Taugt ehemaliger Erdgasspeicher für Geothermie?

22.09.2020 | Forschung | Karin Jehle

In Tiefen zwischen 500 und 1.000 Metern erkunden Wissenschaftler*innen des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam, ob vorhandene Bohrungen für die Förderung geothermischer Wärme oder für die Speicherung von oberirdisch gewonnener thermischer Energie nutzbar gemacht werden können.

21 Bohrungen, verteilt auf ein drei mal vier Kilometer großes Areal, führen im Berliner Bezirk Grunewald in Tiefen bis zu 1.000 Metern. Bislang dienten sie dazu, einen gewaltigen Erdgasspeicher im porösen Buntsandstein zu füllen und zu entleeren. 135 Millionen Kubikmeter Erdgas fasste der Speicher, der nun nicht mehr benötigt wird und bereits weitgehend entleert ist.

Wie der Berliner Tagesspiegel  berichtete, sind die bereits vorhandenen Bohrungen eine unverhoffte Chance für Wissenschaftler*innen des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) Potsdam. Interessant ist für sie eine Gesteinsschicht aus Muschelkalk in rund 500 Meter Tiefe.

Wärme fördern und speichern

Gleich zwei Optionen für die Wärmeversorgung erforschen die Geolog*innen: Einerseits geht es darum, ob das in der Muschelkalkschicht vorhandene, rund 32 Grad Celsius warme Wasser für die Wärmeversorgung von Gebäuden nutzbar gemacht werden kann. Für eine direkte Beheizung ist es nicht warm genug, diese bräuchte eine Vorlauftemperatur von 60 bis 70 Grad Celsius. Mittels einer Wärmepumpe könnte das Wasser aus dem Muschelkalk jedoch auf die erforderlichen Temperaturen gebracht werden.

Das zweite Forschungsinteresse befasst sich dagegen mit dem umgekehrten Weg: Überschüssige Wärme, beispielsweise aus Solarhermieanlagen oder industrielle Abwärme, könnte in den Sommermonaten in die Tiefe gepumpt und für den Winter gespeichert werden. Es handelt sich dabei um das sogenannte Ates-Verfahren (Aquifer Thermal Energy Storage). Die geologische Formation des Muschelkalks ist in Berlin und Brandenburg weit verbreitet, so dass die Forschungsergebnisse von einiger Bedeutung sind.

Wassermenge und Zusammensetzung entscheidend

Ob die rund 15 Meter dicken und aus vielen Poren bestehenden Kalkschichten (auch Schaumkalk genannt) für die Wärmeförderung oder -speicherung geeignet sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst geht es um die Frage, wie viel Wasser sich im Schaumkalk befindet und wie viel davon wiederum durch weitere Klüfte in tiefere Schichten fließt. Dies klären die Forscher*innen nun durch hydraulische Tests an den Bohrungen.

Ein weiterer Faktor ist die Zusammensetzung des Wassers. Je nach Salzgehalt kann es Stahlrohre oder andere Materialien angreifen. Erste Proben haben nun einen Salzgehalt ergeben, der rund drei Mal so hoch ist wie der von Meerwasser. Für herkömmliche Stahlrohre eine echte Belastungsprobe! Eine Option wäre ein unterirdischer Kreislauf mit Wärmetauscher, so dass Salzwasser und Rohre nicht mit korrosionsförderndem Sauerstoff in Kontakt kämen.

Zudem ist die Geomikrobiologie der Tiefe ein Forschungsthema des GFZ. Auch in 100 Grad heißem Wasser können sich noch Mikroorganismen aufhalten. Die Wissenschaftler*innen wollen klären, wie sie in der Tiefe überleben und wie sie ihrerseits wiederum ihre Umgebung beeinflussen.

Vorhandene Bohrungen als Riesenchance

Für die Grundlagenforschung des GFZ sind die bereits vorhandenen Bohrungen in Grunewald eine große Chance. Im Normalfall sind für Bohrungen aufwendige Genehmigungen und teure Bohrgeräte erforderlich. Hier müssen nun in den Bohrlöchern des ehemaligen Erdgasspeichers, die eigentlich in tiefere Schichten reichen, lediglich in der Höhe des Muschelkalks neue Zugänge geschaffen werden.

Auch im Umland sind etliche Altbohrungen vorhanden, die teils noch aus DDR-Zeiten stammen. Wenn sie für die Energiewende nutzbar gemacht werden könnten, würde dies ein erhebliches Potenzial für die Energiespeicherung und die Erdwärmenutzung erschließen.

Quelle:

Tagesspiegel