Online-PR: Erst kommt die Pflicht, dann die Kür

Thema im Fokus 04-2012 | Enerchange

Alle Welt redet von Social Media und Web 2.0. Sicher nicht zu Unrecht, denn Plattformen wie Facebook oder Twitter haben die bisherige Einbahn-Kommunikation im Netz um eine Dialogmöglichkeit ergänzt, die stetig an Bedeutung zunimmt. Statt nur zu rezipieren wird der Leser und Verbraucher plötzlich selbst zum Produzenten von News und Meinungen: er schreibt Kurzmitteilungen, verfasst seinen eigenen Blog oder „posted“ Informationen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass mancher Projektentwickler oder Anlagenbetreiber die Frage umtreibt, wie er damit umgehen soll.

Dabei gerät leicht das Wesentliche aus dem Blick: Nicht alles, was für die Kommunikation von Nike, Greenpeace oder Nestlé derzeit prioritär ist, muss genauso wichtig für jemanden sein, der ein regionales Energie-Projekt umsetzen will. Auch hunderte Follower bei Twitter helfen nichts, wenn beispielsweise die lokale Agenda-21-Gruppe nicht von dem Projekt überzeugt ist oder sich nicht eingebunden fühlt. Der persönliche Kontakt und die Glaubwürdigkeit der vor Ort Handelnden sind durch keine Online-Aktivität zu ersetzen.

Dennoch sollte Online-PR natürlich fester Bestandteil der Informationsstrategie für ein neues Geothermieprojekt sein. Aber auch hier kommt vor der Kür die Pflicht – und die besteht darin, erst einmal die traditionellen Instrumente der Online-Kommunikation zu nutzen. So spielen Suchmaschinen nach wie vor eine zentrale Rolle für den ersten Informationszugang. Die Suche nach „Wiesbaden“ und „Geothermie“ beispielsweise bringt insbesondere Treffer, die von der Flutung der Wiesbadener Innenstadt durch eine fehlerhafte Geothermiebohrung berichten. Kein einfacher Start für das Projekt der Stadt Wiesbaden.

Daraus lässt sich lernen, dass man alles dafür tun sollte, damit die eigenen Informationen bei den Suchergebnissen nach relevanten Stichworten ganz weit oben gelistet sind. Entsprechend muss zum Beispiel die Projekthomepage optimiert, ein Eintrag bei Wikipedia angelegt und Pressemitteilungen auch über die wichtigsten Online-PR-Portale verbreitet werden. Erst danach sollte man sich den sozialen Netzwerken zuwenden – nicht zuletzt, weil auch das sich natürlich positiv auf das Suchmaschinenmarketing auswirkt.

Aber auch wenn man sich als Projektentwickler nicht sofort und in erster Linie mit dem Web 2.0 beschäftigen muss – eines lehrt die Entwicklung in den sozialen Netzen schon: Bei Öffentlichkeitsarbeit kommt es verstärkt auf eine Dialogorientierung an, auf das bewusste und dauernde Bemühen, gegenseitig Verständnis aufzubauen und Vertrauen zu pflegen. Online wie offline.

Was aber bedeutet Dialogorientierung auf Twitter oder Facebook? Zunächst einmal sollten die sozialen Plattformen nicht ausschließlich als weitere Kanäle missverstanden werden, über die man lediglich die Inhalte seiner Presseinformationen verschickt. Die eigenen Botschaften sind nur Teil eines größeren Nachrichtenstroms, der sich konsequent an den Interessen der Zielgruppen ausrichtet. Wer dem örtlichen Fußballverein zum Aufstieg oder der Weinkönigin zur Wahl gratuliert, zeigt, dass er sich für den Ort mehr interessiert als nur für den Untergrund. Statt sich selbst zu beweihräuchern, muss man das Publikum mit einer geeigneten Mischung aus Unterhaltung, Wissenswertem und Nützlichem für sich gewinnen.

Die eigenen Zielgruppen lassen sich besonders gut auf Twitter ansprechen. Unter Umständen ist Ausdauer und Kreativität nötig, um mit den richtigen Suchabfragen seine Dialogpartner zu finden. Sind sie ausfindig gemacht, schweift man wie auf einem Stehempfang von Grüppchen zu Grüppchen und steigt bei passender Gelegenheit ins Gespräch ein. Dabei ist zuhören wichtiger als drauflosplappern. Und wer Fragen stellt oder Diskussionen anregt, kommt besonders gut ins Gespräch.

Die wenigen Beispiele dürften deutlich machen: Social Media macht man nicht einfach mal schnell nebenher. Schon deshalb sollte man vor der Kür die Pflicht nicht vergessen – und erst einmal das Nächstliegende erledigen.

Online-PR ist auch ein Thema des Workshops „Öffentlichkeitsarbeit“ im Rahmen der 8. Internationalen Geothermiekonferenz in Freiburg. Der Berliner Spezialist für Online Relations Dominik Ruisinger wird dort die wesentlichen Aspekte und Funktionen von Websites, Online-Pressearbeit, E-Mail-Newsletter und Social Media erläutern und mit den Teilnehmern diskutieren. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit unter: www.geothermiekonferenz.de