Möglichkeiten der Kälteerzeugung aus geothermischer Energie

Thema im Fokus 5-2015 | Jochen Schneider

Das Jahr 2015 machte deutlich: es gibt ihn noch, den Sommer. Mit Spitzen-Temperaturen bis 40 Grad Celsius wurden neue Hitzerekorde in Deutschland aufgestellt. Doch auch schon bei Dauertemperaturen um 35 Grad Celsius heizen sich Büros, Studios und Produktionshallen entsprechend auf, dass eine Raumklimatisierung notwendig wird. In einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes wird sogar von einer Steigerung des Kühlungsbedarfs von 25 Prozent bei Wohngebäuden und 50 Prozent bei Nichtwohngebäuden in den nächsten 20 Jahren ausgegangen.

Momentan wird jedoch 90 Prozent der Kühlleistung mit elektrischer Energie durch Kompressionskältemaschinen erzeugt wird. Nach Berechnung des Instituts für Luft- und Kältetechnik (ILK) wird dafür 14 Prozent des Energieaufkommens in Deutschland verbrauchen. Und mit weiter steigendem Kühlbedarf nehmen auch Stromverbrauch und die CO2-Emissionen zu. Das mag in Zeiten mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung nicht so gravierend erscheinen als vor über 15 Jahren bei nahezu 100-prozentiger Energieversorgung aus fossilen Brennstoffen. Jedoch domminiert fossil erzeugter Strom immer noch den regenerativ erzeugten Anteil – und selbst Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist ein hochveredeltes Produkt, eine der teuersten Energieformen. Insofern liegt es nahe, das zu nehmen, was bei KWK-und Geothermieanlagen im Sommer in großer Menge zur Verfügung steht: überschüssige Wärme!

Die Technik zur Kälteerzeugung aus Wärme dafür ist schon seit langem entwickelt und über das Versuchsstadium hinaus: Absorptions- und Adsorptionskältemaschinen. Diese Systeme stellen für die tiefe Geothermie eine Möglichkeit dar, neben der Wärmewende auch an der Kältewende aktiv mitzuwirken. Mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung können Geothermieanlagen noch flexibler auf den aktuellen Bedarf - Strom, Wärme oder Kälte - reagieren, und das ganzjährig. Dies erhöht gleichzeitig die Auslastung der vor allem der wärmegeführten Geothermieanlagen und verbessert auch deren Gesamtwirkungsgrad.

Doch wie funktionieren wärmebetriebene Kältemaschinen?

Der älteste technische Prozess zur Kälteerzeugung ist der Absorptions-Kältekreislauf. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er entdeckt, jedoch erst 200 Jahre später begann die kommerzielle Produktion von Absorptionskältemaschinen. Bis in die 60er Jahre waren die USA das Hauptherstellerland, mittlerweile hat sich die Produktion in den asiatischen Raum verlagert.

Absorptionskältemaschinen nutzen ein Zweistoffsystem: das Kältemittel und das Absorptionsmittel. Das Kältemittel verdampft, nimmt dabei Wärme aus der Umgebung auf, und wird anschließend in einem sogenannten Absorber vom Absorptionsmittel absorbiert. Die Wärmeaufnahme aus der Umgebung stellt die Kälteleistung dar. In einem zweiten Prozessschritt wird das Arbeitspaar Kälte-/Absorptionsmittel wieder thermisch, durch Verdampfen des Kältemittels, getrennt. Die am häufigsten eingesetzten Arbeitspaare sind Lithiumbromidlösung, die das Kältemittel Wasser absorbiert, oder Wasser als Absorptionsmittel für das Kältemittel Ammoniak. Nach der Trennung des Kältemittels vom Absorptionsmittel wird das nun dampfförmige Kältemittel abgekühlt und damit wieder verflüssigt. Das flüssige Kältemittel wird, entsprechend der gewünschten Temperatur, wieder auf den Verdampfungsdruck entspannt und nimmt erneut Wärme auf. Das Absorptionsmittel wird ebenfalls abgekühlt und erneut dem Absorber zugeführt. Damit sind beide Kreisläufe – der Kältemittelkreislauf und der Absorptionsmittelkreislauf – geschlossen.

Vorteil der Absorptionskältemaschinen ist, neben dem geringen Stromverbrauch und der damit einhergehende Vermeidung von CO2-Emissionen, die Nutzung von natürlichen und kostengünstigen Kältemitteln: Wasser oder Ammoniak.

Adsorptionskältemaschinen arbeiten stattdessen mit einem Kältemittel, meist Wasser, und einem Feststoff als Adsorbens, in der Regel Silicagel oder Zeolithe. An dem Adsorbens wird das Kältemittel nach dem Verdampfen adsorbiert. Das Verdampfen des Kältemittels sorgt auch hier für die Kälteleistung. Ist das Adsorptionsvermögen des Adsorbens erschöpft, muss es regeneriert werden. Mit der Zufuhr von Wärme desorbiert das Kältemittel aus dem Adsorbens und es wird wieder freigesetzt. In einem Kondensator wird das Kältemittel dann verflüssigt, um anschließend wieder dem Verdampfer zugeführt zu werden und damit den Kreislauf zu schließen.

Als klimaschonende Technologie werden Sorptionskältemaschinen gefördert. Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sind Sorptionskälte- und Klimaanlagen bis zu einer Kälteleistung von 500 kW förderfähig, wenn die Wärme ausschließlich aus tiefer Geothermie bzw. anderen erneuerbaren Energien für den Antrieb genutzt wird.

Dampfstrahlkältemaschinen sind eine weitere Option, Wärme für die Kälteerzeugung zu nutzen. Jedoch sind für ihren Betrieb höhere Temperaturen ab 120 Grad Celsius notwendig. 1998 wurde eine solche Anlage in Gera für die Kälteversorgung eines Fernkältenetzes installiert. Geplant wurde sie vom Fraunhofer-Institut Umwelt-, Sicherheits-, Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen. Dr.-Ing. Clemens Pollerberg, der sich an dem Forschungsinstitut mit der Technologie beschäftigt, verdeutlicht: „Der vorwiegende Einsatz von Dampfstrahlkältemaschinen ist im industriellen Umfeld mit kontinuierlicher Kühlung. Im Gegensatz zu Absorptions- und Adsorptionskältemaschinen sind Dampfstrahlkältemaschinen nicht als Serienprodukt auf dem Kältemarkt verfügbar. Dampfstrahlkältemaschinen können jedoch wie Absorptionsanlagen größere Kälteverbraucher bzw. Fernkältenetze versorgen.“ Dr.-Ing. Pollerberg betont weiter, dass von dem Rahmenbedingungen abhängt, welche Technologie am besten eingesetzt werden sollte. In seinem Vortrag im Forum „Möglichkeiten der Kälteerzeugung“ auf dem diesjährigen Praxisforum Geothermie.Bayern wird Dr.-Ing. Pollerberg die drei Systeme gegenüberstellen und wesentliche Aspekte hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit beleuchten.

Die Untersuchung des wirtschaftlichen Potenziale der Kältelieferung ist auch für geplante Projekte der Tiefengeothermie eine zentrale Information: „Falls die erzielbaren Erlöse und die benötigten Energiemengen im Sommer ausreichen, sollte die Auslegungsleistung der Stromerzeugung überprüft werden“, so Benjamin Richter, Associate Partner bei Rödl & Partner, einer auf wirtschaftliche und rechtliche Fragen im Bereich Tiefengeothermie spezialisierten Prüfungs- und Beratungsgesellschaft. Er berichtet, dass entsprechende Wirtschaftlichkeitsvergleiche der Kälteerzeugung im Sommer mit dem Bau einer EEG-Stromerzeugungsanlage bereits zur verkleinerten Auslegung von Stromzeugungsanlagen geführt hätten. „Von zentraler Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit ist allerdings neben der Menge und dem Deckungsbeitrag auch der Zeitplan, ab dem der zusätzliche Wärmeabsatz im Sommer angesetzt werden kann.“

Die Möglichkeiten der Kälteerzeugung aus Wärme sind mittlerweile auch für die Betreiber geothermischer Anlagen in Bayern eine Option, die geprüft wird. So hat die Geovol in Unterföhring ein Pilotprojekt gestartet und auch in Pullach gibt es Überlegungen, neben der Versorgung einzelner Objekte, auch ein Fernkältenetz zu installieren. Die Geschäftsführer Peter Lohr (Geovol) und Helmut Mangold (Innovative Energie Pullach) werden dazu in Kurzvorträgen den aktuellen Stand der Entwicklungen beim diesjährigen Praxisforum Geothermie.Bayern am 26. Oktober in München vorstellen. Darüber hinaus wird neben Dr.-Ing. Clemens Pollerberg, Herr Willi Schwarz von den Stadtwerken Gießen einen Überblick über Fernkälte- und Objektversorgung in Gießen geben und mit den anderen Referenten und Teilnehmern über die Erfahrungen der Kälteerzeugung und deren Vertrieb diskutieren.

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