2D-Pilotseismiken: Wie antwortet der Untergrund?

07.09.2023 | Erkundung & Analyse

Nordrhein-Westfalen ist vielfältig – nicht nur über, sondern auch unter der Erde. In vier ausgewählten Regionen untersucht der Geologische Dienst NRW (GD NRW), wie die unterschiedlichen Gesteinsschichten mit seismischen Messungen erkundet werden können. Ziel ist es, die Nutzung der Geothermie für ganze Städte voranzubringen.

Eine wichtige Säule für eine erfolgreiche Wärmewende ist die Tiefengeothermie – gerade auch in Nordrhein-Westfalen mit seinem hohen Wärmebedarf für Haushalte und Industrie sowie vielen bestehenden Fernwärmenetzen. Bereits 2019 hat der Landtag von NRW daher fraktionsübergreifend beschlossen, den Einsatz der Geothermie zu fördern.

Auf dieser Grundlage hat das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIKE NRW) den GD NRW beauftragt, geothermale Untersuchungen des tiefen Untergrundes durchzuführen. Denn um die klimafreundliche Wärme aus der Tiefe nutzen zu können, sind geeignete wasserführende Gesteinsschichten erforderlich.

Vibrationsseismik ermöglicht einen Blick in die Tiefe

Die Vibrationsseismik ist eine bewährte Methode, um den Untergrund flächenhaft zu erkunden. Dabei kommt sie ohne Bohrungen oder andere Eingriffe in den Boden aus. Spezialfahrzeuge, sogenannte Vibro-Trucks, schicken Schallwellen mehrere tausend Meter in die Tiefe. Spezielle Mikrofone (sogenannte Geophone) empfangen und speichern die Reflexionen des Untergrundes.

Da die verschiedenen Gesteinsschichten die Schallwellen unterschiedlich stark reflektieren, kann ein Ultraschall-ähnliches Bild vom Untergrund erzeugt werden.

Auf diese Weise hat der GD NRW bereits im Jahr 2021 das zentrale Münsterland und 2022 das Rheinland zwischen Schwalmtal, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg erkundet. Städte und Stadtwerke in diesen Regionen bauen bereits auf den neu gewonnenen Erkenntnissen auf, um die geothermischen Potenziale für sie nutzbar zu machen.

Pilotseismik optimiert die Messparameter

Mit dem Projekt „2D-Pilotseismik“ untersucht der GD NRW im September und Oktober 2023 nun welche Messparameter – Signalstärke, Dauer der Vibrationen, Abstand der Geophone und Messpunkte – für welche Untergrundbeschaffenheit am besten geeignet sind. Mit diesen Erkenntnissen können künftige seismische Messungen des GD NRW oder von an der Erdwärme interessierten Kommunen optimiert werden.

„Die geologischen Strukturen sind in NRW ebenso vielfältig wie unsere Landschaften und Städte“, sagt Dr. Ulrich Pahlke, Direktor des GD NRW. „Deshalb haben wir vier unterschiedliche Regionen ausgewählt, um zu erkunden, wie der jeweilige Untergrund auf die verschiedenen Messparameter antwortet, das heißt, welche Reflexionen wir erhalten, wenn wir zum Beispiel die Signalstärke oder die Dauer der Vibrationszeit variieren.“

Während der Messungen bewegt sich ein Konvoi aus drei bis vier Mess- und Begleitfahrzeugen sehr langsam entlang der vorab festgelegten Messstrecken. An jedem Messpunkt bleiben die Vibro-Trucks etwa drei bis vier Minuten stehen und vibrieren in unterschiedlicher Stärke und Dauer. Die Schwingungen sind in der unmittelbaren Nähe der Fahrzeuge deutlich spürbar und die Motorengeräusche nehmen während des Messvorgangs zu. Außerdem kann es durch den langsam fahrenden Konvoi zu kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen kommen.

„Wir bitten die Anwohnerinnen und Anwohner um Verständnis für die Unannehmlichkeiten“, so Olaf Brenner von der mit den Messungen beauftragten Firma DMT GmbH & Co. KG. „Aber nach kurzer Zeit sind wir dann auch schon wieder weg. Unser Messtrupp stellt zudem mit Bodenschwingmessungen sicher, dass die Vibrationen keine für Gebäude kritischen Grenzwerte erreichen.“

Wichtige Informationen für künftige Messungen

Vier kurze Messlinien mit insgesamt ca. zwölf Kilometern Gesamtlänge sind geplant: in Ostwestfalen bei Herford, am Niederrhein bei Wachtendonk sowie zwei Strecken im Ruhrgebiet in den Regionen Bochum und Mülheim. Die Messungen werden auf jeder Strecke etwa vier bis sechs Tage dauern. Messbeginn ist am 12. September in Wachtendonk.

„Die einzelnen Strecken sind zu kurz, um Informationen zum konkreten Untergrundaufbau in den Regionen zu gewinnen“, erklärt Projektleiter Ingo Schäfer vom GD NRW. „Aber wir erhalten so wichtige Informationen für zukünftige Messungen. Letztlich ist das gut für die Wärmewende in NRW und damit für die Regionen und zukünftige Generationen.“

Was ist Geothermie?

Geothermie nutzt die in der Erdkruste enthaltene natürliche Wärme. Sie ist ganzjährig, rund um die Uhr und bei jeder Witterung verfügbar. Geothermie kommt ohne fossile Brennstoffe aus und ist daher umwelt- und klimafreundlich. Sie ist eine lokal vorhandene Ressource, die unabhängiger von Energieimporten macht und für Preisstabilität sorgt.

Bei der sogenannten hydrothermalen Geothermie wird Tiefenwasser genutzt, das durch eine tiefe Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das heiße Wasser seine Energie über Wärmetauscher an den Energieverbraucher – beispielsweise ein Fernwärmenetz, einen Industriebetrieb oder ein Gewächshaus – ab und wird anschließend wieder in die Tiefe geleitet.

Alle Informationen auf der Webseite

Auf unserer Website www.seismik.nrw.de sind umfangreiche Informationen über die Ziele und die Technologie zu finden. Im Bereich „Projekte“ werden die Messungen im Münsterland, im Rheinland und die neue Pilotseismik vorgestellt.

Auch in den sozialen Medien ist der GD NRW aktiv, Beiträge sind auf Instagram, Facebook und X (ehemals Twitter) unter @SeismikNRW verfügbar.

Quelle:

GD NRW