European Heat Summit: Wege zur geothermischen Wärmeversorgung

17.10.2018

Zwei spannende Workshops fokussieren beim Praxisforum Geothermie.Bayern 2018 europäische Projekte zu regenerativen Wärmenetzen.

In zwei Sessions widmete sich der European Heat Summit am 16. Oktober 2018 unterschiedlichen Ansätzen zur Finanzierung und Planung der Wärmeversorgung aus der Tiefe. Referentinnen und Referenten aus fünf Ländern stellten Lösungsansätze vor.

Der erste Workshop hatte die Finanzierung von geothermischen Wärmenetzen im Fokus. Exploration und Bohrung einer geothermischen Anlage sind mit erheblichen Investitionen verbunden. Hinzu kommt der Bau eines Wärmenetzes, wenn dies nicht schon vorhanden ist. Loïc Quiquerez aus Genf stellte die Schweizer Variante vor. Hier verfolgen die Services Industriels de Genève (SIG), ein kommunales Unternehmen, das Ziel, Genf bis 2035 zu 50 bis 70 Prozent mit regenerativer Fernwärme zu versorgen, 20 Prozent davon sollen aus Tiefengeothermie stammen. Die Explorationsphase hat begonnen und ist vielversprechend. Die Explorationskosten sind zu 60 Prozent national subventioniert. Generell wird die Geothermie als dem öffentlichem Interesse dienend angesehen und entsprechend unterstützt.

Mit Ökem Çelem (JKBB Jeotermal Kaynakli Belediyeler Birligi) und Cannur Bozkurt (Armoni Danışmanlık) waren gleich zwei Expert*innen aus der Türkei angereist. Dort sind mittlerweile rund 500 Megawatt thermischer Leistung installiert, die 120.000 Menschen versorgen. Die Wärmeversorger sind großteils in kommunaler Hand oder öffentlich-privater Partnerschaft. Ziel ist es, die Menschen günstig mit Wärme zu versorgen. Die Krux daran ist indes, dass private Investoren eher weniger interessiert sind, in geothermische Projekte zu investieren. So sind auch sämtliche Anlagen im Betrieb zwischen 1987 und 2009 entstanden – danach folgte zunächst eine Phase des Stillstands. Cannur Bozkurt stellte in ihrem Vortrag jedoch zwei neue Projekte in Salihli und Alaşehir vor, die gerade im Entstehen sind.

In der zweiten Session ging es um die Planung einer geothermischen Wärmeversorgung im urbanen Kontext. Wie können Tiefenbohrungen mitten in dicht besiedelten Städten realisiert werden? Was ist bei Wärmenetzen zu beachten? Fabiana Limongi (Storenergy) stellte das Beispiel Bordeaux vor. Hier entsteht im Zentrum ein neues „Écoquartier“: 28.000 Wohnungen in Gebäuden auf hohem energetischem Standard, die Wärmeversorgung soll zu 80 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden, davon 55 Prozent Geothermie. Aktuell ist das Projekt noch in der Explorationsphase, gleichzeitig wird das Wärmenetz schon gebaut. Herausfordernd ist die Durchführung von gleich zwei Bohrungen in urbanem Gebiet, doch staatliche Garantien helfen, die Projektrisiken zu minimieren. Für Haushalte in den vom Fernwärmenetz versorgten Gebieten besteht eine Anschlusspflicht. Dabei sorgt die Kommune dafür, dass die Preise attraktiv sind.

Anschließend stellte Christine Cröniger die Strategie der Lokalmatadoren Stadtwerke München (SWM) vor. Sie können als Komplettversorger für Strom, Wärme, Wasser und ÖPNV einen stattlichen Teil der CO2-Emissionen der Stadt beeinflussen – je nachdem, wie sie sich ausrichten. Die Vision der SWM geht dabei zielsicher in Richtung klimaneutrale Energieversorgung. So soll der Strom bis 2025 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen, für die regenerative Vollversorgung der Münchner mit Wärme ist das Jahr 2040 anvisiert. Ein sportliches Unterfangen, doch die SWM verfügen, historisch bedingt, über ein große Teile Münchens umfassendes Fernwärmenetz, das heute noch teils mit Kohle und Abfall, teils mit Gas betrieben wird. Es gilt also, die Wärmequelle auszutauschen und hier bietet sich die Geothermie geradezu an. Im nahen Umland sind bereits zwei geothermische Heizwerke und drei Strom produzierende Geothermieanlagen in Betrieb. Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger war und ist hoch – auch als in der Explorationsphase gewaltige Vibrationsfahrzeuge durch die Innenstadt rollten. Ein Jahr benötigten die SWM für das komplexe Unterfangen, inklusive Öffentlichkeitsarbeit. Dann waren die Standorte identifiziert. Die erste Bohrung verlief ausgesprochen erfolgreich, die zweite wird aktuell abgeteuft. 2020 sollen drei Doubletten in München die Versorgung von 80.000 Bürgerinnen und Bürgern mit geothermischer Wärme sicherstellen.

Zuletzt schilderte Ben Leanen (VITO NV) die Situation in Belgien. Bislang wurde bei der Energiewende dort stark auf Strom gesetzt und die Wärmewende vernachlässigt. Doch das belgische Potenzial für die Geothermie ist in einigen Regionen durchaus vorhanden. Beim Projekt Balmatt erstellte Laenen, der an der Universität forscht, im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit 2010/2011 eine Machbarkeitsstudie. Auch der Business Case wurde an der Universität erarbeitet. Finanzielle Unterstützung zu bekommen, war zunächst schwierig, doch schließlich konnten Investoren gefunden werden. Mit einer Doublette fördert das Geothermiekraftwerk Wärme für die Stadt, in der bereits ein Wärmenetz vorhanden war. Gleichzeitig ist ein 750-kW-ORC-Kraftwerk in Betrieb, ein Prototyp in der Verbindung mit der Wärmenutzung. Ein spannendes Projekt, dessen Erfahrungen im laufenden Betrieb wissenschaftlich ausgewertet werden.

Eingebettet war der European Heat Summit in das Praxisforum Geothermie.Bayern 2018, das vom 16. bis zum 18 Oktober im Haus der Bayerischen Wirtschaft stattfindet. Rund 200 Besucherinnen und Besuchern aus Wirtschaft und Wissenschaft bietet die Veranstaltung Vorträge und Workshops zu neuesten technischen Entwicklungen und praktischen Erfahrungen sowie Gelegenheit zum Austausch auf hohem Niveau.

Weitere Informationen unter www.praxisforum-geothermie.de oder www.enerchange.de.
 

Quelle:

Praxisforum Geothermie.Bayern