle Risiko der Genehmigungsverfahren beim Entwickler verbleibt.
Wie sehen Sie die Zukunft der Tiefengeothermie in Deutschland?
Grundsätzlich sehr positiv. Die Agenda der Stadtwerke München, den Wärmebedarf der Stadt München bis 2040 ausschließlich mit geothermaler Energie zu decken, zeigt, wohin die Reise gehen kann und muss. Leider gibt es in gewissen Gegenden Deutschlands zu viel gefährliches Halbwissen, was politisch missbraucht wird, um sinnvolle Projekte zu verhindern. Während Bayern noch einigermaßen verschont geblieben ist, gibt es bspw. in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz häufig politische Strömungen, die mit inhaltlich verfehlten Argumenten sinnvolle geothermale Strom- und Wärmeprojekte verhindern oder kostspielig verzögern. Dies führt zu einer untragbaren Verunsicherung vieler Investoren, die wir uns angesichts der immer mehr spürbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr leisten können. Ich denke daher, dass es bundesweit massive Kampagnen und Aufklärungsarbeit benötigt, um die Geothermie als dezentrale Strom- und Wärmequelle auf breiter Ebene salonfähig zu machen. Das Beispiel von Staufen ist der beste Beweis dafür, was im Kopf der Bürger passiert, wenn Äpfel mit Orangen vertauscht werden.
Abgesehen von der Überwindung politischer Widerstände im Rheingraben, hängt der weitere Ausbau von Stromprojekten von einer Abschaffung oder massiven Reduzierung der Degression der Einspeisetarife ab. Wenn die derzeitige Degression so bleibt, werden nach 2022 Geothermieprojekte das gleiche Schicksal erleiden wie Wind und PV.
Vielen Dank Herr Braun für das aufschlussreiche Interview.
Im Rahmen des Praxisforum Geothermie.Bayern kann die angestoßene Diskussion mit Investoren während des Roundtable "Invest Geothermal" am 17. Oktober 2018 fortgesetzt werden. Annmeldungen und weitere Information sind auf der Webseite des Praxisforum Geothermie.Bayern möglich.