Ohne Geothermie sind die Klimaschutzziele nicht zu erreichen.

Thema im Fokus 1-2019 | Karin Jehle
Die Klimabilanz des Jahres 2018 macht deutlich, dass die Weltgemeinschaft alles andere als auf dem richtigen Weg ist, um eine Erhitzung des Planeten über die kritischen zwei Grad hinaus noch zu verhindern. Tausende von Schülerinnen und Schülern streiken am heutigen Freitag und gehen für den Klimaschutz auf die Straße. Klar ist, dass es alle erneuerbaren Energien im Verbund mit ehrgeizigen Energiesparmaßnahmen und einer stark erhöhten Effizienz brauchen wird. Welchen Beitrag die Geothermie zum Klimaschutz leisten kann, zeigen Studien des Umweltbundesamtes (UBA).

Deutschlandweit setzen Schülerinnen und Schüler heute ein Zeichen, dass sie es nicht akzeptieren, wie von der Erwachsenengeneration ihre Zukunft verspielt wird. Nach dem Vorbild der 15jährigen Schwedin Greta Thunberg bestreiken sie den Unterricht und fordern die Politik auf, schnell und durchgreifend für mehr Klimaschutz zu sorgen.

Auch wenn auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz (COP24) eine Einigkeit über die Regeln zur Berechnung der Klimaschutzmaßnahmen erzielt werden konnte, geht der Treibhausgasausstoß ungebremst weiter. Um mehr als zwei Prozent stiegen die Emissionen 2018 im Vergleich zum Vorjahr nach Berechnungen des Global Carbon Project.

Stagnation bei der erneuerbaren Wärme
38 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs deckten 2018 regenerative Energien ab (Quelle BDEW). Doch zur Erreichung des Ziels von 65 Prozent bis im Jahr 2030 ist noch ein gehöriges Stück Weg zurückzulegen. Wesentlich dürftiger sieht der Beitrag der erneuerbaren Energien im Wärmebereich aus. Nur 13,9 Prozent im deutschen Wärmemix stammen aus regenerativen Quellen (Zahlen 2017, Umweltbundesamt). Davon leistet die Bioenergie den größten Beitrag.

Sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor sollte die Geothermie in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Im Gegensatz zu Wind und Sonne ist sie grundlastfähig. Im Vergleich mit anderen Arten der Energieerzeugung (fossil und regenerativ) schneidet die Geothermie auch in der Lebenszyklusanalyse sehr gut ab. Studien des Umweltbundesamtes (UBA) belegen dies.

Das geothermische Potenzial ist gewaltig.
100 Terrawattstunden (TWh) Wärme sollen tiefe und oberflächennahe Geothermie nach einer 2017 erschienenen Studie des UBA bis 2050 erzeugen, einen Großteil des Bedarfs. „Biomasse ist viel zu kostbar zum Verheizen“, so die Autorin Christiane Lohse auf dem Praxisforum Geothermie.Bayern im Oktober 2018. Für den aktuellen Bericht hatte Lohse verschiedene Studien des UBAs ausgewertet. „Geothermie ist die klimafreundlichste erneuerbare Energiequelle, die uns zur Verfügung steht“, konstatierte sie in ihrer Keynote zur Eröffnung des Kongresstages. „Ohne ihre Nutzung wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen.“

Eine regenerative Vollversorgung ist möglich.
In ihrem engagierten Vortrag präsentierte die Geowissenschaftlerin verschiedene Szenarien, wie Deutschland sein Energiesystem gestalten kann, um bis 2050 zu einer regenerativen Vollversorgung zu gelangen. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE sieht die Tiefengeothermie zur Versorgung von Fernwärmenetzen sowie Erdwärmepumpen für Einzelgebäude als die auch ökonomisch sinnvollste Lösung an. Die Studie berechnete die Kosten für eine regenerative Versorgung des Gebäudesektors, verglich verschiedene Erzeugungsarten und ermittelte das optimale Setting.

Ein kleineres aber auch nicht unerhebliches Potenzial steckt in der geothermischen Stromerzeugung. Fünfzig Terrawattstunden jährlich sind laut UBA technisch und ökologisch erschließbar (Quelle UBA 2010). Was die Geothermie in der Ergänzung zur volatilen Stromproduktion aus Sonne und Wind so wichtig macht, ist ihre Grundlastfähigkeit. Über 8.500 Volllaststunden erreichte beispielsweise das beste Geothermiekraftwerk in Bayern 2017 – das ist mehr als jede andere Energieerzeugungsanlage zustande bringt (wir berichteten).

Klimaneutral von der Wiege bis zur Bahre
In einer weiteren Studie erstellte das UBA eine Lebenszyklusanalyse verschiedener Stromerzeugungsarten. Die Geothermie schnitt dabei sehr gut ab, wenn man sämtlichen Input während Konstruktion, Dekonstruktion, Betrieb und Brennstoffbedarf einrechnet.

Bei gekoppelter Erzeugung von Strom und Wärme erzielt die Geothermie sogar noch eindrucksvollere Ergebnisse. Da die regenerative Wärmeerzeugung als bilanzielle Gutschrift auf dem Emissionskonto gebucht wurde, ergaben sich für Geothermiekraftwerke sogar negative Treibhausgas-Emissionen. Für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele zählen die gesamten Emissionen, umso wichtiger ist es, Strom- und Wärmeerzeugung zu koppeln. So vergab das UBA für die Geothermie das Prädikat „Klimafreundlichste erneuerbare Energiequelle“ (Quelle UBA 2017).

Lokale Umwelteffekte absolut beherrschbar
Doch sind die Tiefenbohrungen nicht mit Risiken behaftet? Auch zu diesem Thema hat das UBA eine Studie erstellt (Quelle UBA 2015). Es wurde ein Szenario entwickelt, um den Handlungsbedarf abzuschätzen: Können wir uns in Deutschland darauf verlassen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung gut läuft und für alle Eventualitäten gesorgt ist?

Christiane Lohse erläuterte in ihrem Vortrag beim Praxisforum die sehr strengen Prüfverfahren in Deutschland, die sowohl während der Erschließung als auch während des Betriebs sicherstellen, dass Umwelt und Bevölkerung geschützt sind. Dies gelte es den Menschen zu vermitteln – gerade in Regionen, in denen neue Geothermieanlagen gebaut würden. Verglichen mit den Gefahren, die von einer unkontrollierten Klimaerwärmung ausgehen, seien die Risiken ohnehin verschwindend gering.

2019: Bayern baut die Geothermie weiter aus.
Aktuell erzeugen bereits 23 geothermische Anlagen über 30 Megawatt elektrischer und 300 Megawatt thermischer Leistung. Damit ist Bayern in der Nutzung der tiefen Geothermie deutschlandweit mit Abstand führend und spielt mittlerweile auch in Westeuropa eine zentrale Rolle. Die 2018 erfolgreichen Tiefbohrungen in Garching an der Alz und München-Sendling bringen die Nutzung der heimischen Energiequelle weiter voran. So ist auch für 2019 mit einem weiteren Ausbau der Geothermie zu rechnen.

Auch international ist die Geothermie im Aufwind. Beispiele aus der Türkei, Frankreich und den Niederlanden zeigen, welches Potenzial die geothermische Wärmenutzung hat. Und auch in der Stromerzeugung wird die Kraft aus der Tiefe eine größere Rolle einnehmen. Denn die Schülerinnen und Schüler in Deutschland und ganz Europa mahnen: Es bleiben noch zwölf Jahre – die Weichen für den Klimaschutz müssen jetzt gestellt werden.

 

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