Etwas mehr als 10 Jahre nach dem Gemeinderatsbeschluss für die Umsetzung des Geothermieprojektes hat vergangene Woche die Geothermie Unterhaching in Kooperation mit dem Wirtschaftsforum Geothermie zu den ersten Praktikertagen für angewandte Tiefengeothermie eingeladen. Vor über 80 interessierten Teilnehmern referierten die beteiligten Projektpartner und führende Experten aus der Geothermiebranche über die Erfahrungen und Entwicklungen aus dem Pionierprojekt der Gemeinde Unterhaching.
„Die Geothermie Unterhaching kann als eines der wenigen kombinierten Strom-Wärmeprojekte der Tiefengeothermie auf eine zehnjährige Historie zurückschauen“, so Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching GmbH & Co KG in einer Pressemitteilung. „Davon sind wir fünf Jahre erfolgreich in Betrieb, wenn gleich dieser Weg bisher an Herausforderungen und Erfahrungen reich bestückt war und ist. Seit langem schon bietet unser Vorzeigeprojekt die Möglichkeit, sich einen Eindruck von der Nutzbarkeit der Tiefengeothermie zu machen.“ Mit den jetzt initiierten „Praktikertagen für angewandte Tiefengeothermie“ will die Geothermie Unterhaching gemeinsam mit den Projektpartnern die in Unterhaching entwickelten Lösungen für die Tiefengeothermie präsentieren und weitere Ideen entwickeln und ausbauen.
Dass die Auftaktveranstaltung am 19. und 20 Juli ein voller Erfolg war, darüber sind sich Teilnehmer und Organisatoren einig. Begrüßt wurde vor allem, dass in den meisten Beiträgen wissenschaftliche Aspekte zusammen mit praktischen Erfahrungen vermittelt wurden. Hervorzuheben ist der Beitrag von Aad Castricum, Manager Technical Support bei Baker Hughes Centrilift, der die Tauchkreiselpumpen der neuesten Generation vorstellte. In Unterhaching ist die derzeit weltweit größte Tiefenpumpe für den Einsatz in heißem Thermalwasser im Einsatz. Besondere Beachtung fand auch der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Rüdiger Schulz, Sektionsleiter am Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) über das Geothermieprojekt in Unterhaching im Umfeld der geothermischen Energieerzeugung im Münchner Raum. Schulz stellte eine vom BMU geförderte Studie über den Münchner Raum vor, in die zahlreiche regionale Projektpartner involviert sind. Im Rahmen dieser Studie wurde ein Modell entwickelt, das auf hydraulischen Daten beruht. Das Modell zeigt die hohe Ergiebigkeit des Malm und lässt Rückschlüsse auf mögliche Beeinflussungen wie die Temperaturentwicklung bei Bohrungen zu. Das Ergebnis verdeutlicht, dass es trotz hoher Bohrdichte im Münchner Raum an einer fiktiven Messstelle im Zentrum des Projektgebiets nur zu einer geringen Beeinflussung kommt. Dass sich einzelne Bohrungen auch stärker beeinflussen könnten, ist nicht auszuschließen.
Ein weiterer Höhepunkt war die Besichtigung der Anlage, wo Experten direkt vor Ort Herausforderungen und Lösungen präsentieren und erklären konnten.
Eröffnet wurde die Abendveranstaltung durch einen äußerst interessanten und unterhaltsamen Vortrag von Altbürgermeister Dr. Erwin Knapek. Der “Vater“ des Projektes und nun Vorsitzender des Wirtschaftsforums Geothermie verwies in seinem Beitrag mit zahlreichen Anekdoten auf die Stolpersteine bei der Umsetzung dieses ersten Strom-Wärmeprojektes im Bayerischen Molassebecken. Knapek wies in seinem Vortrag auf den mit Förderung des bayerischen Wirtschaftsministerium erstellten Wärmeatlas – das Förderprogramm ist immer noch abrufbar - als wichtige Grundlage für das Projekt hin und sprach über den weltweit bedeutungsvollen Tag des 11. September 2001, als der Bauausschuss des Gemeinderats in Unterhaching die Entscheidung für das Projekt getroffen hat. Er verdeutlichte die schwierige Suche nach dem zweiten Bohrgerät und die damit verbundenen Auflagen. Zum Schluss verwies er darauf, dass die breite Bürger-Zustimmung ein ganz wichtiger Faktor war und dass Unterhaching mit der geothermischen Anlage sowie der kürzlich gegründeten Bürgergenossenschaft zum Ausbau der Photovoltaik „Bürger-Energie-Unterhaching“ auf dem Weg zu einer Pulsenergiegemeinde ist. Dieser Prozess und das Ziel, dass Unterhaching 100 % CO2 frei wird, begleitet die lokale Agenda 21-Gruppe.
Der zweite Tag war geprägt von der Nutzung geothermischer Wärme. Unter anderem präsentierte Jens Kötting, Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umwelttechnik, die Vorgehensweise beim Ausbau des Fernwärmenetzes. Relativ früh fiel die Entscheidung, dass die Anlage Wärme und nicht Strom führen soll. Daraufhin wurde das Kraftwerk und die Turbine kleiner dimensioniert, um selbst in Teillast Strom produzieren zu können. Auswirkung der Umstellung war, dass für das Fernwärmenetz mehr Leistung zur Verfügung stand, da das Wasser im Fernwärmenetz eine Temperatur von über 120 Grad Celsius hat. Aufgrund dieser hohen Temperatur wurde das Wärmenetz mit kleineren Leitungsquerschnitten gebaut. Dies sparte Ausbaukosten und war ein wichtiger Schritt, um die höherwertigere Wärme zu nutzen. Letztendlich kann mit der kleineren Anlage wesentlich mehr Strom produziert werden, da eine große Anlage bei Teillast nicht mehr betrieben werden könnte.
Das Kalina-Kraftwerk wurde von Herr Hans-Werner Rathje vorgestellt, der es bei der Siemens AG betreut. In seinem Vortrag stellte Rathje die Vorteile einer Kalina-Anlage im Temperaturbereich unter 140 Grad Celsius heraus. Im Betrieb der Anlage war dann die Dimensionierung der Wärmetauscher ein Problem, sodass nachträglich Platten nachgerüstet werden mussten. Er kam auch auf Schäden zu sprechen: so gab es unter anderem Probleme an der Turbine, die jedoch zu Betriebsbeginn behoben werden konnten. Seither läuft die Turbine störungsfrei. Offen blieb in dem praxisnahen Vortrag lediglich, ob Siemens sich auch zukünftig im Kraftwerksbau für geothermische Anlagen im Niederenthalpiebereich engagieren wird.
Dass das Tiefengeothermieprojekt in Unterhaching zu einem wichtigen Standortfaktor für die Gemeinde geworden ist, betonte der 1. Bürgermeister von Unterhaching, Herr Wolfgang Panzer, in seiner Schlussrede. Nicht nur bei den Bürgern, auch bei vielen Gewebebetrieben erfreut sich die umweltfreundliche Fernwärme großer Beliebtheit. Darüber hinaus profitieren viele Vergleichsobjekte im In- und Ausland von den in Unterhaching gewonnenen Projekterfahrungen. Die Besucherzahlen der Anlage steigen jährlich: allein im vergangenen Jahr kamen Investoren, Politiker und Interessenvertreter aus 22 Nationen nach Unterhaching, um die innovative Geothermieanlage zu besichtigen. (ps)
Quelle: Geothermie Unterhaching