Forschungsbohrung in Frankfurt-Rebstock

13.12.2022 | Forschung | Rachel McRae
Skyline Frankfurt am Main

Im Rahmen einer geologischen Landesaufnahme untersucht das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) aktuell nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten des mitteltiefen und tiefen Untergrunds des Rhein-Main-Gebiets. Eine Forschungsbohrung am Standort Frankfurt-Rebstock soll nun eine vermutete geothermische Anomalie im innerstädtischen Raum Frankfurts nachweisen sowie die geothermische Nutzung tieferer Thermalwasservorkommen im Rotliegend überprüfen.

Die Stadt Frankfurt am Main hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, bis 2035 soll die Klimaneutralität erreicht werden mit einer Strom- und Wärmeversorgung, welche unabhängig von fossilen Energieträgern ist.  Besonders die Geothermie könnte hierbei eine bedeutende Rolle spielen.

Oberflächennahe Wärmeanomalie im westlichen Innenstadtgebiet Frankfurts

Neben einer geologischen Landesaufnahme wurden im Bereich Frankfurt am Main innerhalb der letzten Jahre an diversen Standorten großflächig Wärmeleitfähigkeits- und Temperaturdaten des Untergrunds bis in Tiefen von 100 bis 150 Metern erhoben. Durch Auswertung der gesammelten Daten durch das Hessische Landesamt für Naturschutz Umwelt und Geologie (HLNUG) konnte eine Temperaturanomalie im westlichen Innenstadtgebiet von Frankfurt ermittelt werden, welche mit einem Temperaturbereich von 18 bis 23 Grad Celsius in 100 Metern Tiefe deutlich von der tendenziell kühleren Umgebung mit 12 bis 14 Grad Celsius bei gleicher Tiefe abweicht.

Hohe Temperaturen auch im Rotliegend zu erwarten

Bisherige Untersuchungen im Frankfurter Stadtgebiet deuten zudem auf höhere Temperaturen im Rotliegend hin. Rund 40 Grad Celsius sind in einer Tiefe von 800 Metern zu erwarten. Als Ursache hierfür vermutet das HLNUG eine geotektonische Struktur, welche zu einem kontinuierlichen Zustrom von Tiefenwasser in die Schichten des Rotliegend führt.

Während im hessischen Bereich des Oberrheingrabens infolge der Explorationstätigkeit der Kohlenwasserstoffindustrie im 20. Jahrhundert sowie durch die Realisierung von Tiefengeothermieprojekten eine allgemein gute Kenntnis über den Untergrund besteht, ist der tiefere Untergrund des Rhein-Main-Gebiets nur unzureichend bekannt. Eine Forschungsbohrung auf dem Rebstock-Gelände soll nun die vermutete oberflächennahe geothermische Anomalie belegen sowie die Nutzungsmöglichkeiten der Thermalwasservorkommen im Rotliegend überprüfen. Finanziert wird die Forschungsbohrung durch das Hessische Wirtschaftsministerium.

Geologischer Aufbau des Untergrunds

Im Bereich der Forschungsbohrung am Standort Rebstock wird der Zielhorizont, das Rotliegend, in einer Tiefenlage von 490 bis 700 Metern unterhalb des Bohransatzpunktes vermutet. Oberhalb des Rotliegend mit einer voraussichtlichen Gesamtmächtigkeit von 490 Metern befinden sich tertiäre Abfolgen.

Um den Einfluss der tertiären Sedimente auf das Reservoir zu ermitteln, plant das HLNUG auch hier entsprechende Untersuchungen. Unterlagert wird das Rotliegend von dem präpermischen Grundgebirge. Da auch hierzu nur unzureichend Kenntnis vorliegt, soll die Forschungsbohrung planmäßig das Rotliegend komplett durchteufen, um so zum Grundgebirge vorzudringen.

Wissenschaftliches Untersuchungsprogramm

Im Zuge der Forschungsbohrung plant das HLNUG ein umfangreiches Untersuchungsprogramm. Neben einer bohrbegleitenden Analyse der Bohrspülung und Ansprache des mitgeführten Bohrkleins, ist zudem die Aufnahme und detaillierte Untersuchung von Bohrkernen vorgesehen. Die damit einhergehenden Analysen werden in Zusammenarbeit des HLNUG, des Instituts für Angewandte Geowissenschaften der TU Darmstadt und des Leibniz-Instituts für Geophysik (LIAG) durchgeführt. Der Analysenumfang umfasst hierbei sowohl petrografische Untersuchungen mit Dünnschliffmikroskopie und Gesteins- und Mineralanalysen mittels Röntgendiffraktometrie und Röntgenfluoreszensanalyse, als auch Messungen gesteinsphysikalischer und geothermischer Parameter mithilfe thermischer, akustischer und porometrischer Verfahren.

Darüber hinaus werden durch das LIAG nach Erreichen der Endteufe zahlreiche bohrlochgeophysikalische Logs gefahren (Kaliber, Temperatur, Salinität, elektrischer Widerstand, Gamma-Log, Flowmeter, Neutron-Porosität, etc.).

Besonders die Durchführung hydraulischer Tests und Pumpversuche im Bereich des Zielhorizonts im Anschluss an die Fertigstellung der Bohrung sowie Begleitmessungen von Temperatur, Leitfähigkeit und weiteren Vor-Ort-Parametern des Tiefenwassers stellen wichtige Arbeitsschritte im Gesamtvorhaben dar. Gleichzeitig soll das Tiefenwasser in Form einer hydrochemischen Komplettanalytik auf die enthaltenen Haupt-, Neben- und Spurenelemente hin analysiert werden.

Ein hydrochemisches Monitoringsystem während der Bohrarbeiten und der Pumpversuche soll die Druckverhältnisse und Beschaffenheit an oberflächennahen Grundwassermessstellen im nahen Umfeld untersuchen.

Nach Angaben des HLNUG sind auch nach Abschluss der Bohrarbeiten weiterhin regelmäßige und langfristige Wiederholungsmessungen des Temperaturprofils in der ausgebauten Bohrung geplant.