Tiefegeothermie im Norddeutschen Becken

Thema im Fokus 4-2015 | Jochen Schneider

Die Tiefengeothermie im Norddeutschen Becken scheint langsam aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. Mittlerweile haben sich neben den bestehenden Projekten, die seit Jahren in Nordostdeutschland zuverlässig Energie produzieren auch in Niedersachsen einiges entwickelt. Auf Initiative der Landesregierung wurden verschiedene Machbarkeitsstudien erstellt, die einen positiven Ausblick auf die geothermische Nutzung geben. Unter anderem auch, weil das Norddeutsche Becken auf Grund der jahrelangen Erdöl- und Erdgasexploration und -gewinnung sehr gut erforscht ist.

Für die meisten geothermischen Projekte im Norddeutschen Becken ist das Ziel die Wärmenutzung. Typischerweise wird dafür mit schon vorhandenen „Alt“- Daten gearbeitet. Es gibt im Norddeutschen Becken ein sehr dichtes Netz von 2D Seismik-Linien, die in den 1960er bis 1990er Jahren von der Ölindustrie zur Exploration akquiriert wurden. Daher ist die Akquisition von neuer 3D Seismik im Norddeutschen Becken noch nicht so üblich wie beispielsweise in der Bayerischen Molasse, wo nur sehr selten auf Alt-Daten zurückgegriffen werden kann.

„In den Alt-Daten sind die Reflektoren, die die Lage der mesozoischen Schichten und die der Zechsteinoberfläche abbilden, in der Regel gut aufgelöst und gut interpretierbar. Die Reflektoren im Liegenden des Salzes sind weniger gut interpretierbar, teils müssen sie durch Hilfsflächen konstruiert werden. Das liegt im Wesentlichen an dem ursprünglich höher gelegenen Explorationszielen der Ölindustrie, sowie an der stark dämpfenden Wirkung der Salzeinheiten“, verdeutlicht Silke Bißmann von der DMT GmbH & Co.KG.

Auch wenn die Elektronik und dadurch die Möglichkeiten in der Aufzeichnungstechnik riesige Fortschritte erzielt haben, hat sich das Prinzip der seismischen Messung doch kaum geändert. So kann durch modernes Reprocessing der Alt-Daten, ausgelegt auf die Erkundungsziele der Geothermie, eine deutliche Steigerung des Informationsgehalts erreicht werden.

Die neu bearbeiteten Seismiken können besser geologisch interpretiert werden und geben dann einen guten Überblick über die Strukturen im Untergrund des Erlaubnisfeldes. In einigen Fällen wird der vorhandene Alt-Datensatz schon im frühen Projektverlauf durch neue 2D-Seismik ergänzt, wenn z.B. nicht genügend Alt-Daten zur Verfügung stehen oder diese qualitativ unzureichend sind.

Es existieren darüber hinaus im Norddeutschen Becken Bohrungsinformationen von unzähligen Explorationsbohrungen der Kohlenwasserstoffindustrie. Die vorhandenen Bohrdaten können in der Regel von den Geothermie-Projekteignern angekauft werden. Häufig kann mit den reprocessierten Seismik-Daten und den Bohrungsinformationen schon eine erste Planung im Rahmen einer Machbarkeitsstudie erfolgen.

„Mit der Förderung von Machbarkeitsstudien durch das Land Niedersachsen hat die Tiefengeothermie in Norddeutschland einen deutlichen Impuls erhalten. Nach unserem Kenntnisstand sind derzeit zwölf tiefengeothermische Projekte in Norddeutschland in Planung. Die Projekte Bad Bevensen, Flughafen Hannover, Emden, Heede und Soegel werden hier ganz konkret mit jeweils 250.000 Euro gefördert“, so Prof. Dr. Dieter Michalzik.

Weitere Projekte sind in Göttingen und in Schwerin schon sehr weit fortgeschritten. In Göttingen plant die Georg-August-Universität tiefe Geothermie in das Energiekonzept der Universität zu integrieren. Dafür wurden im Frühjahr seismische Messungen durchgeführt. In Schwerin wollen die Stadtwerke ein Wärmeprojekt realisieren, um damit den Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung zu erhöhen.

In den nächsten zwei bis drei Jahren könnten mindestens acht Projekte in die Realisierung gehen, wenn die Finanzierung für die Erschließung geregelt werden kann. Dies wären hydrothermale und auch EGS-Projekte. Die Machbarkeitsstudien für diese Projekte sind bereits mit positiver Prognose abgeschlossen worden, oder stehen kurz vor dem Abschluss. Ein Problem bei der Finanzierung und Durchführbarkeit ist allerdings auch hier in Norddeutschland die Frage, ob die Versicherer in Zukunft bereit sein werden die Fündigkeit bzw. den Erfolg von Stimulationsmaßnahmen (EGS) zu versichern.

Bisher wurden noch keine kommerziellen EGS-Projekte in Norddeutschland realisiert. Erfahrungen mit der Technologie sind jedoch aus den Forschungsprojekten Groß Schönebeck und Genesys durchaus vorhanden.

Anders sieht es im Bereich der mitteltiefen Geothermie aus. Hier konnten aktuell zwei Projekte realisiert werden. Das Nettebad Osnabrück betreibt seit etwa zwei Jahren erfolgreich eine Dublette, die bis in den Muschelkalk abgeteuft wurde und in Nienburg sind derzeit zwei CO2-Sonden à 400 Meter (ein Glattrohr und ein Wellrohr), deren Endhorizont die Unterkreide ist, im Testbetrieb.

In Vorbereitung ist derzeit ein weiteres mitteltiefes Geothermieprojekt in Wolfsburg für das Ganzjahresbad. Die notwendigen Gelder sind freigegeben, eine Durchführung ist Ende 2015 / Anfang 2016 in Abhängigkeit vom Genehmigungsverfahren geplant. Gebohrt werden soll eine Dublette mit zwei Bohrungen à 700 Meter Länge bis in den Muschelkalk. Sollte diese nicht fündig werden, ist als Alternativszenario eine Sonde mit ca. 900 Meter Tiefe vorgesehen.

Die Projekte in Wolfsburg und Göttingen werden auch im Rahmen der 8. Norddeutschen Geothermietagung am 7. Oktober 2015 im Geozentrum Hannover vorgestellt. Programm und Anmeldemöglichkeiten sind auf der Webseite der Veranstaltung zu finden.

 

Quelle: Geodienste, DMT GmbH & Co. KG

Bildquelle: LIAG: Temperaturen in 3.000 Meter Tiefe mit Bohrungen

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