Arbeitsmedien zur Stromerzeugung in Geothermiekraftwerken

Thema im Fokus 06-2013 | Marcus Brian

Der französische Physiker und Ingenieur Nicolas Léonard Sadi Carnot ist für die Nutzung geothermischer Ressourcen insbesondere in Niedrigenthalpie-Regionen wie Deutschland von entscheidender Bedeutung: Seine Betrachtungen zur Dampfmaschine und der nach ihm benannte Carnot-Kreisprozess legen den Korridor fest, in dem sich die geothermische Stromerzeugung bewegen kann. Bild entfernt.

Denn der von den Arbeitstemperaturen abhängige Carnot-Wirkungsgrad (Carnot-Faktor) gibt an, welcher Anteil der zugeführten Wärme maximal in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann, also wie effizient der Prozess der Stromerzeugung ablaufen kann. Bei einer Wärmequelle mit einer Temperatur von unter 150 °C hat und einer Umgebungstemperatur bei 20 °C liegt der maximale theoretische Wirkungsgrad demnach bei maximal 30% – mit anderen Worten: Aus einer Megawattsunde Wärme lässt sich unter diesen idealen Bedingungen bestenfalls 0,3 Megawattstunden Strom erzeugen.

In der Realität ist der erreichbare Brutto-Prozess-Wirkungsgrad geringer weil bei der Übertragung der Wärme vom Thermalwasser auf das eigentliche Arbeitsmedium Energieverluste auftreten. Diese Energieverluste zu minimieren und damit die Stromausbeute zu maximieren steht für den Betreiber eines Kraftwerkes deshalb im Vordergrund – immer mit dem Ziel, eine hohe Leistung bzw. ein gutes Teillastverhalten für einen möglichst attraktiven Preis zu erzielen. Zu den wichtigsten Stellschrauben gehört dabei die Wahl des Kreisprozesses (einstufiger, zweistufiger, dreistufiger, überkritischer ORC-Prozess oder Kalina-Prozess) und des Arbeitsmediums in Abhängigkeit der Thermalwassertemperatur und der nutzbaren Temperaturspreizung.

Dabei sollte die Wahl des Arbeitsmediums jedoch nicht nur unter thermodynamischen Gesichtspunkten erfolgen. Denn je nach Medium sind immer auch eine ganze Reihe von genehmigungsrechtlichen Fragen zu berücksichtigen. Zu beachten sind zum Beispiel Anforderungen bezüglich Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz, aber auch mögliche Änderungen bei der Zulassung von Kältemitteln wegen ihres Klimaerwärmungspotentials.

Bild entfernt.Als Arbeitsmedien eingesetzt werden Reinstoffe und Zwei-Stoff-Gemische. Während in Kalina-Anlagen auf ein Zwei-Stoff-Gemisch aus Amoniak und Wasser gesetzt wird, kommen in ORC-Anlagen in Deutschland aktuell nur Reinstoffe zur Anwendung. In Insheim und Landau beispielsweise wird Isoptentan verwendet, in den Kraftwerken in Sauerlach, Dürrnhaar und Kirchstockach wird das Kältemittel R245fa (1,1,1,3,3 Pentafluorpropan) zum Einsatz kommen.

Welches Arbeitsmittel für die jeweiligen örtlichen Bedingungen am besten geeignet sind, hängt sowohl von seinen thermodynamischen Eigenschaften als auch von seiner potentiellen Umweltgefährdung. So ist R245fa zwar im Gegensatz zu Isopentan nicht brennbar, dafür besitzt das Kältemittel ein höheres Klimaerwärmungspotential – deshalb ist es bei Verwendung dieses Arbeitsmittels ganz besonders wichtig, Leckagen so gut wie möglich zu vermeiden.

Das wesentliche thermodynamische Charakteristikum eines Arbeitsmediums ist seine Sättigungskurve mit der kritischen Temperatur und dem kritischen Druck. Oberhalb der kritischen Temperatur kann das Medium auch bei noch so hohem Druck nicht mehr kondensiert werden. Diese Größen sind wesentliche Parameter wenn es um die Auswahl eines Arbeitsmediums und die möglichst gute Anpassung an das Temperaturprofil der Wärmequelle geht. So liegt zum Beispiel die kritische Temperatur des Mittels R134a bereits bei rund 101 °C (eingesetzt in Simbach-Braunau), während beispielsweise Isobutan (eingesetzt in Soultz-sous-Forêts) seine kritische Temperatur erst bei rund 135°C erreicht.
 

Bild entfernt.Eine Optimierung des Wärmeübertragungs- prozesses lässt sich auch dadurch erreichen, dass statt einem Reinstoff Zweistoffgemische wie Ammoniak-Wasser eingesetzt werden. Deren Vorteil: Sie können durch Veränderungen der Zusammensetzung besser an die jeweiligen örtlichen Bedingungen angepasst werden und gewährleisten dadurch eine bessere Wärmeübertragung. Im Unterschied zu Reinstoffen verdampfen diese Gemische nicht isotherm, weil sich während des Verdampfens die Zusammensetzung der Dampfphase und der Restlösung ändert. Weil aber die im Kalina-Prozess verwendeten Gemische komplexere und damit teurere technische Installationen nach sich ziehen, wird auch für den ORC-Prozess nach Gemischen gesucht, die eine bessere Anpassung des Arbeitsfluids an die Wärmequelle und damit eine Steigerung des elektrischen Wirkungsgrads ermöglichen. Als potentielle Gemischkomponenten kommen sowohl natürliche als auch fluorierte Kohlenwasserstoffe in Betracht.

Bei all den thermodynamischen Überlegungen bei der Auswahl eine Arbeitsmediums sollte aber bereits in einem frühen Stadium auch die genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen für das geplante Projekt genau geprüft werden, da gegebenenfalls vorgeschriebene Investitionen zum Beispiel in Brand- und Explosionsschutz oder andere Sicherheitsmaßnahmen eventuell die Vorteile eines Arbeitsmediums aufgrund seiner effizienteren Wärmeübertragung wieder zu Nichte machen können.
 

Die richtige Auswahl des Arbeitsmediums für Geothermiekraftwerke in Niedrigenthalpieregionen steht auch im Fokus des Short Course „Kraftwerksbau - Herausforderungen und Lösungen“, der am 15. Mai 2013 im Rahmen der 9. Internationalen Geothermiekonferenz stattfindet. Dort wird zum Beispiel Hanna Mergner von der EnBW Energie Baden-Württemberg zum Thema „Arbeitsfluide in Binärkraftwerken - Auswahlkriterien und Effekte auf den Kreisprozess“ vortragen; Thomas Anderlohr von enpros consulting erklärt, was bei der Wahl des Arbeitsmediums bezüglich gesetzlicher Vorgaben beachtet werden sollte.

Hier finden Sie das vollständige Programm des Short Course. Die reguläre Anmeldefrist läuft noch bis zum 6. Mai. Spätere Buchungen sind möglich, aber mit einem Aufpreis belegt. Hier geht es zur Anmeldung.