Strategiewechsel bei OMV: Pilotprojekt testet Heißwasser in 2900 Metern Tiefe

07.11.2022 | Vorerkundung | Enerchange

Bislang ist das Unternehmen OMV eher für ihre umfangreiche Öl- und Gasförderung bekannt. Mit ihrer OMV Strategie 2030 schlägt das international integrierte Öl-, Gas- und Chemieunternehmen nun neue Wege ein. Ziel ist unter anderem den Anteil der Energiegewinnung aus Erdwärme bis 2030 auf bis zu 9 TWh zu steigern, umgerechnet ein Siebtel des gesamten jährlichen Energieverbrauchs in Niederösterreich. Potenzial gibt es im Weinviertel, eine Region im Nordosten von Niederösterreich, wo die OMV bislang nur Gas und Öl fördert.

Die Zeiten im Weinviertel haben sich geändert. Erdgas und Erdöl sind im Weinviertel weitgehend versiegt, zumindest bei konventioneller Förderung. Immer wichtiger wird hingegen die Fernwärme. Sie soll in Zukunft einen großen Anteil der Gasthermen ersetzen, insbesondere in Wohnungen in Ballungszentren, wo alternative Energiequellen nicht zum Einsatz kommen können.

Reaktivierung einer 50 Jahre alten Bohrung

In einem ersten Schritt setzt die OMV an einem Bohrloch zwischen Aderklaa und Deutsch-Wagram (beides Bezirk Gänserndorf) an. Die Bohrsonde namens „Aderklaa 96“ ist bereits mehr als 50 Jahre alt. In der Vergangenheit wurde hier Erdgas gefördert, doch mittlerweile sind die Reserven an dieser Stelle erschöpft. Für das Geothermie-Projekt wird das Loch nun noch einmal geöffnet. 2.700 Kubikmeter Wasser werden in den kommenden Wochen entnommen, in Spezialcontainern gelagert und nach den Untersuchungen wieder zurück in die Tiefe gepresst.
Wenn der Test glückt, könnte in der Umgebung dauerhaft heißes Wasser sprudeln. Die Temperatur sollte dafür reichen, so zumindest die Schätzungen. „Hier im Wiener Becken haben wir einen geothermische Gradienten von etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter“, erklärt Projektleiter Novotny, „das heißt, in etwa 3.000 Meter kommen wir auf 90 Grad plus zehn Grad Oberflächentemperatur“. Damit kann bereits ein städtisches Fernwärmenetz betrieben werden.

Ehrgeizigie Ziele der OMV: 9 TWh aus geothermischer Energie bis 2030

Alfred Stern, der neue CEO des Wiener Energiekonzerns, hat die ehrgeizigen Geothermie-Ziele bereits im Frühjahr bekannt gegeben. Sie sind Teil seiner geplanten Wende vom fossilen hin zu einem nachhaltigeren Unternehmen. Nur ein Teil der angestrebten 9 TWh aus geothermischer Energie soll im Wiener Becken gewonnen werden, hier dürfte das Potenzial aber immerhin im Bereich von mehreren konventionellen Wärmekraftwerken liegen.
Die bisherigen Öl- und Gasbohrlöcher können dafür allerdings kaum genutzt werden, das erfordert am Anfang teure neue Bohrungen. Immerhin kann die OMV aber auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Bohrtechnik und auf genaue geologische Untersuchungen der Region zurückgreifen – ein enormer Wettbewerbsvorteil. Ist erst einmal gebohrt, so das Versprechen, fließt jahrzehntelang heißes Wasser. Praktisch ohne weitere Anstrengung und, wichtiger noch, praktisch ohne CO2-Emissionen.
Neben der österreichischen Bundesregierung stehen auch Umwelt- und Klimaschützer hinter dem Projekt. So gäbe es in anderen Ländern, etwa Deutschland, bereits gute Erfahrungen mit der Erdwärme aus tiefen Schichten. Vorstellbar ist auch, dass bei der Förderung der Erdwärme die umstrittene Fracking-Technologie zum Einsatz kommt. Diese hat in der Region bereits wiederholt für Aufregung und Widerstand gesorgt – doch kann die Fracking-Technologie bei Geothermie nicht mit jener bei der Förderung von Schiefergas verglichen werden.

Keine Gefahr für das Grundwasser

OMV-Projektleiter Novotny versichert: Konventionelles Fracking werde weder beim aktuellen noch bei künftigen Geothermie-Projekten angewendet. Das sei aufgrund des durchlässigen Gesteins gar nicht nötig. Auch weitere Umweltrisiken kann Novotny nicht erkennen: „Wir reden von Lagerstätten in großer Tiefe. Wir reden hier nicht von Grundwasser, nicht von Trinkwasser.“ Man entziehe dem heraufbeförderten Wasser lediglich Energie und bringe es abgekühlt wieder hinunter, wo es sich erneut aufwärme.
Abhängig von den Ergebnissen der „Aderklaa 96“-Untersuchungen ist die weitere Entwicklung des Projekts. Falls alles so läuft wie geplant, könnte das Heißwasser Schätzungen zufolge frühestens in etwa vier Jahren fließen.

 

Quelle:

orf.at

Schlagworte