Mitteltiefe Sandsteinhorizonte erschließen – das GeneSys-Projekt

Thema im Fokus 4-2020 | Karin Jehle
Mit den Herausforderungen von geothermischen Erschließungsarbeiten in Sandstein beschäftigt sich das Geozentrum Hannover. Dr. Torsten Tischner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) berichtete im „Blickpunkt Geothermie“ am 19. Juni über die neuesten Entwicklungen.

Das Projekt GeneSys geht zurück auf den Anfang der 2000er Jahre. Die dahinterliegende Idee war es, den Sandstein im Untergrund des Norddeutschen Beckens geothermisch zu erschließen, um das Geozentrum Hannover zu beheizen.

2009 wurde dann die GeneSys-Bohrung auf dem Gelände des Geozentrums abgeteuft; sie reicht bis in rund 3.900 Meter Tiefe in den Mittleren Buntsandstein, den sogenannten Volpriehausensandstein. Er hat eine sehr geringe Permeabilität, wie es generell auf die Sedimentgesteine im Norddeutschen Becken zutrifft. Für die geothermische Erschließung war daher eine künstliche Risserzeugung notwendig. Eine gute Perspektive erschien durch die vorgefundenen Temperaturen von 165 Grad Celsius gegeben.

Zwei Nutzungskonzepte

Zwei Nutzungskonzepte standen ursprünglich zur Debatte. Einerseits die „Ein-Bohrloch-Zirkulation“, bei der kaltes Wasser in die Tiefe verpresst wird, dort auf großflächig künstlich erzeugte Rissstrukturen trifft, durch semipermeables Gestein dringt und in der gleichen Bohrung wieder als heißes Wasser gefördert wird.

Andererseits war die zyklische Energiegewinnung (Huff-Puff) in der Diskussion. Auch hier wird kaltes Wasser in den Untergrund verpresst, verbleibt dann aber eine Zeit lang in einem künstlich erzeugten Riss, wo es sich aufheizt und dann artesisch wieder an die Oberfläche rückgeführt wird. An der Oberfläche ist dann jedoch ein Reservoir vonnöten, um das heiße Wasser sicher zu lagern.

Stark salzhaltiges Gestein in der Tiefe

Ein sehr wichtiger Schritt bei den Untersuchungen war die künstliche Risserzeugung. 20.000 Kubikmeter Frischwasser injizierten die Wissenschaftler*innen in den Untergrund – eines der größten (und bis jetzt letzten) Projekte mit mechanischer Stimulation in Deutschland. Aufgrund von genehmigungsrechtlichen Problemen konnten die Forscher die Bohrung jedoch erst ein halbes Jahr später freispülen und dann hatte sich bereits ein Pfropfen im Bohrloch, ein sogenannter Salzplug, gebildet.

Dieses Phänomen führte zu verschiedenen Fragestellungen, ob die stark aufgesalzenen Fluide aus dem Sandstein überhaupt geothermisch nutzbar seien. Die Bohrung wurde daher 2012 nach dem Freispülen des Salzplugs zunächst einmal stillgelegt, um weitere Optionen zu analysieren.

Stillstand bis 2018

Nach intensiven internen Klärungsprozessen unter Einbeziehung externer Expert*innen standen ab 2018 zwei Optionen zur Debatte: So wäre es möglich gewesen, die bestehende Bohrung als tiefe Erdwärmesonde zu nutzen. Eine andere Möglichkeit bietet die Erschließung mitteltiefer Sandsteine der Unterkreide (Wealden-Sandsteine) in ca. 1.200 Metern Tiefe. Sie verspricht obendrein wissenschaftliche Erkenntnisse zu geothermischen Erschließungen im Norddeutschen Becken.

Daneben diskutierten die Wissenschaftler*innen auch, die bestehende Bohrung und damit den tiefliegenden Buntsandstein weiter zu erforschen. Schließlich war es dann Konsens, sich auf den flacher liegenden Wealden-Sandstein zu konzentrieren und eine geothermische Dublette zu erschließen.

Wealden-Sandstein: Geringere Tiefe, höhere Permeabilität

Neues Bohrziel war nun, aus der bestehenden Bohrung heraus einen Sidetrack in die Wealden-Sandsteine zu bohren, um sie zu untersuchen und zu testen. In 1.140 bis 1.340 Metern Tiefe waren Temperaturen von 70 Grad Celsius zu erwarten, was beachtlich ist. Zudem ist die Permeabilität hier deutlich höher als im tiefgelegenen Buntsandstein. Bei Nachweis einer ausreichenden hydraulischen Durchlässigkeit ist das Abteufen einer weiteren Bohrung vorgesehen, um schlussendlich über eine geothermische Dublette die Gebäude des Geozentrums beheizen zu können.

Die Wissenschaftler*innen verglichen die beiden Optionen tiefe Erdwärmesonde und geothermale Dublette sowohl hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und CO2-Einsparung als auch in Bezug auf ihren Demonstrationscharakter. Berechnungsgrundlage war der Wärmebedarf des Geozentrums Hannover von sieben Gigawattstunden jährlich bei einer Vorlauftemperatur von 70 bis 90 Grad Celsius.

Die Wealden-Dublette würde bei einer Gesamtinvestition von 7,9 bis 9,7 Millionen Euro jährlich 700 bis 1.000 Tonnen CO2 einsparen. Die tiefe Erdwärmesonde käme zwar mit 2,4 bis 3,1 Millionen Euro deutlich günstiger. Allerdings stammen die Kostenschätzungen von 2012 und die CO2-Einsparung ist mit 200 bis 500 Tonnen jährlich viel geringer. Gewichtigstes Argument für die Wealden-Dublette war jedoch, dass sie ein Demonstrationsprojekt wäre, das neue Geothermie-Optionen für das Norddeutsche Becken erschließen könnte.

Erschließung und Forschung

Schon während der Bohrung im August 2009 hatte man im Wealden-Sandstein erste Tests gemacht, beispielsweise durch die Injektion von Stickstoff. Sie ließen auf signifikante Förderraten hoffen. Gleichzeitig ist die Bohrung jedoch auch durch einen sogenannten Skin (Bohrspülung) vorgeschädigt.

Verschiedene Bohrlochmessungen und -kerne zeigten auf, dass in etwa 1.230 Metern Tiefe die am besten geeigneten Sandsteine zu finden sein sollten. Sehr wichtig für die Erkenntnisgewinnung waren dabei kleine Bohrkerne aus den Seitenwänden (Sidewall-Cores), die auf eine durchaus brauchbare Permeabilität schließen ließen.

Als wesentliche Herausforderung im Projekt ist neben der hydraulischen Durchlässigkeit der Sandsteine die geeignete Komplettierung der Bohrung anzusehen. Die heikle Aufgabe ist es, mehrere dünnmächtige Sandsteinlagen, die sich mit Tonschichten abwechseln, so zu erschließen, dass einerseits die Produktivität der Bohrung möglichst langfristig erhalten bleibt und andererseits die mechanische Stabilität der Bohrung nicht gefährdet wird.

Ebenfalls anspruchsvoll ist die Fluidzusammensetzung. Sie hat eine Salinität von 200 Gramm pro Liter und einen erhöhten Gasgehalt, der vorwiegend aus Methan besteht und in Lösung bleibt. Eine wirtschaftliche Nutzung ist jedoch nicht möglich. Bestehende Geothermieanlagen im Norddeutschen Becken zeigen jedoch, dass man dies verfahrenstechnisch beherrschen kann.

Weitere Aspekte und Ausblick

Für die Bohrung an sich wurden drei verschiedene Szenarien mit Nutzung der vorhandenen Bohrung, Neubohrungen und Sidetracks in unterschiedlichen Konstellationen durchgespielt. Letztlich entschloss man sich zu einem Sidetrack in der bestehenden Bohrung und einer Neubohrung zur Komplettierung der Dublette. Dabei ist der Sidetrack relativ nah an der bestehenden Bohrung, um sicher zu sein, ähnliche Gesteinsverhältnisse anzutreffen, gleichzeitig jedoch genügend Abstand zu haben, um nicht auf vorgeschädigte Gesteine zu stoßen.

Zum Ende seines sehr ausführlichen Vortrages ging Dr. Tischner noch auf einige weitere Aspekte ein, wie die Komplettierung des Sidetracks, die bohrtechnische Stimulation, die seismische Interpretation und Planung der Zweitbohrung sowie die generelle Verbreitung der Wealden-Sandsteine im Norddeutschen Becken und stellte den Zeitplan des Projektes vor. 2022 sollen die Bohrarbeiten für den Sidetrack beginnen, 2024 dann die Neubohrung und im Jahr 2026 soll die Heizzentrale schließlich in Betrieb gehen, wenn alles gut läuft.

Webinare auf YouTube

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