Intensiver Bürgerdialog für die Geothermie

08.04.2022 | Projekte | Karin Jehle
Dr. Herbert Pohl, Deutsche Erdwärme

Die Deutsche Erdwärme entwickelt derzeit vier Geothermieprojekte im Raum Karlsruhe. Wie die Firma in den Bürgerdialog geht, um möglichst breite Akzeptanz für ihre Projekte zu erreichen, erklärt Geschäftsführer Dr. Herbert Pohl im Interview.

Enerchange: Herr Dr. Pohl, im Oberrheingraben ist die Deutsche Erdwärme aktuell in vier verschiedene Geothermieprojekte mit jeweils unterschiedlichem Entwicklungsstand involviert. Können Sie kurz umreißen, wie weit die einzelnen Projekte sind?

Herbert Pohl: Das am weitesten fortgeschrittene Projekt ist das in Graben-Neudorf, dort sind wir in der Endphase des Bohrplatzbaus. Das seismische Monitoring und das Grundwassermonitoring sind abgeschlossen und wir gehen davon aus, dass wir im Mai mit den Bohrungen anfangen können, sodass wir dann im Spätsommer die erste Bohrung hoffentlich erfolgreich abgeteuft haben.

In Dettenheim haben wir den Hauptbetriebsplan eingereicht, d. h. wir sind im Genehmigungsverfahren für die Bohrungen. Parallel befinden wir uns in Diskussionen mit der Gemeinde über die Pacht des Grundstücks. Auch die weiteren technischen Planungen laufen parallel.

Beim dritten Projekt in Waghäusel ist es ein ähnlicher Stand wie in Dettenheim, ein bisschen weiter zurück. Hier haben wir noch nicht mit dem Genehmigungsverfahren begonnen, aber diskutieren auch über die Pacht eines Grundstückes. In beiden Fällen, sowohl in Dettenheim als auch in Waghäusel, haben wir Grundstücke, die wir von der Gemeinde erwerben oder übernehmen würden. Und in beiden Fällen hat sich der Gemeinderat positiv dazu entschieden, uns ein Grundstück zur Verfügung zu stellen.

Das vierte Projekt ist in Neureut im Stadtgebiet von Karlsruhe, die anderen liegen im Landkreis Karlsruhe. Hier müssen wir noch einmal eine 3D-Seismik erheben, weil die derzeitige Datenlage nicht ausreichend ist. Das werden wir im kommenden Jahr realisieren, denn für eine 3D-Kampagne gibt es ja ein relativ enges zeitliches Fenster. Es muss außerhalb der Brutzeit sein, de facto hat man die Wintermonate und den Spätherbst zur Verfügung. Das wird perspektivisch ein Projekt, das für die Wärmeversorgung in Karlsruhe relevant sein sollte. Die Stadt Karlsruhe hat es auch schon aufgenommen in ihren Plan, wie sie CO2-Neutralität erreichen möchte.

Gerade in Graben-Neudorf und Waghäusel ist eine Bürgerinitiative ziemlich aktiv, die teilweise auch mit irreführenden Behauptungen und Falschinformationen an die Öffentlichkeit geht. Wie gehen Sie damit um?

Zunächst einmal muss man die Bedenken, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern geäußert werden, ernst nehmen. Wir haben einen intensiven Bürgerdialog, in dem wir versuchen, sehr sachlich mit diesen Argumenten umzugehen. Wir haben eine Webseite mit sehr, sehr vielen Fragen und Antworten, die schon einen Großteil der Fragen, die typischerweise gestellt werden – seismisches Risiko, Lärm, Grundwasserschutz – und ähnliches adressiert.

Wir haben auch Bürgerstunden angeboten, ursprünglich während der Corona-Zeit virtuell und jetzt zunehmend auch vor Ort, um wirklich im Einzelgespräch mit den Bürgern zu sprechen. Wir sind an Ständen vertreten, zum Beispiel am Wochenende auf dem Frühlingsmarkt in Waghäusel-Wiesental, um dort mit sehr, sehr vielen Bürgern zu sprechen. Die kommen und sagen: „Ich hab mal `ne Frage, ich hab gehört, dass…, ich möchte das mal besprechen.“ Und dafür ist es einfach extrem wichtig, dass man präsent ist und wir tun unser Möglichstes.

Wir haben außerdem öffentliche Informationsveranstaltungen organisiert, in Graben-Neudorf schon mehrere, in Dettenheim findet eine Anfang Mai statt, in Waghäusel hatten wir eine im letzten Jahr. Das sind auch immer Foren, um solche Themen zu diskutieren. Das wichtigste ist, dass man sagt: Wir müssen diese Bedenken ernst nehmen und auf sie eingehen und mit den Argumenten arbeiten.

Was die Bürgerinitiative angeht, ist es in der Tat leider häufig so, dass trotz mehrfacher Diskussion auch Behauptungen, die erwiesenermaßen einfach einer faktischen Grundlage entbehren, immer wieder hochgebracht werden. Ich möchte das nicht alles über einen Kamm scheren, es gibt durchaus auch Bürger, die sich dort engagiert haben, die Fragen haben und die auch ernsthaft am Dialog interessiert sind. Teilweise ist das aber nicht der Fall. Da geht es nicht um einen ernsthaften Dialog, sondern darum, eine bestimmte Perspektive, eine bestimmte Meinung zu pushen. Und das ist jetzt nicht nur so eine Behauptung. Wir sehen es. Wir haben zum Beispiel in Waghäusel die Bürgerinitiative und die Interessensgemeinschaft zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Und sie haben die Teilnahme abgelehnt. Da gab es die Einladung: Ihr könnt gerne mit auf die Bühne kommen und auf dem Podium mitdiskutieren. Das wollen sie dann aber gar nicht. Sie wollen lieber aus dem Publikum heraus ein paar Fragen stellen oder ein paar Statements abgeben. Das ist schade, aber es ist so, dass das Interesse an einem echten Dialog nur sehr begrenzt ist.

Meistens ist es ja eine schweigende Mehrheit, die der Sache zumindest neutral gegenübersteht, und eine kleine Minderheit gegen das Projekt, die dafür aber sehr laut ist. Was kann denn die schweigende Mehrheit unter den Menschen vor Ort für Ihr Projekt begeistern?

Ich glaube, man muss beim Dialog immer die richtige Balance finden. Sehr oft wird über Risiken geredet, über technische Details, wie wir nun genau den Grundwasserschutz gewährleisten und wie unser seismisches Monitoring funktioniert. Das sind alles sehr legitime Themen und die gehören natürlich auch zu einer soliden Projektplanung dazu. Was man dabei aber nicht vergessen darf, ist, wofür wir das eigentlich machen. Diese Projekte dienen dem Klimaschutz, sie dienen dazu, unseren Kindern und Enkeln eine Umwelt zu hinterlassen, in der man noch leben kann. Und wir haben in den letzten Jahren bei Weitem nicht die Fortschritte gemacht, weder in Deutschland noch international, die wir machen müssen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Das ist die eigentliche Diskussion, die wir führen müssen.

Und hier komme ich zur Begeisterung: Mit Geothermie haben wir die Möglichkeit mit einer Gemeinde für diese Gemeinde Klimaneutralität zu erreichen. Wir können diese Gemeinde CO2-frei mit Wärme versorgen. Das ist ein Riesenfortschritt. Heute liegt der Anteil Erneuerbarer Energie in den Wärmenetzen im Schnitt bei 17 oder 18 Prozent. Mit einem Geothermiekraftwerk haben wir die Möglichkeit, die Wärmeversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energie umzustellen. Das muss aus meiner Sicht auch noch viel stärker in die Diskussion hinein. Wir sollten auch über Risiken reden, selbstverständlich, aber wir sollten eben auch verstehen, dass diese Technologie enorme Chancen mit sich bringt. Und die Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben, betreffen uns alle und sind, wie wir jetzt auch in Deutschland schmerzlich erfahren haben, sehr, sehr real.

Wie stehen die Kommunalvertreter:innen vor Ort zu den Geothermieprojekten?

Wir erleben eigentlich in den Gemeinden, in denen wir tätig sind, eine fraktionsübergreifende Zustimmung zu unseren Projekten. Das macht gar keinen Unterschied, aus welchen Parteien die Gemeindevertreter kommen. Die halten sich offen gesagt auch wenig an irgendwelche Vorgaben, die aus der Landes- oder Bundespolitik kommen. Die bilden sich da schon ihre eigene Meinung. Und wenn man mit ihnen diesen intensiven Dialog führt, sind sie den Projekten gegenüber sehr aufgeschlossen. Bestes Beispiel dafür ist, dass sich die Gemeinderäte in Dettenheim und Waghäusel beide positiv darüber ausgesprochen haben, mit uns über die Zurverfügungstellung eines Grundstücks zu reden, auf dem wir das Kraftwerk realisieren können.

Es gibt eine Fraktion, die systematisch eigentlich immer gegen unsere Projekte ist, das ist die AfD. Das liegt daran, dass die AfD auch in ihrem Wahlprogramm das Thema Klimaschutz für ein nicht ganz so ernsthaftes Thema hält und den Klimawandel immer noch in Frage stellt. Und aus so einer Haltung heraus wundert es mich dann auch nicht, dass die unseren Projekten gegenüber immer kritisch eingestellt sind. Da muss sich dann halt jeder fragen: Will ich mit den demokratischen Parteien gemeinsam für den Klimaschutz sein oder will ich mich mit der AfD ins Bett legen.

Was ist Ihrer Meinung nach besonders effektiv, um die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen?

Ich glaube, es geht nur über den persönlichen Dialog. Wir haben natürlich unsere Medien, die wir versuchen einzusetzen, die Webpage, Broschüren, die wir vor Ort verteilt haben. Aber letztlich gestaltet man solche Diskussionen nur erfolgreich, wenn man vor Ort an den Ständen, in den öffentlichen Informationsveranstaltungen und in den Fraktionssitzungen präsent ist. Das ist das Entscheidende. Man kann das nicht als eine Kampagne führen, wo man mit Anzeigen, Broschüren und ähnlichem meint, man kann dort Mehrheiten gewinnen und die Bürgerinnen und Bürger überzeugen. Das wird nicht funktionieren. Man muss schon deutliche Präsenz vor Ort zeigen und dann ist es aber aus unserer Sicht sehr gut möglich.

Wir versuchen ja auch nicht nur durch Informationsveranstaltungen vor Ort zu sein, sondern wir versuchen auch, das zu tun, was meiner Meinung nach jedes Unternehmen machen sollte: Nämlich ein Teil der Gemeinde zu werden, in der es tätig ist. In Graben-Neudorf haben wir jetzt schon zwei Mal das Fußballturnier der U14 unterstützt. Wir haben eine Musical-Werkstatt unterstützt, die sehr unter der Corona-Pandemie gelitten hatte. Das waren dann 100 Kinder, die hier ein Musical organisiert haben, ganz phantastisch. Und dieses Jahr engagieren wir uns das erste Mal beim Girls-Day und haben ein Kontingent mit sechs Plätzen zur Verfügung gestellt. Wir unterstützen gerne Initiativen, die etwas mit der Umwelt zu tun haben oder mit der Jugend oder mit Bildung und Wissenschaft. Die Jugend ist eigentlich unser Zielpublikum. Wir bauen diese Anlagen für die Jugendlichen und für die Kinder, weil sie diejenigen sind, die später hoffentlich den Nutzen von diesen Anlagen haben.

Quelle:

Enerchange