Norddeutschland weist rund 450 Salzstöcke, Salzkissen und Salzintrusionen auf. Solche Salzstrukturen sind sehr interessant für die geothermische Nutzung - zum einen da im oberen Bereich dieser Salzstrukturen und auch direkt darüber deutliche höhere Temperaturen feststellbar sind als in vergleichbaren Tiefen ohne Salz (im Durchschnitt liegen die Werte etwa 10 -15 °C über den Normaltemperaturen, maximal werden 24 °C über Normaltemperatur erreicht [1]). Zum anderen ist die Wärmeleitfähigkeit des Salzes verglichen mit anderen Sedimentgesteinen sehr hoch. Die Kombination dieser beiden Faktoren macht den Einsatz von Wärmesonden in relativ gering tief liegenden Salzlagerstätten besonders effektiv. Nach einer in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften veröffentlichten Untersuchung von Jörn Bartels und anderen Autoren [2] erreicht die Entzugsleistung ab 400 Meter Sondenlänge, je nach Abdeckungsmächtigkeit und Sondeneintrittstemperatur, den zwei- bis dreifachen Wert von vergleichbaren Erdwärmesonden außerhalb von Salzstrukturen.
Viele der in Norddeutschland vorkommenden Salzstrukturen reichen relativ nah an die Oberfläche heran. Allein in Niedersachsen finden sich 80 Salzstöcke, die mit ihrem Salzhut bis 200 Meter unter der Erdoberfäche anstehen. Hier bietet sich deshalb die Anwendung mitteltiefer Geothermie an, mit Bohrungen bis maximal 1000 m. Um den durch die Bohrung höheren Kostenaufwand zu reduzieren, kann unter anderem auf das Marktanreizprogramm des Bundes zurückgegriffen werden – für Projekte mit Bohrungen ab 400 Metern können im Rahmen des KfW-Programms Erneuerbare Energien Tilgungszuschüsse für den Anlagenbau und Bohrkosten beantragt werden.
Vor diesem Hintergrund hat die mitteltiefe Geothermie insbesondere in Norddeutschland ein großes Potenzial. „Mitteltiefe Erdwärmesonden rechnen sich insbesondere dann, wenn die Wärme über die im Wohnbereich übliche Heizperiode hinaus abgenommen werden kann – also zum Beispiel für Schwimmbäder oder Gewerbebetriebe mit Prozesswärmebedarf“, so Prof. Dieter Michalzik, der mit seinem Unternehmen Geodienste zu den „Vordenkern“ der Anwendung mitteltiefer Geothermie in Norddeutschland gehört. Bislang allerdings gibt es in Deutschland noch kein Referenzprojekt. Michalzik hat deshalb zusammen dem Forschungszentrums für Kältetechnik und Wärmepumpen aus Hannover sowie dem Unternehmen Erdwärme Mittelweser ein Demonstrationsvorhaben initiiert, dass die Leistungsfähigkeit dieser Technologie untersuchen und über Langzeitmodellierungen unter Beweis stellen soll. Hierbei werden in Nienburg an der Weser zwei Bohrungen mit einer Tiefe von 400 Metern bzw. 600 Metern niedergebracht und mit je einer Erdwärmesonde versehen, die Kohlendioxid (CO2) als Transportfluid nutzt. Vorteil der CO2-Erdwärmesonden ist, dass sie ohne äußere Pumpen für den Transportvorgang auskommen und dadurch im Vergleich zu herkömmlichen Solesonden energieeffizienter arbeiten können. Um in der Pilotanlage auch die Unterschiede in Leistung und Materialtauglichkeit der verschiedenen Sonden-Bauarten herausarbeiten zu können, wird in das 400-Meter-Bohrloch ein sogenanntes Wellrohr eingelassen, das 600-Meter-Bohrloch wird mit einem Glattrohr versehen. Wellrohre gelten bei CO2-Sonden als effizienter, da das CO2 durch kreisförmiges Abfließen länger flüssig bleibt und deshalb die Wärme des Untergrunds besser nutzen kann. Allerdings ist bislang unklar, ob sie in der bisherigen Ausführung dem Druck in Tiefen von mehr als ca. 400 Metern standhalten können. Auch das wird in der Pilotanlage in Nienburg näher untersucht werden. Prof. Dieter Michalzik und seine Mitstreiter jedenfalls freuen sich, wenn das Projekt nun voraussichtlich im Herbst in Angriff genommen werden kann. Auch, weil damit endlich das Henne-Ei-Problem gelöst werden kann: Keine Anwendungsbeispiel für die mitteltiefe Geothermie – kein Auftrag; kein Auftrag – kein Anwendungsbeispiel.
Das Projekt in Nienburg sowie weitere Informationen zur oberflächennahen, mitteltiefen und tiefen Geothermie werden auf der 4. Norddeutschen Geothermietagung präsentiert, die vom 26. bis 27. Oktober im Geozentrum Hannover stattfindet. Programminformationen sowie die Möglichkeit sich online anzumelden finden Sie unter www.norddeutsche-geothermietagung.de. Bei Anmeldung vor dem 15. August gilt ein Frühbucherrabatt von 10%!
Quellen:
[1]www.schweizerbart.de/resources/downloads/paper_previews/75317.pdf
[2]www.schweizerbart.de/resources/downloads/paper_previews/75540.pdf