Keine Energiewende ohne tiefe Geothermie

30.05.2012

Auf der 8. Internationalen Geothermiekonferenz herrschte Optimismus – auch aufgrund bisheriger Betriebserfahrungen mit geothermischen Anlagen.

Aus den bisherigen Erfahrungen lernen und die Herausforderungen angehen – so könnte das Fazit der IGC 2012, der Internationalen Geothermiekonferenz, lauten, die vergangene Woche zum achten Mal in Freiburg stattgefunden hat. Vier Tage lange boten über 70 Referenten den insgesamt knapp 300 Teilnehmern einen umfassenden Einblick in den aktuellen Stand der tiefen Geothermie. Die Bandbreite der Themen reichte von Potenzialabschätzungen und Verbesserungen der Vorerkundung über Fragen der Finanzierung und Wirtschaftlichkeit bis hin zu Erfahrungsberichten mit geothermischen Kraftwerken und deren Bauteilen.

Gerade der letzte Punkt wird von den Teilnehmern zunehmend geschätzt. Viele Anlagen sind nun bereits einige Jahre in Betrieb und können so verstärkt als Grundlage für Verbesserungen in neuen Projekten dienen. Wolfgang Geisinger von der kommunalen Gesellschaft Geothermie Unterhaching rief in seinem Vortrag denn auch zu einem stärkeren Erfahrungstausch in der Branche auf. Nach rund drei Jahren Betrieb des Geothermiekraftwerks in Unterhaching und vielen Herausforderungen sah er Anlass zu Optimismus: Verbesserungen an der Tauchkreiselpumpe beispielsweise hätten sich in den vergangenen Monaten sehr positiv ausgewirkt. Auch in anderen Vorträgen zeigte sich, dass die tiefe Geothermie auf der Lernkurve vorankommt und in den kommenden Jahren ihren Beitrag zur Energiewende wird leisten können. 

Professor Jefferson William Tester von der Cornell University forderte deshalb in seiner Key-Note zum Kongressauftakt, dass die Geothermie in nationalen Energieplänen ein größeres Gewicht erhalten müsse, um die prognostizierten Leistungen des UN-Weltklimarates tatsächlich zu erreichen. Als Symbol einer geothermisch geprägten Energiewende diente das Beispiel Reykjavik, das früher regelmäßig unter einer Smogwolke verschwand. Heute ist Island dank seinen leicht zu erschließenden Lagerstätten Vorreiter in der Erdwärmenutzung, die Luft über Reykjavik wieder sauber und ein attraktiver Industriestandort.

Eine rein europäische Perspektive nahm Burkhard Sanner vom European Geothermal Energy Council ein. Die installierte Leistung tiefengeothermischer Kraftwerke auf dem Kontinent betrage derzeit zwar schon 1.620 Megawatt, so Sanner. Über 99 Prozent der Leistung komme jedoch aus den wenigen europäischen Hochtemperatur-Lagerstätten in Italien, Island und der Türkei. „Für das EU-Ziel 20 Prozent aus erneuerbaren Energien brauchen wir deshalb unbedingt EGS“, forderte Sanner. Unter dem Begriff Enhanced Geothermal System (EGS) versteht man geothermische Reservoire in mehreren tausend Metern Tiefe, deren Durchlässigkeit mit Hilfe von Wasserdruck erhöht wird. Dadurch lässt sich Erdwärme auch ohne das Vorhandensein von heißen Thermalwässern nutzen.

In der Schweiz startet Ende des Jahres die Exploration für drei EGS-Projekte an verschiedenen Standorten. „Auf Grund der geologischen Verhältnisse können wir Strom nur mit Hilfe von künstlich im Untergrund erzeugten Wärmetauschern produzieren“, erläuterte Peter Meier von Geo-Energie Suisse, einem Zusammenschluss von sieben Schweizer Energieversorgern. Damit es nicht wie in Basel zu Erschütterungen und Protesten in der Bevölkerung komme, setze man auf ein neues, in der Öl- und Gasindustrie erprobtes Verfahren. Mit einer horizontalen Bohrung und einer Vielzahl kleiner statt einem großen Wärmetauscher ließe sich das Ausmaß der Erschütterungen deutlich reduzieren, zeigte sich Meier überzeugt. Ein ausgeklügeltes Monitoring-System sorge zudem dafür, dass sich die Stimulationen gut steuern lassen.

Dass ein seismisches Monitoring  nicht nur der Überwachung dient, sondern dem Betreiber zudem wichtige Informationen über das Reservoir liefern kann, war das Thema von Emmanuel Gaucher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Denn die seismischen Überwachungsnetze können nicht nur kleinste Erschütterung unterhalb der Fühlbarkeitsschwelle registrieren und durch die nachfolgende Steuerung von Injektionsdruck und Fließrate dazu beitragen, dass weitere Erschütterungen verhindert werden. Mit etwas höheren Investitionskosten ließen sich die Netze auch als Grundlage für bildgebende Verfahren einsetzen, so Gaucher. So wird beispielsweise erkennbar, aus welchen Zonen im Reservoir tatsächlich gefördert wird oder wo man mit einer zusätzlichen Bohrung Zonen erschließen kann, die bislang noch nicht hydraulisch angeschlossen sind.

Aber nicht nur im technischen Bereich hat die tiefe Geothermie in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt. Auch in Finanzierungsfragen ist die Branche ein Stück weiter gekommen: So konnte Alexander von Dobschütz von der BayernLB berichten, dass die Bank im vergangenen Jahr erstmals auch privatwirtschaftliche Geothermieprojekte finanziert hat. Dies könnte dazu beitragen, dass zukünftig mehr Geothermie-Vorhaben realisiert werden. Denn nach Angaben von Benjamin Richter von Rödl & Partner werden in Deutschland die Projekte bislang fast zur Hälfte von der öffentlichen Hand und zu einem Viertel von Energieversorgern finanziert. Lediglich 25 Prozent würden Projektgesellschaften, Privatinvestoren, Fonds- und Equitiy-Gesellschaften stemmen.

Für die kommenden Jahre hat sich die Branche vorgenommen, die Wirtschaftlichkeit von Geothermiekraftwerken weiter zu verbessern. Andreas Utz von der gec-co Global Engineering & Consulting Company formulierte das Ziel, die Stromgestehungskosten aus Geothermie bis 2030 zu halbieren. In seinem Vortrag hob er die Bedeutung der Betriebskosten hervor, die über einen Zeitraum eine ähnliche Dimension annehmen wie die Kosten für den Kraftwerksbau oder für zwei Tiefbohrungen. Von besonderer Bedeutung seien außerdem die Kosten für den Stromeigenverbrauch. „Sobald ein Kraftwerk gebaut ist, lassen sich die Betriebskosten nur noch geringfügig beeinflussen“, gibt Utz zu Bedenken. Mit Beispielen veranschaulichte er, dass höhere Investitionskosten gerechtfertigt sind, wenn damit die Betriebskosten so gering wie möglich gehalten werden.

Weitgehend Einigkeit herrschte bei der Einschätzung, dass man künftig mehr tun müsse, um die Bevölkerung für neue Projekte zu begeistern. Rechtsanwalt Hartmut Gaßner sah in der Standortfindung einen der wichtigsten Schritte. Erste Schlussfolgerungen aus einer empirischen Analyse zur Verbesserung der PR präsentierte Diethard Weber vom Veranstalter Enerchange. Demnach müsse die Bevölkerung von Anfang in die Projektentwicklung eingebunden werden. Beobachtungen zeigten außerdem, dass ein konkreter Zusatznutzen, beispielsweise eine Gewinnbeteiligung der Gemeinde, die Akzeptanz verbessern. Haben sich Gegner in einer Bürgerinitiative zusammengefunden, dann gelte es zu bedenken, dass es sich fast immer um eine Minderheit handle, der man nicht alle Aufmerksamkeit schenken soll. Stattdessen müsse man in der Öffentlichkeitsarbeit alles dafür tun, damit die schweigende Mehrheit sichtbar wird.

Die Konferenz nutzten auch in diesem Jahr zahlreiche Unternehmen, um sich und Ihre Dienstleistungen den Teilnehmern zu präsentieren. Rund 15 Aussteller waren zu Gast, unter anderem die Freiburger Beratungsdienstleister Sterr-Kölln & Partner sowie das zur Linde-Gruppe gehörende französische Clean-Tech-Unternehmen Cryostar aus Hésingue. Die 9. Internationale  Geothermiekonferenz findet vom 15. bis 17. Mai 2013 statt. Weitere Informationen unter www.geothermiekonferenz.de.

> Registrierte Teilnehmer erhalten kommende Woche die Zugangsdaten zum kostenfreien Download der Vorträge der von ihnen besuchten Veranstaltungen. Alle anderen können die Tagungsunterlagen mit Vortrags-CD des Short Course bzw. des Kongresstags über agentur [at] enerchange.de - mail">agentur [at] enerchange.de zum Preis von jeweils 150 Euro zzgl. MwSt. bestellen. Die Vorträge der Workshops vom 23. Mai sind dabei inklusive.