Neue Optimierungsansätze in der Kraftwerkstechnik

Thema im Fokus 01-2010 | Enerchange

Sowohl beim hydrothermalen Verfahren als auch bei der Anwendung der HFR-Technik zur Nutzung von Niederenthalpie-Geothermie stehen in Deutschland bislang ausschließlich zwei Stromerzeugungssysteme zur Verfügung: Die ORC- und die Kalina-Technologie. Während in Neustadt-Glewe und Landau das ORC-Verfahren Anwendung findet, werden die Kraftwerke in Unterhaching und Bruchsal nach dem Kalina-Prinzip betrieben. Beide Technologien nutzen Kreisprozesse, deren weitere Optimierung die Effizienz einer geothermischen Anlagen steigern kann.

Das ORC- ebenso wie das Kalina-Verfahren sind Kreisprozesse, in denen die über einen Wärmetauscher übertragene geothermische Wärme von einem Arbeitsmedium aufgenommen wird.  Während die ORC-Anlage mit einem organischen Arbeitsmedium betrieben wird, arbeitet die Kalina-Anlage mit einem anorganischen Gemisch aus Ammoniak und Wasser, das wie die für ORC verwendeten organischen Medien über einen niedrigeren Siedepunkt verfügt. Beide Verfahren erreichen abhängig von der Thermalwassertemperatur Prozesswirkungsgrade von ungefähr 10 bis 14 Prozent, was unter den Bedingungen in Deutschland einem Leistungsbereich der Anlagen von bis zu 5 MW entspricht. Die Prozesswirkungsgrade sind dabei nach oben hin durch den Wirkungsgrad des so genannten Carnot-Prozesses begrenzt. Er gibt an, welcher Anteil der zugeführten Wärme maximal in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. "Zielsetzung für alle Kraftwerksprozesse ist somit, eine möglichst gute Annäherung an diesen theoretischen, idealen Prozesswirkungsgrad zu erreichen", so Kathrin Rohloff vom Institut für Energietechnik der TU  Hamburg-Harburg.

Der Carnot-Prozess setzt voraus, dass die Wärme bei konstantem, hohem Temperaturniveau zugeführt wird und bei niedrigem und ebenfalls konstantem Temperaturniveau abgeführt wird. Dies wird bei realen Prozessen jedoch nicht realisiert, so dass dort die mittleren Temperaturen der Wärmezufuhr und der -abfuhr berücksichtigt werden müssen. "Der Prozesswirkungsgrad allein liefert jedoch noch keine Aussage über die Güte des Gesamtsystems, da keine Angabe enthalten ist, wie viel der Wärme des Thermalwassers an den Kraftwerksprozess übertragen wird", so Rohloff weiter. Eine echte Steigerung des Gesamtwirkungsgrades für alle Prozesse wäre zum Beispiel durch die Reduzierung der Temperatur bei der Wärmeabfuhr und die Anhebung der Komponentenwirkungsgrade erreichbar.*

Der Technologieanbieter Cryostar will mit einem überkritischen Arbeitsmedium den Kraftwerkskreislauf optimieren und so den Wirkungsgrad der geothermischen Anlage erhöhen. Ein überkritischer ORC ist durch die Ausdehnung eines Fluids über die kritische Temperatur und den kritischen Druck hinaus definiert. Der kritische Punkt repräsentiert die höchste Temperatur und den höchsten Druck, bei der das Arbeitsfluid noch im flüssigen und gasförmigen Gleichgewicht existieren kann. "Im Vergleich zu einem unterkritischen Isobuten-Kreislauf kann mit einem überkritischen Propan-Kreislauf bis zu 30 Prozent mehr Strom erzeugt werden. Es ist somit die beste Möglichkeit, mit einer einzelnen Turbine aus dem Thermalwasser mit einer großen Temperaturdifferenz Strom zu gewinnen", so Damien Thiolet, zuständig für den Bereich der Unternehmensentwicklung bei Cryostar.

Wirtschaftlich einsetzbar sind diese Kraftwerkstypen bisher bei Temperaturen ab 120 °C und Schüttungen von über 60 L/s. Inzwischen gibt es auch verschiedene kleine ORC-Anlagen, die bei Temperaturen unter 100 °C Strom produzieren. Ihr Wirkungsgrad ist noch geringer und die Leistungen liegen zum Teil bei maximal etwa 200 kW. Diese Anlagen sind vor allem in Kombination mit der Wärmenutzung interessant, wenn im Sommer keine Wärme abgenommen wird, aber dafür Strom produziert und eingespeist werden kann.

Weitere Ansatzpunkte, den Gesamtwirkungsgrad eines Geothermiekraftwerks zu erhöhen liegen in der technischen Verbesserung von Kraftwerkskomponenten, etwa dem Wärmeübertrager, der Turbine und dem Generator sowie in der Optimierung des Kühlungsprozesses. Allerdings sind der Auswahl geeigneter Kühlverfahren Grenzen gesetzt, da die Prozesstechnik stark von genehmigungsrechtliche Vorgaben und damit vom jeweiligen Kraftwerkstandort abhängig ist.

Die Konzeption von geothermischen Niederenthalpie-Kraftwerken und die Optimierung von Kraftwerksprozessen sind auch Schwerpunktthemen des Workshops "Kraftwerkstechnik", der am 19. Mai 2010 im Rahmen der 6. Internationalen Geothermiekonferenz (IGC 2010) in Freiburg stattfindet. Weitere Informationen zur Konferenz und die Möglichkeit, sich online anzumelden finden Sie unter www.geothermiekonferenz.de.

*aus: Rohloff, K.; Kather, A.: Wie funktioniert die Stromerzeugung aus Niederenthalpie-Geothermie?; In: Leitfaden, Entwicklung von Geothermieprojekten, Die drei Phasen bis zur Realisierung eines Geothermiekraftwerks; Hrsg.: Enerchange (Brian, M.; Schneider, J.); Oktober 2009; S. 99-102