Die Türkei hat das geothermische Nischendasein verlassen und sich in der Top 10 der führenden Geothermie-Nationen etabliert. Durch die Öffnung und Privatisierung des Marktes sieht das Land auf eine prospektive Zukunft in Sachen Erneuerbare Energie.
Bereits seit einigen Jahren arbeitet die Türkei am Ausbau der Erneuerbare-Energie-Branche. Besonders die Tiefe Geothermie erfuhr in den letzten fünf Jahren einen rasanten Zubau. Im Jahr 2010 betrug die installierte Leistung noch 94 Megawatt elektrisch (MWel). Mit dem zuletzt erfolgten Anschluss eines Kraftwerks in West-Anatolien im Januar 2016 stieg die aus Tiefer Geothermie erzeugte Leistung innerhalb der letzten fünf Jahre sprunghaft auf 635 MWel. Damit liegt die Türkei mittlerweile auf Platz 8 der weltweit führenden Geothermie-Nationen und hat bereits Japan und Kenia auf die Plätze verwiesen. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch lange nicht in Sicht.
Die Zukunft der Tiefen Geothermie in der Türkei ist derzeit aussichtsreich. Neben der günstigen geologischen Lage verfügt das Land über gute Marktvoraussetzungen. Bis heute ist die Türkei jedoch noch abhängig von Importen fossiler Brennstoffe zur Deckung ihres Energiebedarfs. Mehr als 70 Prozent der Energieversorgung werden durch den Zukauf von Erdöl, Erdgas und Kohle bereitgestellt. Nach dem Center for Energy, Environmental, and Economic Systems Analysis (CEEESA) hat die Türkei letztes Jahr knapp 500 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Dieser Anstieg geht einher mit einer Verdopplung des Stromverbrauchs von 1.500 auf ca. 3.500 MWel innerhalb der letzten Dekade. Bis ins Jahr 2023 werden schätzungsweise 6.000 MWel benötigt, um die Versorgung der Industrie, Wirtschaft und Bevölkerung zu sichern. Dies bietet eine Chance für den weiteren Ausbau der Tiefen Geothermie in der Türkei. Für das Jahr 2023 visiert das Land einen Zubau bis auf 1.000 MWel an, ein Ziel, dass sich anlässlich der letzten Entwicklungen durchaus zu erfüllen scheint.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Einspeisevergütung
Möglich wurde der rasante Ausbau durch die schrittweise Öffnung und Privatisierung des türkischen Energiemarktes. Bis in die späten 1980er Jahre war die Energieproduktion ausschließlich in staatlicher Hand. Doch mit dem stetig steigenden Wirtschaftswachstum der Türkei stieg auch der Bedarf an Energie. Für die Türkei wurde die Liberalisierung des Energiemarktes zwingend notwendig. Im Jahr 1994 wurde erstmals ein Betreibermodell-Gesetz (BOT Nr. 3996) eingeführt, das privatwirtschaftliche Investitionen in türkische Energieprojekte zuließ. Reformen im Jahr 2001 kippten das staatliche Monopol auf Stromproduktion, Übertragung und Vertrieb und ermöglichten einen modernen Energiemarkt, der Investitionsanreize dankbar honoriert. Denn nach dem türkischen Erneuerbare-Energie-Gesetz (Nr. 5346) aus dem Jahr 2005 erhält ein Betreiber 0,105 US-Dollar pro Kilowattstunde für Strom aus Geothermie-Kraftwerken auf 10 Jahre garantiert, vorausgesetzt er hat eine Lizenz erworben und sein Kraftwerk bis zum 31. Dezember 2020 ans Netz gebracht. Weiterhin gibt es einen Abschlag von 85 Prozent auf die Anschlusskosten an das Übertragungsnetz. Verwendet der Betreiber in seinen Projekten Kraftwerkskomponenten, die in der Türkei gefertigt wurden, winkt ein weiterer Bonus von 0,027 US-Dollar pro Kilowattstunde. Alles in Allem garantiert der türkische Staat damit einen maximalen Einspeisetarif von 0,132 US-Dollar pro Kilowattstunde, mehr als der europäische Durchschnitt.
Mittlerweile gibt es in der Türkei 28 Projekte (einschließlich Kraftwerke), die eine Produktions- bzw. Verwertungslizenz mit einer Gesamtkapazität von 778 MW haben. Davon befinden sich 21 in Betrieb. Projekte mit einer Gesamtleistung von weiteren 96 MW sind im Bau. Durch die gut dotierten Einspeisevergütungen für geothermischen Strom sind Investments in den türkischen Markt für die Tiefe Geothermie durchaus lukrativ.
Der geothermische Energiemarkt in der Türkei bietet international große Chancen für Investoren und Industrie. Im Juni 2016 wird in Izmir die türkisch-englische Tagung IGC Türkyie stattfinden. Sie präsentiert den Status quo am dortigen Markt und zeigt die Möglichkeiten und Herausforderungen zur Projektentwicklung in der Türkei. Einen ersten Überblick gibt das IGC Forum "The Geothermal Energy Market in Turkey" in dem am 24. Februar in Offenburg unterschiedliche Markteilnehmer einen Übersicht zu den Entwicklungen Über- und Untertage geben.
Darüber hinaus erscheint in den nächsten Monate erscheint ein umfassendener, ausführlicher Report zum türkischen Geothermiemarkt, herausgeben von Enerchange und ThinkGeoEnergy. In Kürze geht auch eine News-Webseite (www.jeotermalhaberler.com) online, die die Möglichkeit bietet, das aktuelle Geschehen der türkischen Geothermiebranche direkt zu verfolgen.