Knapek fordert EGS-Demonstrationsprojekt und Bestandsschutz ab 3D-Seismik

Thema im Fokus 01-2014 | Jochen Schneider

Mit der EEG-Novelle in diesem Jahr werden auch wichtige Weichen für die weitere Entwicklung der tiefen Geothermie gestellt. In dieser Situation ist es ein gutes Zeichen, dass die beiden Geothermie-Verbände nun mit Dr. Erwin Knapek einen gemeinsamen Präsidenten haben und ein Zusammenschluss nun erstmals greifbar scheint. Das Informationsportal Tiefe Geothermie sprach mit Knapek über die aktuellen Ziele und Herausforderungen der Branche sowie über die Erwartungen an die neue Bundesregierung.

Bild entfernt.Herr Dr. Knapek, zuerst nochmals herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum GtV-BV-Präsidenten. Da Sie in Personalunion auch das WFG führen: Was ist der Vorteil der Doppelpräsidentschaft und welche Chancen sehen Sie für eine Fusion der beiden Verbände?

Besten Dank für die Glückwünsche, denn ich werde ein sogenanntes glückliches Händchen brauchen. Zum einen gibt es an der Spitze der Verbände jetzt einen einzigen Ansprechpartner für die Politik und damit gleichzeitig Information für beide Verbände. Zum anderen müssen beide Verbände dieses erste Jahr nutzen, um alle Möglichkeiten auszuloten, wie ein Zusammenschluss erfolgreich gestaltet werden kann. Ich erwarte den Zusammenschluss frühestens im zweiten Jahr meiner Doppelpräsidentschaft.

In der Geothermie-Branche herrscht derzeit eine unglaublich große Spannung und Unsicherheit darüber, wie es weitergeht. Im Moment ist augenscheinlich alles eingefroren – es gibt keine Bohrarbeiten zur Erschließung weiterer Projekte. Was ist der Grund und was muss aus Ihrer Sicht passieren, dass wieder Bewegung in die Branche kommt?

Die Zurückhaltung der Branche hat ihren Ursprung in den unseligen Aussagen und Ankündigungen der ehemaligen Bundesminister Peter Altmaier und Philipp Rösler, die sie zum Thema Strompreisbremse im Februar 2013 veröffentlicht haben. Dadurch hatten die Investoren das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. Ausländische Analysten warnten damals sogar, hier auch nur noch einen Euro zu investieren. Desweiteren gab es bei laufenden Bohrprojekten Rückschläge im Bezug auf die Fündigkeit mit anschließenden Problemen mit der Versicherungswirtschaft. Durch die Fracking-Diskussion gibt es aktuell auch einen Stillstand bei der Weiterentwicklung der petrothermalen Geothermie. Vordringlich muss nun von Seiten der Politik eine klare und verlässliche, schriftlich fixierte Aussage zum Vertrauensschutz erfolgen, damit die in der Planung weit fortgeschrittenen Projekte rechtssicher angegangen werden können. Die Branche selbst muss eng mit der Versicherungswirtschaft zusammenarbeiten, Daten austauschen und einen Datenpool schaffen, der eine exaktere Risikoanalyse ermöglicht. Das Fracking Thema muss öffentlich diskutiert und dabei die Unterschiede zu Fracking für die Erschließung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe deutlich gemacht werden.

Was erwarten Sie von der EEG-Novelle?

Ich erwarte eine Novelle, die stärker technologiebezogen ist. Es hat sich gezeigt, dass Projekte der Tiefen Geothermie aus verschiedenen Gründen wesentlich längere Realisierungszeiten haben als andere EE-Technologien. Diese langen Realisierungszeiten und die drohende Degression sollten im neuen EEG besser nach dem Ausbauvolumen als nach festgesetzten Zeiten zu bewertet werden. Dem Vertrauensschutz ist besser gedient, wenn in der Novelle ein fixer Zeitpunkt im Projektablauf genannt werden würde, ab dem ein Projekt Vertrauensschutz erhält. Im Wesentlichen hat sich jedoch das bestehende EEG für die Tiefe Geothermie ebenso bewährt, wie dies in den Koalitionsverhandlungen für die Wasserkraft festgestellt wurde.

Vor einer Woche hat Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel die Eckpunkte für das neue EEG verkündet. Darin spricht er sich für das EEG im Grundsatz aus und die Geothermie behält die Förderung in Höhe von 25 ct. Wie bewerten Sie dieses Eckpunktepapier?

Wir sind froh darüber, dass grundsätzlich die Regelung für hydrothermale Geothermiekraftwerke konstant bleibt. Für die petrothermale Geothermie oder besser für EGS-Projekte sieht es jetzt so aus, als wäre der Zug abgefahren. Ich denke, man muss wegen der Einführung der EGS-Technologie einen neuen Ansatz für Möglichkeiten einer maßgeschneiderten Förderung finden. Es ist gerade wegen des großen Potenzials der petrothermalen Lagerstätten in Deutschland sehr wichtig zu zeigen, dass EGS-Technologie effizient und sicher zu betreiben ist. Dies kann wohl am besten durch ein Demonstrationsvorhaben gezeigt werden. Nach diesem Schritt kann man für eine weitere Förderung zur Markteinführung neue Finanzierungsmodelle entwickeln.

Und was passiert nach 2017? Wird die drohende Ausschreibung schon Auswirkungen auf heutige Projekte haben?

Prinzipiell verschließt sich die Branche nicht gegen neue Schritte zur Markteinführung. Die Tiefe Geothermie hat jedoch lange Planungs- und Realisierungszeiten. Bis heute ist aber jedes Kraftwerk im Zusammenhang mit den Bohrungen und dem genutzten Reservoir eine Einzelanfertigung, dies ist jedoch keine gute Voraussetzung für ein Ausschreibungsmodell. Für eine Standardisierung der Technologie benötigt die Tiefe Geothermie noch einen entsprechenden Weg auf der Lernkurve. Aus heutiger Sicht ist es schwer zu beurteilen, ob die Branche 2017 schon so aufgestellt ist, dass sie sich an Ausschreibungsmodellen beteiligen kann. Es ist vorstellbar, dass ein verpflichtendes Ausschreibungsmodell zu diesem Zeitpunkt einem Moratorium für neue Geothermiekraftwerke Vorschub leisten würde.

In diesem Zusammenhang wird der Vertrauens- bzw. Bestandsschutz besonders wichtig. Was sollte sich hier ändern?

Derzeit gibt es den Bestandsschutz noch nicht. Das muss durch die EEG Novelle konkret geklärt werden. Die Branche erwartet Bestandsschutz bei Beauftragung der 3D-Seismik für die Vorerkundung.

Momentan liegt die installierte elektrische Leistung geothermischer Anlagen in Deutschland bei ca. 27 Megawatt. Für thermische Anlage über 250 Megawatt. Welche weiteren Anschlüsse erwarten Sie und was muss passieren, damit sich die installierte elektrische Leistung verdoppelt?

Im Bereich der hydrothermalen Geothermie kann sich die Leistung verdoppeln, wenn die in den Startlöchern stehenden, aber durch die Rechtsunsicherheit ausgebremsten Projekte bis 2016 umgesetzt werden könnten. Die Genehmigungen dazu liegen vor. Insgesamt erwarte ich auf dem hydrothermalen Sektor innerhalb der nächsten 10 Jahre eine elektrische Leistung von mindestens 500 MW, wobei aufgrund mangelnder Ressourcen hier schon nahezu ein Optimum erreicht sein kann. Um einen größeren Beitrag zu liefern, ist der Einstieg in die petrothermale Geothermie unabdingbar. Bis 2030 könnten mit dieser Technologie insgesamt etwa 2 GW elektrische Leitung installiert sein. Für die Wärmeversorgung ließe sich dabei eine Kapazität von etwa 20 GW thermischer Leistung realisieren. Die Region München mit der Landeshauptstadt geht jetzt schon mit gutem Beispiel voran. Bis 2040 soll hier eine Vollversorgung mit Geothermiewärme realisiert sein.

Die meiste Erfahrung im Bereich petrothermale Geothermie zieht man immer noch aus dem deutsch-französischen Forschungsprojekt im elsässischen Soultz-sous-Forêts. In welcher Region in Deutschland ist die Entwicklung zu einem kommerziellen EGS-Projekt am weitesten, oder wird es noch ein gefördertes Forschungsprojekt geben?

Durch den Betrieb der Anlage in Soultz-sous-Forêts erhält man jeden Tag neue Kenntnisse. Es ist richtig, dass man über den Begriff petrothermale Geothermie neu nachdenken muss. Wahrscheinlich ist es besser nur noch von EGS Projekten zu sprechen, sobald als Ressource kein entsprechend ergiebiger Aquifer zur Verfügung steht. Die bisherigen EGS Projekte Genesys und Groß Schönebeck zeigen, dass aufgrund der Reservoireigenschaften noch geforscht werden muss. Im Bereich kristalliner Grundgebirge ist das Projekt Schneeberg in Sachsen, für das bereits 3D-Seismik durchgeführt wurde, am weitesten gediehen. Einen weiteren Ansatz für ein Projekt im kristallinen Granit gibt es in Meiningen. Ich denke, dass eines dieser Projekte im kristallinen Granit vorangetrieben werden müsste, ähnlich wie das Projekt Soultz-sous-Forêts, wenn die Tiefe Geothermie im Rahmen der Energiewende für die zukünftige Versorgung mit EE Strom und insbesondere EE Wärme langfristig eine große Rolle spielen soll. Damit könnte der Weg zu kommerziellen EGS Projekten geebnet werden.

Herr Knapek, wir danken Ihnen für das Interview.

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