Covid-19 reduziert die Kohleverstromung

15.02.2021 | Karin Jehle
Kohlekraftwerk

Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Energiesystem und die Stromnachfrage untersucht. Unterstützt durch die richtigen klimapolitischen Maßnahmen könnten die Emissionen des Stromsektors schneller sinken als bisher angenommen.

In der Krise steckt immer auch eine Chance – so geistert es mantraartig seit Beginn der Covid-19-Pandemie durch die Medien. Tatsächlich gibt es viele gesellschaftliche Bereiche, deren Schwachstellen durch die Krise offengelegt werden und in denen grundlegende Reformen Not täten. Zumindest das globale Klima hat kurzfristig profitiert: Weniger industrielle Produktion, weniger Verkehr, weniger Flüge führten zu einem reduzierten globalen Treibhausgasausstoß.

Wissenschaftler*innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigten in einer jüngst in der Zeitschrift Nature publizierten Studie, wie bedingt durch die sinkende Stromnachfrage die CO2-Emissionen sanken – global gesehen waren es sieben Prozent im Jahr 2020. Betrachtet man allein Indien, die USA und die europäischen Länder, ergibt sich ein noch dramatischeres Bild: In diesen Schlüsselmärkten, in denen die monatliche Stromnachfrage im Vergleich zu 2019 um bis zu 20 Prozent zurückging, sanken die monatlichen CO2-Emissionen um bis zu 50 Prozent.

Denn auch im Stromerzeugungsmix an sich verloren fossile Quellen an Bedeutung: „Kohle ist von der Corona-Krise härter getroffen worden als andere Stromquellen – und der Grund dafür ist einfach“, erklärt Leitautor Christoph Bertram vom PIK in einer Pressemitteilung des Instituts. „Wenn die Nachfrage nach Strom sinkt, werden in der Regel zuerst die Kohlekraftwerke abgeschaltet. Denn der Prozess der Verbrennung verursacht ständig Kosten. Die Anlagenbetreiber müssen für jede einzelne Tonne Kohle bezahlen. Erneuerbare Energien wie Wind- und Solaranlagen haben dagegen, einmal gebaut, deutlich geringere Betriebskosten – und laufen auch dann weiter, wenn die Nachfrage sinkt.“

Zubau an regenerativer Energie muss wieder anziehende Stromnachfrage übersteigen

Die Forscher*innen schätzen, dass die globalen CO2-Emissionen ihr Allzeithoch von 2018 wahrscheinlich nicht mehr erreichen werden. „Aufgrund der anhaltenden Krise erwarten wir, dass die Stromnachfrage 2021 etwa auf dem Niveau von 2019 liegen wird, was angesichts der laufenden Investitionen in eine kohlenstoffarme Stromerzeugung eine geringere fossile Erzeugung als in diesem Jahr bedeutet“, sagt Co-Autor Gunnar Luderer vom PIK.

„Solange dieses Wachstum der sauberen Stromerzeugung den Anstieg der Stromnachfrage übersteigt, werden die CO2-Emissionen des Stromsektors sinken“, erklärt Luderer weiter. „Nur bei einer ungewöhnlich hohen Stromnachfrage in Kombination mit einem überraschend geringen Zubau an erneuerbaren Kraftwerken in den Jahren 2022-2024 und darüber hinaus, würde die fossile Stromerzeugung wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückfallen.“

Politische Leitplanken erforderlich

„Unsere Studie zeigt, dass es nicht nur ökologisch unverantwortlich, sondern auch ökonomisch sehr riskant ist, in fossile Energieträger zu investieren“, sagt Co-Autor Ottmar Edenhofer, Direktor des PIK und des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. In der Ökonomie spricht man auch von „Stranded Assets“ – Investitionen in Rohstoffe, die besser im Boden bleiben sollten.

Um die Chance zu nutzen, die durch die krisenbedingte Verschiebung im Stromsektor entstanden ist, müsse die Politik weitere Maßnahmen ergreifen, folgern die Autor*innen der Studie. Eine davon ist eine zusätzliche CO2-Bepreisung. Des Weiteren sollten fossile Brennstoffe nicht weiter subventioniert und der Ausbau erneuerbarer, klimafreundlicher Energien vorangetrieben werden. Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen, denn aktuell wäre es einfacher als je zuvor, der klimaschädlichen Stromerzeugung ein Ende zu setzen.