100 Terrawattstunden geothermale Fernwärme bis 2050 notwendig

31.10.2018

UBA-Studie zur bedeutenden Rolle der Geothermie für den Klimaschutz und die Wärmewende wird auf dem Praxisforum Geothermie.Bayern vorgestellt.

Vom 16. bis 18. Oktober traf sich die Geothermiebranche in München zu einem regen Austausch auf fachlich hohem Niveau. Die Stimmung war ausgezeichnet, arbeitet man doch gemeinsam am Ziel einer regenerativen Energieversorgung. Fachleute aus unterschiedlichsten Disziplinen diskutierten über Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Nutzung der Energie aus der Tiefe.

„Geothermie ist die klimafreundlichste erneuerbare Energiequelle, die uns zur Verfügung steht“, konstatierte Christiane Lohse vom Umweltbundesamt (UBA) in ihrer Keynote zur Eröffnung des Kongresstages. „Ohne ihre Nutzung wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen.“ In einer 2018 erschienenen Studie ermittelte das UBA für die Geothermie ein technisch-ökologisches Potenzial von 50 Terawattstunden (TWh) jährlich in der Stromerzeugung und 100 TWh in der Wärmeversorgung. Diese Potenziale seien erschließbar und müssten auch erschlossen werden, um Deutschland bis 2050 zu einem Treibhausgas neutralen Land zu machen.

Best Practice – in Europa und in Bayern
Dass die Entwicklung der Tiefengeothermie bei weitem nicht nur Zukunftsmusik ist, beweisen zahlreiche realisierte Projekte, von denen einige beim 6. Praxisforum Geothermie.Bayern präsentiert wurden. So stellten beim European Heat Summit, der am 16. Oktober in Kooperation mit der EGEC veranstaltet wurde, Referentinnen und Referenten aus Belgien, Frankreich, der Türkei und der Schweiz geothermische Anlagen in Bau und Betrieb aus ihren Ländern vor. Es lohnt sich durchaus, den Blick über die Grenze zu wagen, doch auch Bayern hat aktuelle Erfolge vorzuweisen. Christine Cröniger präsentierte im selben Workshop die Vision der Stadtwerke München (SWM), bis 2040 die Millionenstadt zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Bei der Wärmeerzeugung nimmt die tiefe Geothermie hier eine äußerst wichtige Rolle ein.

So viel Engagement will auch geehrt werden. Ausgezeichnet wurden die besten bayerischen Geothermieanlagen am 17. Oktober, mit der Verleihung des Geothermischen Energiepreises Bayern. Das Geothermiekraftwerk Sauerlach der SWM erzeugte insgesamt eine der höchsten Strommengen, punktete mit beeindruckenden 8.584 Volllaststunden jährlich und gewann so den Preis Goldenes Kraftwerk 2017. Mit der Geothermieanlage Pullach wurde ein Pionier der geothermalen Wärmewende als Goldenes Heizwerk 2017 ausgezeichnet. Die Preisverleihung, bei der zudem der Christian-Hecht-Preis für die beste nachwuchswissenschaftliche Arbeit im Bereich Geothermie an die Doktorandin Elena Mraz vergeben wurde, war ein weiteres Highlight des Kongresstages.

Wissenschaftlicher und technischer Austausch auf hohem Niveau
Die Nutzung der Energie aus der Tiefe der Erde ist ohne die Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen nicht denkbar. Zwei Workshops am 16. Oktober widmeten sich den Herausforderungen beim Einsatz von Förderpumpen und dem Problem der Ausfällungen, für die die Experten Lösungsansätze präsentierten. Die Impulsreferate bereiteten das Feld für fruchtbare Diskussionen zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. So kommt die Geothermiebranche insgesamt voran.

Auch der Kongresstag am 17. Oktober bot ein breites Spektrum aktueller Themen in sechs Foren. Fachreferenten stellten in Forum I Explorationsstrategien bis zur ersten Bohrung vor und teilten ihre Erfahrungen. Hat man dann erfolgreich gebohrt, ist eine effiziente Verteilung der geothermalen Wärme unabdingbar. Diesen Aspekt diskutierten die Energieversorger mit dem Auditorium in Forum II. Das Wissenschaftsforum der Geothermie-Allianz Bayern widmete sich verschiedenen technischen Aspekten der geothermalen Kraftwerkstechnik und der Wärmespeicherung.

Auch die drei Foren am Nachmittag griffen aktuelle Themen auf. In Forum IV waren die Ingenieurinnen und Ingenieure zugange und diskutierten über Aspekte der Bohrlochintegrität und wie die Qualität des Ausbaus gewährleistet werden kann. In Forum V stand die aktuelle Reservoirbetrachtung im Oberjura im Fokus und wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Und last but not least ging es beim Round Table „Invest Geothermal“ um die Voraussetzungen für Investitionen in Geothermieprojekte.

Geothermie erleben
Wer nach zwei Tagen theoretischem Erfahrungsaustausch und fachlichen Diskussionen immer noch nicht genug hatte, konnte auf der GeoTHOUR am 18. Oktober eine geothermische Anlage im Bau und eine im Betrieb besichtigen. Die SWM teufen aktuell ihr zweites Bohrloch auf dem Gelände des Heizkraftwerks Süd mitten im dicht besiedelten urbanen Raum ab. Ab 2020 soll eine Dreifach-Dublette mit insgesamt sechs Bohrungen (für Produktion und Injektion) 80.000 Münchnerinnen und Münchner mit regenerativer Fernwärme versorgen. Mit der vorgeschriebenen Sicherheitsausrüstung ausgestattet konnten die rund 30 Exkursionsteilnehmer die Bohrung in Aktion sehen. Eine Besonderheit des Standorts ist, dass alle sechs Bohrlöcher von einem Sammelbohrplatz aus abgeteuft werden. Bis zu 4.400 Meter lang sind die Bohrpfade und reichen in Tiefen von bis zu 3.100 Meter. Trotz der Bohrung mitten in der Stadt ist die Akzeptanz in München hoch, was nicht zuletzt auch an der aktiven und kontinuierlichen Öffentlichkeitsarbeit der SWM liegt.

Am Nachmittag ging es in die geothermische Wärmezentrale Unterföhring, die seit 2010 etwa die Hälfte des 11.500-Einwohner-Ortes mit Fernwärme versorgt. Die Betreiberfirma GEOVOL ist ein kommunales Tochterunternehmen. Aufgrund der hohen Nachfrage in Unterföhring wurde 2014 eine zweite Dublette erschlossen und 2016 die südliche Ortshälfte angebunden. In dieser befinden sich etliche Fernsehstudios (z. B. ZDF, SKY) und weitere große Arbeitgeber, so dass eine sehr hohe Wärmedichte besteht – eine sehr gute Voraussetzung für die Fernwärmeversorgung. Die Wärmenetze der beiden Ortsteile sind miteinander an mehreren Stellen verbunden, was die Versorgungssicherheit nochmals erhöht. Gerade in den Bürogebäuden aber auch in kleineren Gewerbebetrieben besteht zudem die Möglichkeit, im Sommer aus der Wärme Kälte herzustellen und so die Räumlichkeiten zu klimatisieren – in Zeiten des Klimawandels eine sehr wichtige Option. Als besonderes Schmankerl verfügt die Anlage über einen geothermischen Weißwurstkessel, der die Teilnehmer zu Mittag versorgte.

Kontakte knüpfen, Netzwerke stärken
Ein breites Themenspektrum, das die aktuellen Trends der Branche aufgreift, war für viele der 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Praxisforums Geothermie.Bayern natürlich ein nicht unwesentlicher Grund, die Reise nach München zu unternehmen. Doch für viele ist die Möglichkeit, Kontakte anzubahnen und Netzwerke zu stärken, fast noch wichtiger. „Es schafft Vertrauen, wenn man sich jedes Jahr wieder beim Praxisforum trifft“, so ein Teilnehmer in der abendlichen Praxisforum Lounge, die im Anschluss an den Kongresstag gemütliches Beisammensein mit Bier, Wein und Fingerfood bot. „Und die Stimmung war dieses Jahr wirklich sehr positiv, der Branche geht es gut.“ Ist eine vertrauensvolle Atmosphäre erst einmal geschaffen, befruchtet dies den Austausch der Fachleute. Selbst ein offenes Gespräch über Fehler und Fehlschläge ist möglich, was Lerneffekte für die Geothermiebranche als Ganzes mit sich bringen kann. „Wir sind sehr zufrieden mit dem diesjährigen Praxisforum“, konstatiert Dr. Jochen Schneider, Geschäftsführer des Veranstalters Enerchange abschließend. „Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten und freuen uns schon auf das Praxisforum 2019, das vom 7. bis zum 9. Oktober stattfinden wird.“

Anmeldungen für das 7. Praxisforum Geothermie.Bayern sind bereits möglich. Wer sich jetzt schon registriert, genießt einen 30-prozentigen Frühbucherrabatt noch bis zum 15. November 2018. Weitere Informationen und Anmeldungen unter www.praxisforum-geothermie.de.
 

Quelle:

Enerchange