Nachdem sich die Kommission Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel auf den Kohleausstieg bis 2038 - mit Option für einen früheren Ausstieg bis 2035 - geeinigt hat, soll die Bundesregierung nun bis Ende April 2019 die Eckpunkte für ein Gesetz zum schrittweisen Kohleausstieg und einer auch in Zukunft gesicherten Energieversorgung vorlegen. „Dabei gilt es immer wieder die drei Grundkriterien zu beachten, nämlich Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit der Energie und Klimaschutz", wird Regierungssprecher Steffen Seibert auf der Informationsseite der Bundesregierung zitiert. Bundeswirtschaftsminister Altmaier unterstreicht „Wir brauchen Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze gleichermaßen.“
Früherer Ausstieg wird geprüft
Die Stadtwerke München (SWM) begrüßen die Einigung der Kommission und die damit verbundenen Maßnahmen, den Ausstieg aus der Kohleverstromung schrittweise und gesichert vorzunehmen ebenso wie einen Kohlenausstieg vor 2038 in Betracht zu ziehen. „Ich bin überzeugt, dass durch den früheren Ausstieg bereits 2035 die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird. Der Ausstieg ist ein wichtiger Schritt, um die erneuerbaren Energien weiter voran zu bringen“, so Dr. Florian Bieberbach, Vorsitzender der SWM Geschäftsführung in einer Pressemitteilung der SWM vom 26. Januar 2019. Tatsächlich will die Kommission auch die Option für einen früheren Ausstieg prüfen.
40 Milliarden Euro will der Bund zur Verfügung stellen, um den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sozialverträglich abzufedern.
Reihenfolge der Abschaltung wichtig für die Klimaschutzwirkung
Konkret ist vorgesehen bis 2022 insgesamt 12,5 Gigawatt (GW) Leistung und bis 2030 25,6 GW Leistung vom Netz zu nehmen. Damit würde die Kohlekraftwerksleistung bis 2030 auf 17 GW Braun- und Steinkohle reduziert und mehr als halbiert. So könnten die Klimaziele der Bundesregierung im Energiesektor gerade noch erreicht werden.
Die Ergebnisse der Kommission ebneten den Weg zur notwendigen Dekarbonisierung unserer Ökonomie in den nächsten Jahrzehnten, so Dr. Florian Bieberbach. Dabei betont er, dass ein besonderes Augenmerk auf die „Reihenfolge der Abschaltung der Kohlekraftwerke“ gelegt werden sollte.
Um die Sektorziele zu erreichen und schnell deutliche CO2-Einsparungen zu erzielen, ist es sinnvoll sich bei der Festlegung der Reihenfolge an den CO2-Vermeidungskosten zu orientieren. Es gelte Braunkohle- vor Steinkohlekraftwerken und ungekoppelte vor gekoppelten Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) vom Netz zu nehmen. Dies führe zudem zur nötigen Planungssicherheit für Unternehmen und Investitionen in erneuerbare Technologien würden marktgetrieben angereizt, so Dr. Bieberbach weiter.
CO2-Preis würde Lenkungswirkung entfalten.
Die SWM beurteilt den Vorschlag der Kommission, eine CO2-Bepreisung mit Lenkungswirkung einzuführen, als "sehr wichtig". Darüber hinaus sei es von Bedeutung, einen gemeinsamen, europäischen Ansatz zu entwickeln. Um eine echte Steuerungswirkung, die Dekarbonisierungsziele sowie die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf europäischer Ebene zu erreichen und zu erhalten, sollte europaweit ein Mindestpreis für CO2-Zertifikate eingeführt werden. „Ein alleiniger deutscher Ansatz greift hier zu kurz“, so Dr. Bieberbach.
Von der Kommission wird empfohlen „adäquate und langfristige Rahmenbedingungen für KWK-Anlagen“ zu schaffen, zu denen unter anderen auch Fernwärmenetze und geothermische Anlagen gehören. „Die SWM hat seit langem die wichtige Rolle der KWK-Anlagen erkannt […] und setzt seit Jahren auf deren Ausbau und Weiterentwicklung, wie die ambitionierten Anstrengungen der SWM im Bereich der Geothermie zeigen.“, so Dr. Bieberbach. Als ebenso wichtig wird von der SWM wie auch von der Kommission, die Überarbeitung des bestehenden Entgelt- und Abgabensystems angesehen. Dr. Bieberbach fordert, alle Energieträger sektorübergreifend entsprechend ihrer CO2-Emissionen mit einer Umlage auf Basis des jeweiligen Energieverbrauchs zu belegen.
Kompensation der Kohlekraft durch Geothermie?
Nach diesen Vorschlägen stellt sich die Frage, wie die reduzierte Kraftwerksleistung in Deutschland kompensiert werden kann, um die Energieversorgung sicherzustellen.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Energieversorgung langfristig sicherzustellen, wird ein Energiemix verschiedenster Formen erneuerbarer Energien benötigt. Die Geothermie kann dazu einen bedeutenden Beitrag leisten.
Sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor sollte die Geothermie in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Im Gegensatz zu Wind und Sonne ist sie grundlastfähig, da die Erdwärme jahreszeiten- und wetterunabhängig verfügbar ist. Im Vergleich mit allen anderen Arten der Energieerzeugung (fossil und regenerativ) schneidet die tiefe Geothermie auch in der Lebenszyklusanalyse sehr gut ab, wie Studien des Umweltbundesamtes (UBA) belegen, die auf dem Praxisforum Geothermie.Bayern im Oktober 2018 vorgestellt wurden.
Bei gekoppelter Erzeugung von Strom und Wärme erzielt die Geothermie sogar noch eindrucksvollere Ergebnisse. Da die regenerative Wärmeerzeugung als bilanzielle Gutschrift auf dem Emissionskonto gebucht wurde, ergaben sich für Geothermiekraftwerke sogar negative Treibhausgas-Emissionen. Für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele zählen die gesamten Emissionen, umso wichtiger ist es, Strom- und Wärmeerzeugung zu koppeln. So vergab das UBA für die Geothermie das Prädikat „Klimafreundlichste erneuerbare Energiequelle“ (UBA 2017).
Mit 100 Terrawattstunden (TWh) Wärme bis 2050 ist das geothermische Potential gewaltig. „Biomasse ist viel zu kostbar zum Verheizen“, so die Autorin Christiane Lohse, in der 2017 erschienenen Studie. Für die Studie hat Lohse verschiedene Studien des UBAs ausgewertet und kommt zu dem Schluss „Geothermie ist die klimafreundlichste erneuerbare Energiequelle, die uns zur Verfügung steht. Ohne ihre Nutzung wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen.“ Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE sieht die Tiefengeothermie zur Versorgung von Fernwärmenetzen sowie Erdwärmepumpen für Einzelgebäude als die auch ökonomisch sinnvollste Lösung an.
Auch der Bundesverband Geothermie stellt in seiner Pressemitteilung vom 25. Januar 2019 heraus: „Der beschlossene Kohleausstieg ist durch den Ausbau von Geothermie in den betroffenen Regionen zu begleiten. Geothermie nutzt die vorhandene Fernwärme-Infrastruktur, ist platzsparend und reduziert den Kohlenstoffdioxidausstoß erheblich. […] Angewandte Forschung für Geothermie ist entscheidend, um diese wettbewerbsfähiger zu machen.“