Was folgt auf die Versprechungen der Staatsregierung?

17.08.2022 | Politik | Enerchange
Bayernflagge

Kein anderes Bundesland ist so abhängig von russischem Gas wie Bayern. Die Nutzung von Alternativen aus heimischer Erde wurde letztes Jahr vollmundig von der Staatsregierung versprochen. Jetzt fordert die SPD ein Sofortprogramm für die Nutzung der tiefen Geothermie in Bayern.

Mit Beginn des Ukraine-Krieges, den darauffolgenden Sanktionen gegen Russland und der anschließenden Drosselung der Gaslieferung wird Deutschland – und vor allem Bayern - die energetische Abhängigkeit deutlich vor Augen geführt. Seitdem läuft die Suche nach geeigneten Alternativen. Doch anstatt auf zukunftsträchtige heimische Energiequellen zu setzen, scheinen Kohle und Uran in der Politik wieder in den Mittelpunkt zu rücken.

Es gibt auch Lippenbekenntnisse heimische Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik auszubauen. Rückblickend waren die Bemühungen der Staatsregierung erneuerbare Energien in Bayern zu etablieren eher gering. Am 17. November 2017 trat die 10H-Regel in Kraft. Diese besagte, dass der Abstand eines Windrads zur Wohnbebauung mindestens zehnmal so weit sein muss, wie die Anlage hoch ist. Es ist somit kaum verwunderlich, dass dies zu einer Stagnation des Ausbaus führte. Doch jetzt drängt ein Bundesgesetz den Freistaat dazu mehr Flächen für Windräder zu schaffen.

Auch der Bau der Hochspannungsleitungen, die grünen Strom aus dem Norden in den Süden liefern sollten, scheiterte. Anfangs noch gewollt, kippte die öffentliche Stimmung im Projekt „Suedlink“ und schließlich auch die der Staatsregierung. Jetzt liegt der Ausbau weit hinter der Planung, die zu einer Versorgung des Südens notwendig wäre. Schlussendlich könne der Strom auch aus Erdgas - das über die Transgaz-Pipline aus Russland über die Ukraine nach Westeuropa geliefert wird und den Gasspeicher im österreichischen Haidach befüllt - erzeugt werden. Dies sind nur zwei Beispiele, die aufzeigen, dass die Energieabhängigkeit von anderen (Bundes-)Ländern historisch gewachsen ist.

Doch neben der heimischen Stromproduktion ist auch die fehlende regenerative Wärmeerzeugung ein Problem, dem sich Bayern jetzt stellen muss.

Wo bleibt die Wärme?

Obwohl Bayern auf einem riesigen Wärmeschatz sitzt, wird dieser kaum genutzt. „Verschwendung einer umweltfreundlichen Ressource und eine verpasste Chance auf CO2-Einsparung“ findet Erwin Knapek, ehemaliger Vorsitzender des Bundesverbandes Geothermie.

In Deutschland liegt der produzierte Wärmeanteil aus hydrothermaler Tiefengeothermie gerade einmal bei drei Prozent. Laut Herrn Knapek seien aber bis zu 30 Prozent möglich. In Bayern könnte die hydrothermale Tiefengeothermie nach Aussage von Dr. Michael Drews, Professor an der TU München, sogar 20 bis 40 Prozent der benötigten Wärme decken. Momentan sind 25 Geothermieanlagen erfolgreich in Betrieb. Experten halten jedoch 250 Projekte für realistisch. Das Interesse und die Nachfrage nach geothermischer Wärme sind auf jeden Fall gegeben. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist der Andrang sich an die Geothermie anzuschließen bei den bereits etablierten Geothermieanlagen förmlich explodiert.

Die SPD fordert daher jetzt ein bayerisches Förderprogramm für Geothermie. Fraktionschef Florian von Brunn betont gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in München „Wir wollen bei der Geothermie in Bayern den Turbo einschalten, weil wir damit einen großen Teil unseres Wärmebedarfs decken können“. Anstatt zu warten und "[…] Forderungen nach Berlin zu richten", könne der Freistaat selbst handeln.

Das sieht die CSU und die Freien Wähler anscheinend anders. Sie sehen diese Aufgabe eher beim Bund als beim Land. Kontrovers da Bayern doch der Hotspot ist, was die hydrothermale Tiefengeothermie angeht.

So schien es am 21.07.2021, dass Ministerpräsident Markus Söder sich für die Tiefengeothermie in Bayern stark machen wolle. In der Regierungserklärung sagte er „[…] Bayern sitzt auf einer Wärmflasche, dem Süddeutschen Molassebecken und dieses Wärmepotenzial wird einfach unzureichend abgerufen. Deswegen wird es einen viel stärkeren Ansatz geben dies zu nutzen. Bis 2050 muss 25 Prozent des Wärmebedarfs daraus gedeckt werden, also werden wir die Geothermiestrategie ausbauen und beschleunigen.“  Doch mittlerweile scheint es ihm sinnvoller auf „Fracking von übermorgen“ zu setzen. Anstatt die heimische Erdwärme zu nutzen, könnte man sich auch das niedersächsische Erdgas an die bayerische Grenze liefern lassen. "Geht's noch?", schrieb der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf Twitter. Ihm scheint diese Idee wohl eher weniger zu gefallen.

So wartet die tiefe Geothermie in Bayern noch immer vergeblich auf die versprochene Unterstützung. Möglicherweise ist die vor kurzem in Brüssel genehmigte Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) der Startschuss. Denn "erst wenn die Förderbedingungen der BEW veröffentlicht sind, kann sinnvoll überlegt werden, wie die Tiefengeothermie in Bayern ergänzend weiter vorangebracht werden kann", so Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gegenüber der Mediengruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung". Kerstin Schreyer, energiepolitische Sprecherin der CSU-Fraktion im Landtag, ergänzt der Zeitung gegenüber, dass bereits ein Unterstützungspaket geschnürt wurde, „das dann direkt auf die Bundesförderung aufsetzen wird, wenn diese endlich startet“. Nach Angaben des BMWK soll das Förderprogramm ab Mitte September greifen, vielleicht geht es dann endlich los. Denn der Ruf nach politischer Unterstützung hält in der Tiefengeothermie-Branche schon lange an und obwohl eine ökologische Energieversorgung unverzichtbarer Bestandteil nationaler Sicherheit ist, benötigt Wirtschaft und Forschung einen langen Atem in dieser Angelegenheit.

Wie entscheidend der politische Wille ist, verdeutlicht sich am Beispiel der geplanten LNG-Terminals. Für den rasanten Bau dieser Umschlagplätze wurden sämtliche genehmigungsrechtliche Hürden gekippt. Von solchen Erleichterungen kann die erneuerbare Energie Branche bis jetzt nur träumen. Zwar werden von Politikern Vereinfachungen im Bereich der Planungs- und Genehmigungsphase für Geothermieprojekte begrüßt. An der Umsetzung hapert es aber noch und generell scheint der Wärmesektor etwas vernachlässigt zu werden. Gleichermaßen stellt sich die Frage wann die Staatsregierung den Forderungen einer besseren Vernetzung bestehender Fernwärmenetze sowie der Risikoabsicherung von Kommunen für die Realisierung von Geothermieprojekten nachgehe.

Bundesregierung vernachlässigt den Wärmesektor

Dass sich die Geothermie-Branche noch in Geduld üben muss, zeigt sich am Beispiel der in Berlin angekündigten „großen energiepolitischen Reformen“. So möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm verschiedene Gesetze umfassend novellieren, um den Ausbau von erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Während das sogenannte Osterpaket am 07. Juli 2022 beschlossen wurde und vom BMWK als „größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzenten“ bezeichnet wurde, steht das versprochene Sommerpaket noch aus. Dabei wäre gerade dieses von besonderem Interesse. Denn wie die aufgezählten Maßnahmen aus dem Osterpaket, Erdgas und die daraus erzeugte Wärme ersetzen soll, ist rätselhaft. So beziehen sich nahezu alle Maßnahmen auf den Stromsektor.

Insgesamt wird die Vernachlässigung des Wärmesektors nicht dazu führen, dass den Endverbraucher:innen eine Versorgungssicherheit und Preisstabilität gewährt werden kann, noch das Bayern unabhängiger von fossilen Energieimporten wird.

Und so geht der Kampf um die Etablierung der Tiefengeothermie, als die grundlastfähige Alternative zur Wärmeversorgung, in Bayern und Deutschland weiter.

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