Festakt zu 15 Jahre Geothermie in Pullach: Neues Projekt angekündigt

22.11.2019 | Jochen Schneider

Gestern abend hat die Innovative Energie Pullach zu einem Festakt eingeladen, um an den Beginn der Bohrarbeiten am 4. Dezember 2004 zu erinnen. Als Festredner*innen setzten Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, Helge-Uve Braun von der SWM und Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Schellnhuber vom PIK Potsdam Institut für Klimafolgenforschung wichtige Impulse.

IEP Aufsichtsrat Dr. Andreas Most begrüßte zu Beginn des Festakts die anwesende politische Prominenz, Bürgermeisterin und Altbürgermeister von Pullach, Bürgermeister der umliegenden Gemeinden, Vertreter*innen der Geothermiebranche und natürlich die Pullacher Bürger*innen, die alle die geothermische Nutzung in Pullach unterstützen.

Neues Geothermieprojekt im Süden von Pullach

Im folgenden Dialog mit Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund betonte sie den breiten Konsens in Pullach über Parteigrenzen hinweg zur Umsetzung der Geothermie. Tausendfreund kündigte im Süden von Pullach ein neues Geothermieprojekt an: "Der Gemeinderat hat grünes Licht für ein weiteres Geothermieprojekt gegeben, um eine 100 Prozent Versorgung von Pullach mit geothermischer Wärme sicherzustellen." Zusammen mit der Erdwärme Grünwald und den SWM hat die IEP 2018 3D-seismische Messungen durchgeführt und die Ergebnisse sind für das neue Projekt vielversprechend.

Darauf ging auch Helge-Uve Braun von den SWM in seiner Rede ein. In München stehe die Entscheidung des Stadtrates noch aus, aber es gebe schon Signale zur Unterstützung des Projektes. 2023 sollen die Bohrarbeiten beginnen und bis 2026 abgeschlossen sein. Weiter betonte Braun die Gemeinsamkeiten der SWM und der Gemeinde Pullach. Beide sind im Bayerischen Molassebecken Geothermiepioniere, 2003 haben sich auch die SWM für ein erstes Geothermieprojekt in Riem entschieden, 2004 mit den Bohrarbeiten begonnen. Und sowohl die SWM als auch die IEP wurden 2018 mit dem geothermischen Energiepreis Bayern ausgezeichnet: die IEP mit dem goldenen Heizwerk und die SWM mit dem goldenen Kraftwerk für Sauerlach.

Prof. Schellnhuber verdeutlicht Gefahr durch Klimawandel

Der Stargast des Abends war Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Schellnhuber vom PIK Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Bei einem Vortrag von Schellnhuber ist es eigentlich klar, dass es um den Klimawandel geht. Doch beindruckend ist das Engagement und auch der aktuelle Bezug sowie der dringende Handlungsdruck, den er in seinem Vortrag herstellte.

Schellnhuber erläuterte die Veränderung des Jetstreams mit den sogenannten Rossby Wellen, einem oszillierenden Windzirkulationssystem in 10 bis 12 Kilometern Höhe. Die Verlangsamung dieses die Nordhalbkugel umspannenden Windsystems verursacht die hohen Temperaturen, wie sie beispielsweise mit Rekorden von über 42 °C in Lingen gemessen wurden. Hier standen Deutschland und die benachbarten Länder unter dem Einfluss von Hitze, die auf die Öffnung der Rossby Wellen zum Äquator zurückzuführen ist. Der veränderte Jetstream ist aber auch für Starkregen und Überschwemmungen verantwortlich, wie die mehrmaligen Fluten in den vergangenen Wochen  in Venedig zeigten. Zwar war das nicht das höchste jemals gemessene Aqua Alta, aber noch nie gab es eine dreimalige Wiederholung. Hier konnte arktische Luft bis in den Mittelmeerraum vordringen und der Wind aus dem Süden schob die Tiefdruckgebiete gegen die Alpen.

Kippelemente des Klimas

Prof. Schellnhuber definierte auch die Kippelemente im globalen Klimasystem. Anfangs wurden er und seine Kollegen dafür belächelt und fanden keine Publikationsmöglichkeiten. Doch mittlerweile sind die Kippelemente anerkannt und werden als große Gefahr wahrgenommen.

Kippelemente beschreiben irreversible Klimaveränderungen, die ab einer bestimmten Temperatur auftreten und ihrerseits wiederum den Trend zur globalen Erwärmung verstärken. Ein Beispiel ist das Abschmelzen des Eispanzers in Grönland, was ab einer bestimmten Temperatur nicht mehr aufzuhalten ist und dann wiederum zu einer noch weiter verstärkten Erwärmung aufgrund der dunklen Gesteinsoberflächen führt. Oder das Auftauen von Permafrostböden, was Unmengen an Methan freisetzt, welches ein noch höheres Erwärmungspotenzial (GWP) als Kohlendioxid hat.

Politik-bedingte Klimaerwärmung

Mit einer Weltkarte der Klimaerwärmung bezogen auf die Politik der Länder verdeutlichte Schellnhuber das Problem. Die Industrie- sowie die Erdöl- und Erdgas-exportierenden Länder sind hautpverantwortlich für die Klimaerwärmung. Nach der Karte der Politik-bedingten Klimaerwärmung steuert Deutschland aktuell auf eine 3 °C Erwärmung zu. Das Paradox ist, dass die Länder, die am wenigsten zur Klimaerwärmung beitragen, vowiegend in den heißen Erdteilen liegen. Jedoch sind diese Ländern von der Klimaerwärmung am stärksten betroffen bis hin zu Temperaturen, in denen menschliches Leben unmöglich wird - die Thermoregulationskapziät des menschlichen Körpers wird überschritten. "Das ist nicht christlich", verdeutlichte Schellnhuber unsere Verantwortungslosigkeit.

Damit und mit zahlreichen weiteren Beispielen machte Schellnhuber den dringenden Handlungsbedarf klar. Er verwies aber auch auf die Unwissenheit der Politiker - allein Kanzlerin Merkel hat sich von ihm die Zusammenhänge erklären lassen, die meisten anderen sind der Auffassung sie wüssten schon alles. Deutlich kritisierte Schellnhuber die Tatenlosigkeit der Politk und lobte die aktuelle Jugendbewegung. Er führte aber auch an, dass er von den geothermischen Aktivitäten in Bayern und den Möglichkeiten der Technologie positiv überrascht ist. Dass die Geothermie in Bayern keine Nischentechnologie mehr ist, wurde ihm erst durch die Recherche zu seinem Vortrag bewusst. Vor allem für die Wärmewende sieht er in der Geothermie eine große Chance.

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