CO2 – Vom Problem zur Ressource

Thema im Fokus 3-2019
Die Geothermie gehört zu den erneuerbaren Technologien, die klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) vermeiden und einsparen. Als regenerative Energie ist sie ein wichtiger Teil der global erforderlichen Maßnahmen, um den Klimawandel zu begrenzen. Vor allem die Anlagen in Mitteleuropa sind hier vorbildlich, sie führen das geförderte Tiefengrundwasser nach der Entwärmung wieder zurück ins unterirdische Reservoir. Die mitgeförderten Gase – meist CO2 –werden zusammen mit dem Tiefengrundwasser wieder reinjiziert. In Bayern gibt es in Traunreut eine Anlage, die als Forschungsprojekt sogar zusätzliches CO2 in den Untergrund bringt. Weitere CO2-Vermeidungs-Projekte sind weltweit in der Entwicklung. In dieser Ausgabe von „Thema im Fokus“ wollen wir Ihnen einige davon präsentieren.

Grundsätzlich bietet die tiefe Geothermie die Möglichkeit, Strom zu erzeugen sowie Wärme bereitzustellen. Ist die Temperatur des geförderten Tiefengrundwassers hoch genug, sind Flash-Dampf-Kraftwerke die effizientesten und damit auch die heute am meisten genutzten Kraftwerke. Sie benötigen Fluidtemperaturen im Bereich von 180-300 Grad Celsius. Im Flash-Kraftwerk wird durch Druckminderung in einem ein- oder mehrstufigen Verfahren Dampf erzeugt (single flash, double flash, triple flash) und der Dampf treibt Turbinen und Generatoren an.

In ORC-Kraftwerken, die meist schon bei niedrigeren Temperaturen über 100 Grad Celsius zur Anwendung kommen, aber auch bei hohen Temperaturen eingesetzt werden, wird über einen Wärmetauscher die Energie an ein organisches Arbeitsmedium abgegeben. Dieses wird dann in einem geschlossen Kreislauf verdampft und zur Stromerzeugung auf die Turbinen geleitet. Ähnlich funktionieren Kalina-Kraftwerke, das Arbeitsmedium ist dort jedoch ein Ammoniak-Wassergemisch.

Geschlossene Kreisläufe
In Niederenthalpie-Gebieten, wie in Deutschland, werden aufgrund der niedrigeren Reservoir-Temperaturen, ORC- und Kalina-Kraftwerke betrieben. Es handelt sich dabei um geschlossene Thermalwasserkreisläufe, aus denen nichts an die Atmosphäre abgegeben wird. Im bayerischen Traunreut wird dem Thermalwasser sogar CO2 zugegeben, um Ausfällungen zu verhindern, wie die Projektverantwortlichen im Rahmen des Praxisforum Geothermie.Bayern 2018 vorgestellt haben.

In Flash-Prozessen sind die Gase (z.B. CO2, aber auch Schwefelwasserstoff) durch die Entgasung während der Förderung nicht mehr im Tiefengrundwasser gebunden und nach der Energieproduktion können frei werden. Zahlreiche Projekte beschäftigen sich mit Technologien zum Einfangen der Gase, die wir Ihnen in diesem „Thema im Fokus“ vorstellen wollen.

Lösungsansatz Reinjektion
In Italien und in der Türkei werden derzeit verschiedene Ansätze erfolgreich getestet, mittels derer CO2 und andere nicht-kondensierbare Gase (non-condensable gases, NCG) wieder in den Untergrund reinjiziert werden. Auf der IGC Türkiye 2018 in Ankara wurden Projekte aus Aydın und Castelnuovo präsentiert.

İsmet Yucetaş betonte in seinem Vortrag auf der IGC Turkey 2018 die positiven Auswirkungen einer Reinjektion von NCGs auf Effizienz und Reservoir-Nutzung. Zusammen mit Serhat Akin von der Middle East Technical University und Karkey, dem Betreiber des 24 MW-Kraftwerks in Aydin-Umurlu, betreibt er eine Pilotanlage zur CO2-Injektion. Momentan werden zwei Tonnen CO2 pro Stunde zusammen mit anderen NCGs in 700 Metern Tiefe in Wasser, das in das Reservoir eingebracht wird, injiziert.

Ziel der Anlage ist es, auch den Druck im Reservoir aufrecht zu erhalten, und daher ist nach Yucetas Aussage bisher keine zusätzliche Förderpumpe notwendig. Das Tiefengrundwasser fließt weiterhin artesisch aus. Gleichzeitig hat sich durch die CO2-Eingabe die Injektivität der Bohrung in das Karbonatreservoir verbessert, der Injektionsdruck verringerte sich von zehn auf nahezu null bar. Dies ist auf die höhere Lösungskapazität des injizierten Wassers durch das CO2 zurückzuführen. In 700 Metern Tiefe werden in der Anlage von Karkey das abgekühlte CO2 und andere NCGs wieder mit dem entwärmten geothermalen Tiefengrundwasser gemischt ins Reservoir zurück injiziert.

Ein 100-tägiger Testlauf konnte zeigen, wie durch die CO2-Reinjektion Druck und Masse des Reservoirs aufrechterhalten werden können. Auf diese Weise steigt die Effizienz des Geothermiekraftwerks und das Reservoir ist länger nutzbar.

Höhere Effizienz und längere Reservoir-Nutzung
Fausto Battini und Emilie Razy zeigten anhand des von Graziella Green Power und Storengy geplanten Kraftwerks in Castelnuovo, wie in einem geschlossenen System bei Flash-Dampf-Kraftwerken Sole und NCG komplett zurückgeführt werden können. Im Gegensatz zum Entweichenlassen der Gase sei die Technologie erheblich umweltfreundlicher, was auch die Akzeptanz fördere.

Auch die beiden Italiener wiesen in ihrem Vortrag auf die Auswirkungen der Reinjektion auf das Reservoir hin: Eine Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass Wärme und Druck erhalten bleiben, was die Effizienz der Anlage fördert. Die Inbetriebnahme des Kraftwerks in Castelnuovo ist 2021 geplant. Vor Ort besteht bereits ein integriertes Bioenergie- und Geothermiekraftwerk (wir berichteten).

Die neuen technischen Entwicklungen sind ein wichtiger Faktor für den Geothermiemarkt in der Türkei – immerhin der am schnellsten wachsende Markt weltweit. Mehr dazu auf der IGC Türkiye 2019.

Lösungsansatz Lagerung im Basaltgestein
Einen anderen Ansatz verfolgt man im isländischen Geothermiekraftwerk Hellisheidi. Dort wird mit Wasser vermischtes CO2 in das poröse Basaltgestein in über 700 Metern Tiefe geleitet. Das sprudelnde Gemisch kann aufgrund des hohen Drucks und hoher Temperaturen nicht entweichen. Stattdessen reagiert es mit den im Untergrund vorhandenen Mineralien und wandelt sich in weniger als zwei Jahren zu festem Gestein.

Partner im sogenannten CarbFix2-Projekt ist die Schweizer Firma Climeworks aus Zürich. Sie hat eine Filtertechnologie entwickelt, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft entnimmt. Die Zusammenarbeit mit dem Geothermiekraftwerk Hellisheidi ist der zweite praktische Anwendungsfall des Unternehmens. Eine erste kommerzielle Anwendung fand die CO2-Filteranlage im heimischen Hinwil. Dort werden jährlich 900 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gefiltert und an ein angrenzendes Gewächshaus als Dünger verkauft.

Das CarbFix2-Projekt wird aus einem neu aufgelegten Fonds, dem Reykjavik Energy Green Bond, gefördert, wie unser Partnerportal ThinkGeoEnergy berichtete.

Kohlendioxid als Ressource
Wie das problematische Treibhausgas zur Ressource werden kann, zeigen weitere Beispiele. Im Svartsengi Geothermal Ressource Park im Südwesten Islands dient ein von der dänischen Firma Haldor Topsøe entwickelter Katalysator dazu, Schwefelwasserstoff, ein weiteres problematisches Gas, das mit dem geothermalen Fluid an die Oberfläche kommt, zunächst in Schwefeldioxid umzuwandeln. Anschließend wird dieses in einem Gaswäscher abgeschieden; Kohlendioxid, Stickstoff und der im Katalysationsprozess nicht umgesetzte Sauerstoff verbleiben im Gasstrom. Reines CO2 und Stickstoff (N2) können dann an Gewächshäuser verkauft werden, da sie das Pflanzenwachstum positiv beeinflussen.

Je nach Anlage kann auch Wasserstoff (H2) abgeschieden werden, der als wertvoller Treibstoff zum Einsatz kommen kann. CO2 kann zudem für die Methanolsynthese dienen – ebenfalls ein wichtiger Rohstoff für Kraftstoffe, Brennstoffzellen und industrielle Prozesse. Und auch die Getränkeindustrie hat einen hohen Bedarf an CO2 für ihre Erfrischungsgetränke.

Wer zu Hause eine Sprudelmaschine stehen hat, kennt das Prinzip: Man kauft Kohlendioxid in Kartuschen und gibt es dem Leitungswasser zu. Was in der eigenen Küche im Kleinen funktioniert, praktiziert die Getränkeindustrie im großen Stil. Auch dies ist eine Möglichkeit, die Ressource Kohlendioxid einer erfrischenden Verwendung zuzuführen. Beispiele kommen hier aus der Türkei, und dem österreichischen Bad Blumau, wo CO2 für die Getränkeindustrie gewonnen wird.

Kohlendioxidspeicherung keine globale Lösung
Doch sollten die Lösungsansätze für die bei Hochenthalpie-Geothermieanlagen entstehenden Treibhausgase nicht dazu verleiten, damit die globale Klimaerwärmung beheben zu wollen.

Gerade im Zusammenhang mit Kohlekraftwerken kommt immer wieder die Diskussion auf, ob diese durch eine unterirdische Einlagerung des direkt an den Anlagen abgeschiedenen Kohlendioxids (Carbon Capture and Storage, CCS) klimafreundlicher gestaltet werden könnten. Diese Technologie ist mit den oben beschriebenen Methoden nicht zu verwechseln und wurde schon 2009 vom Sachverständigenrat für Umweltfragen aufgrund teils unerforschter Risiken und versteckter Kosten kritisiert. Unter anderem wiesen die Expert*innen auch auf Nutzungskonflikte mit Geothermie und Druckluftspeichern für die Windkraft hin.

In Geothermieanlagen in Niederenthalpiegebieten, wie sie in Deutschland gebaut werden, verbleibt das im Tiefengrundwasser gelöste CO2 immer im System. Im Zusammenspiel mit der Energie aus Sonne, Wind und Biomasse vermeidet die Geothermie klimaschädliche Emissionen. Die gewaltigen Mengen an Treibhausgasen, die in der fossilen Energieerzeugung entstehen, müssen durch einen ehrgeizigen Ausbau der erneuerbaren Energien schnellstmöglich reduziert werden. Eine unterirdische Speicherung, wie sie die CCS-Technologie verspricht, ist mit Sicherheit keine Lösung.

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