Großes Interesse an Bürgerversammlung in Mauerstetten

19.04.2013 | EGS | Jochen Schneider

250 Teilnehmer kamen gestern Abend nach Mauerstetten zur ersten öffentlichen Informationsveranstaltung des BMU-Forschungsprojekts "Geothermie Allgäu 2.0", um mit dem Projektbetreiber Exorka und Forschungspartner über viele Fragen zum geplanten Projekt zu diskutierten.

In seiner Begrüßung bemerkte Bürgermeister Holderried der Allgäuer Gemeinde Mauerstetten, dass das geplante BMU-Forschungsprojekt "Geothermie Allgäu 2.0" der Projektentwicklungsfirma Exorka mittlerweile großes Interesse in der Bevölkerung findet. Man wolle an diesem Abend eine neutrale und sachliche Veranstaltung durchführen mit dem Ziel, dem Projektentwickler sowie den beteiligten Forschungsinstitutionen und Firmen die Möglichkeit zu geben, das Projekt genauer vorzustellen. Das Bergamt Südbayern hatte im Vorfeld seine Teilnahme abgesagt, um in dem laufenden Verfahren seine Neutralität zu wahren.

Die Moderation der Veranstaltung übernahm Dr. Horst Kreuter, Geschäftsführer der Firma Geothermal Engineering aus Karlsruhe, die selbst am Projekt beteiligt ist. Kreuter ist internationaler Gutachter der Weltbank und Vizepräsident der International Geothermal Association. Curd Bems, Geschäftsführer von Exorka, erklärte zu Beginn, dass es in Mauerstetten bereits eine 4.000 Meter tiefe Geothermiebohrung gibt. Sie wurde im Jahr 2008 fertiggestellt, war aber leider nicht fündig. Diese soll nun im Rahmen des 2011 initiierten BMU-Forschungsprojektes nutzbar gemacht werden.

Prof. Dr. Broder Merkel von der TU Bergakademie Freiberg (TUBAF) erläuterte in seinem Vortrag die geplanten Maßnahmen und stellte klar, dass in Mauerstetten nicht gefrackt werden soll, sondern beabsichtigt ist, das Kalkgestein mit Salz- und Kohlensäure zu stimulieren. Großen Wert legte Merkel darauf, dass am Bohrlochkopf nur ein Druck von 314 bar anliegen werde, der deutlich unter dem kritischen Frac-Druck der Gesteine ist. Eine wichtige Rolle bei der Stimulation spielt dabei die Kohlensäure. Denn im Gegensatz zu Salzsäure, die bei der Erschließung von fast allen Tiefbrunnen verwendet wird und nur im Nahbereich des Bohrlochs wirkt, erreicht man mit Kohlensäure auch die weiter entfernt liegenden Bereiche für eine Stimulation. Dafür verpresst man in das trockene Bohrloch zuerst flüssiges Kohlendioxid. Wird anschließend Wasser eingeleitet, so reagiert es mit dem Kohlendioxid zu Kohlensäure, die dann auf besonders schonende Weise das Kalkgestein löst. In 4.000 Meter Tiefe werden somit erstmals Wasserwegsamkeiten durch künstliche Verkarstungsprozesse geschaffen, die es auf natürlichem Wege in den Karbonaten unter Mauerstetten bisher nicht gibt. Hierzu wurden bereits erfolgreich Labortests mit Analoggesteinen durchgeführt. Die Methode wurde bereits an der TUBAF patentiert.

Dr. Stefan Baisch von der Firma Q-con ging in seinem Vortrag auf die natürliche Seismizität ein und beschrieb die Gegend um Mauerstetten als aseismisch. "Auf Grund der geologischen Bedingungen gibt es ein sehr geringes Risiko für spürbare Seismizität", erklärte Baisch. Es wurde aber eine seimische Überwachung mit fünf Bohrlochgeophonen konzipiert, für die Messsonden in flachen Bohrungen installiert sind. Das Ziel dieser Überwachung ist die Vermeidung von Schäden. Wie bei zahlreichen anderen Projekten auch, wird dies über ein Ampelsystem kontrolliert. Die kritische Grenze liege bei einer Magnitude von 1,8 auf der Richterskala. Die Schadensgrenze in Mauerstetten gab er für ein seimisches Ereignis in ca. vier Kilometer Tiefe mit einer Magnitude von 2,6 an.

Abschließend stellte Stephan Hild von Exorka den weiteren Projektzeitplan vor. Da immer noch kein Bescheid vom Bergamt vorliege, gehe er nicht mehr von einem Beginn der Arbeiten in diesem Jahr aus. Nach Eingang des Bescheides müssten die Tests vorbereitet und eine Versicherung abgeschlossen werden. Außerdem müsse zum passenden Zeitpunkt auch ein Bohrgerät verfügbar sein und errichtet werden. Zu Beginn der Arbeiten werde dann das Bohrloch geöffnet, befahren und gereinigt. Dann erst würde mit den Tests zur Säurestimulation begonnen. Im Moment ist jedoch noch ungewiss, wann die Arbeiten beginnen.

In der nachfolgenden zweistündigen Diskussion mit den Einwohnern aus Mauerstetten und den umliegenden Gemeinden standen verschiedene Themen im Fokus. So wurde auf die Geschehnisse durch die Anydritquellung in Staufen hingewiesen, die Ängste vor dem für viele Zuhörer Unbekannten und Unverständlichen thematisiert, aber auch konkrete Fragen zur Haftung und zu der Vorgehensweise bei Schadenseintritt gestellt.

Der erste Fragende begrüßte, dass es die Veranstaltung zu dem Projekt gibt, zweifelt aber auch die Neutraliät der Veranstaltung an, da nur Vertreter der Betreiberseite auf dem Podium säßen. Auf die Frage, warum eine solche Veranstaltung nicht bereits früher, vor Ende der Einspruchsfrist, gegeben habe, erwiderte Bürgermeister Holderried, dass seinerzeit zur ersten öffentlichen Gemeinderatssitzung während der Einspruchsfrist, lediglich zwei Interessenten aus angrenzenden Nachbargemeinden kamen. Jetzt wurde ein zweiter Anlauf zu einer ersten öffentlichen Veranstaltung genommen, zu der der Projektentwickler und die Beteiligten eingeladen wurden. Er sei überwältigt von dem großen Interesse. Damit habe er nicht gerechnet.

Auf die Fragen zur Haftung und was passiere, wenn die seismischen Werte zu hoch sind, antwortete Stefan Baisch, dass die festgelegte Ampel verbindlich ist.  Werden die Schwellenwerte erreicht, so wird das Projekt abgebrochen, so Baisch. Auf die Nachfrage, ob auch im Betrieb das Monitoring weiterläuft, antwortete Baisch, dass das Monitoring erst einmal für die Tests geplant ist. Er gehe aber davon aus, dass wie in anderen Projekten auch im Betrieb überwacht wird und hier die gleichen Regeln gelten: bei Überschreiten der Schwellenwerte wird das Projek beendet. Zur Haftungsfrage, wenn doch irgendwelche Schäden aufträten, äußerte sich Curd Bems: "Der Bergunternehmer muss beweisen, dass er unschuldig ist. Diese Beweislastumkehr ist im Gesetz festgeschrieben." Er betonte nochmals, wenn von dem Projekt Gefahr auszugehen drohe, wird es beendet.

Auf die Frage, was bei der Stimulation alles zum Einsatz käme, antwortete Prof. Dr. Broder Merkel, dass neben Salz- und Kohlensäure auch Polymere und Tenside eingegeben würden. Thomas Muschalle, ebenfalls TU Bergakademie Freiberg, verdeutlichte, dass es sich bei den Polymeren um Mehrfachzucker (Polysaccharide), genauer Xanthane, handelt. Sie werden von Bakterien erzeugt. Tenside sind Seifen und werden zur Erhöhung der Viskosität verwendet. Bei den Stützmitteln handelt es sich um Industrieprodukte, dessen Zusammensetzung der Hersteller nicht veröffentlicht. Es gibt aber ein Produktdatenblatt, dass den Behörden zur Genehmigung vorgelegt werden müsse.

Zur Frage nach der verwendeten Menge von Salzsäure erklärte Broder Merkel, dass laut Betriebsplan ca. 100 Kubikmeter (100.000 Liter) Salzsäure mit einer Konzentration von 15 Prozent eingegeben würden, die sich in der chemischen Reaktion mit dem Gestein neutralisieren.

Moderator und Diskussionsleiter Horst Kreuter beendete gegen 21 Uhr die Diskussionsrunde. Sie endete mit einem Schlusswort des Bürgermeisters. Die Veranstaltung hat gezeigt hat, dass in der Bevölkerung viel Informationsbedarf vorhanden war und nach der Veranstaltung sicherlich auch noch weiterhin ist.